The Betsy

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
24. Dezember 2014
Abgelegt unter:
CD

Score

(3.5/6)

Familienzwist zwischen Zeichenbrett und Schlafzimmer

Pünktlich zum Beginn der Vorweihnachtszeit präsentieren Tadlow Music und Prometheus nach Mr. Moses (1965) nun die Numero zwei eines lange angekündigten John-Barry-CD-Album-Duos, gewidmet einer weiteren Rarität: The Betsy (1978).

Bestsellerautor Harold Robbins verfasste 1971 seinen Roman „The Betsy“, welcher hierzulande unter „Der Clan“ erschien. Es ist die Saga einer fiktiven US-Automobildynastie, den Hardemans, in der Automobilmetropole Detroit. Der inzwischen 86-jährige Patriarch Loren Hardeman (Laurence Olivier) hat über die Dekaden aus dem Familienunternehmen einen Großkonzern gemacht. Zwar hat er die Leitung der Bethlehem Motor Company längst an seinen Enkel, Loren Hardeman III. (Robert Duvall) übergeben, er ist aber immer noch die graue Eminenz des Unternehmens. Mit der Entwicklung eines sicheren und zugleich kraftstoffsparenden Autos für breiteste Käuferschichten plant der alte Hardeman sich einen unauslöschlichen Platz in der Automobilgeschichte zu sichern. Benannt hat er sein US-Volkswagenmodell nach seiner geliebten Urenkelin: Betsy. Der im Kielwasser der TV-Serien Dallas und Denver Clan fahrende Plot ist gewürzt mit entsprechenden Ingredienzien. Die eher verhaltene Kritik bescheinigte dem Spektakel in erster Linie eine beachtliche Besetzungsliste.

Bei The Betsy * Der Clan (1978) des Regisseurs Daniel Petrie fungierte Autor Harold Robbins als Mitproduzent. Im September 1987 war der an der Kinokasse wenig erfolgreiche Film erstmals in der ARD zu sehen. Von John Barrys Filmmusik gab es auf CD bisher einzig die rund fünfminütige Kopplung von „Main Title & Love Theme“ auf dem im Jahr 2001 ebenfalls mit den Prager Philharmonikern produzierten Silva-Barry-Sampler „Walkabout“.

Zu The Betsy sind weder Notenmaterial noch die vollständigen Musikaufzeichnungen erhalten. Nic Raine, Dirigent der Prager Philharmoniker auf der vorliegenden Einspielung, hat sich die Mühe gemacht, die vollständige Musik anhand einer DVD des Films und eines qualitativ bescheidenen Bandmitschnitts von Teilen der originalen Musikeinspielungen zu rekonstruieren.

The Betsy PLAKATMOTIVAuf dem vorliegenden Album präsentiert sich der rund 47-minütige Score als gut fließendes Album, trotz der bei Barry üblichen, eher einfachen Variationstechnik. Neben dem Hauptthema gibt es noch zwei weitere korrespondierende musikalische Gedanken, das Love-Theme sowie das für Angelo, mit denen die Musik angenehm gestaltet wird. Hinzu kommen die kontrastierenden Interaktionen des Klaviers, welches die Themen und deren Varianten galant umspielt oder, beispielsweise in „Back on Payroll“, sanft bluesige Begleitfiguren liefert. Soli von Flöte, Saxophon und besonders ausdruckstark von Violine (Lucie Svehlova) und Cello (Marek Elznic) sind ebenfalls mit von der Partie. Das alles sorgt für ein ausreichendes Maß an klanglicher Abwechslung, so dass über die Gesamtlänge kaum Langeweile aufkommt. Neben den ungewöhnlich dissonanten Klangfärbungen in einer der atmosphärisch dunkleren Passagen im letzten Drittel des Scores ist ein außergewöhnlicher, fast schon synthetisch anmutender Klangeffekt ebenfalls bemerkenswert, den separat aufgenommene, auf dem Marimbaphon schnell gespielte und mit viel Hall versehene Tremoli erzeugen. Dass das Betsy-Thema zwischendrin aus der Reserve tritt und auch mal so richtig süffig walzern darf, ist geradezu untypisch für Barry und damit eine zusätzliche Rarität.

Damit ist The Betsy doch deutlich abwechslungsreicher als so manche Barry-Filmmusik insbesondere ab etwa Mitte der 1980er Jahre, in denen die häufiger immer noch schönen Hauptthemen über den gesamten Score gehört in eher langweiliger, klangsoßiger Umgebung ein repetitives Dasein fristen müssen und so zu blassen Monumenten erstarren. Auch wenn das Hauptthema mit Barry-Ohrwürmern jener Jahre, wie Somewhere in Time (1980), nicht voll konkurrieren kann und der Score deshalb, wie es auch im Begleitheft heißt, zusammen mit dem eher floppenden Film links liegen gelassen worden ist, so vermag es sich durchaus beim zweiten oder dritten Hören beträchtlich ins Ohr zu schmeicheln. Und so erweist sich The Betsy insgesamt, insbesondere jetzt, wo nichts mehr nachkommt, als besonders hübsche und gelungene musikalische Barry-Ausgrabung zu einem praktisch verschwundenen Film.

Der feine Eindruck, den das Album hinterlässt, ist aber sicher auch mit ein Verdienst der Prager Philharmoniker unter der Leitung von Nic Raine, die in Sachen John Barry ein weiteres Mal eine spürbar kompetente und liebevolle Einspielung präsentieren, welche auch tontechnisch in transparent-knackiger Bestform daherkommt. Abgerundet wird der positive Eindruck durch das ansprechende Begleitheft, versehen mit einem informativen Text von Frank K. DeWald zu Film und Filmmusik sowie einigen Anmerkungen von James Fitzpatrick zu den technischen Aspekten der Albenproduktion.

Fazit: Neben dem bereits sehr netten Mr. Moses erweist sich die Musik zu The Betsy dank ihrer besonders bei mehrfachem Hören gut ins Ohr gehenden Themen in noch eindeutigerem Maße als typisch für John Barry. Auch über die unverwechselbaren, schönen Themen hinaus, wartet der Score nämlich mit verschiedenen hübschen Einfällen auf. Was man von John Barry bekommt, das ist in der Machart zwar praktisch immer recht einfach gestaltet und birgt auch kaum wirkliche Überraschungen. Diese klaren Grenzen stehen aber nun gewiss nicht für überwiegend einfallslos. Nein, denn in ihren guten und inspirierten Momenten wird eine gekonnt melodische Musik, garniert mit ansprechenden Einfällen geboten, die viele Hörer unmittelbar angenehm zu unterhalten vermag: Auch das ist zweifellos eine Qualität. Entsprechend erhält auch The Betsy im bekanntlich etwas „restriktiveren“ Cinemusic.de-Wertungssystem dreieinhalb Sterne. Wobei sich diese merklich über dem Durchschnitt liegende Einstufung überwiegend aus den Qualitäten der Musik rechtfertigt und es darüber hinaus nur eines geringen Zuschlags im Sinne einer Albumwertung bedarf.

Hier finden Sie einen Überblick über alle bei Cinemusic.de besprochenen CDs des Labels Tadlow Music.

Komponist:
Barry, John

Erschienen:
2014
Sampler:
Prometheus (Vertrieb Tadlow/Silva Screen Records)
Kennung:
XPCD 177
Zusatzinformationen:
City of Prague Philharmonic Orchestra, Nic Raine

Weitere interessante Beiträge:

Stargate

Stargate

Dune

Dune

Vaughan Williams: Sinfonien 1-9 (Previn)

Vaughan Williams: Sinfonien 1-9 (Previn)

John Rutter: Classical Tranquillity

John Rutter: Classical Tranquillity

Cinemusic.de