Bambi

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
26. März 2005
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

Das Score-Album zu Bambi

Die hier vorgestellte Musik-CD erschien in den USA im Jahr 1996, ging der oben erwähnten US-LD-Veröffentlichung kurz voraus. Hierzulande ist die CD bislang nicht veröffentlicht worden. Wie häufiger bei derartigen Score-Veröffentlichungen aus dem Hause Disney, ist das Album nicht voll befriedigend ausgefallen. Zwar darf die Tonqualität in Anbetracht des Alters der Musikeinspielungen (Januar 1942) als sehr gut bezeichnet werden, so erstaunlich frisch, klar und auch recht transparent ist der Klang. Zwar bekommt man hier auch einen zweifellos großen Querschnitt der Musik geboten, aber warum hat man nicht (wie im Falle von Schneewittchen) die noch fehlenden rund 15 Minuten Score mit untergebracht? Am fehlenden Platz wäre dies nicht gescheitert. Dass Disney beim Veröffentlichen seiner musikalischen Archiv-Schätze (ebenfalls) sehr zurückhaltend ist, dürfte kaum jemand unbekannt sein. Allerdings erinnern sich bei den Disney-Scores die allermeisten der nicht nur kleinen Fans eben in erster Linie an die eingängigen Songs und weniger an die oftmals mindestens ebenso versiert ausgeführte orchestrale Vertonung. Insofern ist die vorliegende CD immerhin ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Ein weiteres Wehrmutströpfchen betrifft hauptsächlich den, der möglichst detailliert über die Entstehung der Musik informiert werden möchte. Hier vergaßen die Macher bei Disney wieder einmal die beteiligten Mitglieder der Musikabteilung und die Art und Weise der erfolgten Arbeitsteilung korrekt aufzuführen. Eingehendere Infos zur Entstehung der Musik fehlen ebenfalls völlig. Allein den Songs wird (s. o.) Aufmerksamkeit gewidmet.

1500Bereits die Album-Credits sind zumindest unscharf: „Composed by Frank Churchill, Larry Morey and Ed Plumb“. Wer im „Making of“ auf DVD-2 das recht nette — aber auch unzulängliche — Segment zur Musik betrachtet, kommt puzzelnd der Wahrheit immerhin schon etwas näher: erfährt, das Morey nur für die Songtexte verantwortlich zeichnete und Frank Churchill allein die Songs auskomponiert hat. Der Rollen-Titel des Films nennt dann immerhin noch Paul Smith als Orchestrator.

In einem Aufsatz von Ross Cares (herausgegeben vom The Library of Congress, Washington 1984) finden sich zur Vertonung von Bambi weitere, wertvolle Details. Hier erfährt man die kaum bekannte Tatsache, dass Frank Churchill neben den Songs auch eine vollständige eigene Musik komponiert hat. Walt Disney lehnte höchstpersönlich ab. Er beauftragte Ed Plumb und stattete ihn dazu mit einigen Vorgaben aus, wie die in den Raum gestellte Frage, in wieweit eine Strawinskys „Frühlingsopfer“ angenäherte Musik zum Kampf von Bambi mit einem (Hirsch-)Rivalen passen würde — damit dürfte Disney wohl auch für die Strawinsky’haften Passagen in Pinocchio verantwortlich sein.

Frank Churchill und der Texter Larry Morey haben die Songs erarbeitet, die (im Wesentlichen) Ed Plumb gekonnt in eine reizvoll ausgestaltete orchestrale Filmmusik eingearbeitet hat. Aus Zeitgründen wurden einzelne Cues aber noch von Kollegen beigesteuert — zur weit verbreiteten Teamarbeit in den Music Departments des Golden Age siehe auch How to Marry a Millionaire. So müssten streng genommen als Co-Komponisten auch (der für die Orchestration verantwortliche) Paul Smith, Charles Walcott und der Dirigent der Aufnahmesitzungen, Alexander Steinert, genannt werden.

Zweifellos geht der Hauptanteil der erstklassigen Wirkung der Musik auf die Leistung von Plumb zurück. An Ravels „Daphnis und Cloe“ und „La Valse“ gemahnende impressionistisch gefärbte Sounds für Chor und Orchester untermalen perfekt die Herbstmontage (s. o.) und auch dem Pfeifen des winterlichen Windes und den (so überzeugend echt) wirbelnden Schneeflocken verleiht seine Musik eine geradezu perfekte Aura. Auch Plumbs äußerst versiert gestaltender Umgang mit dem zweifellos simplen, nur aus Drei-Noten bestehenden „Menschen“-Motiv ist erwähnenswert. Spätestens sein Einsatz in der Sterbeszene von Bambis Mutter ist derart eindringlich, dass die für die Handlungen des Menschen stehende Tonfolge anschließend im Bewusstsein des Zuschauers fest verankert ist: diese beim Erklingen sofort drohendes Unheil assoziiert.

Die Musik zu Bambi zählt zusammen mit der zu Pinocchio wohl zum Stärksten was bei Disney für Zeichentrickfilme komponiert worden ist. Wer jetzt auch das Album am liebsten gleich noch mitkaufen möchte, der muss dies etwas aufwändiger über Import erledigen.

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zu Ostern 2005.

© aller Logos und Abbildungen bei DISNEY PICTURES.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Diverse

Erschienen:
1996
Gesamtspielzeit:
53:10 Minuten
Sampler:
Walt Disney Records

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