The Best Years of Our Lives

Geschrieben von:
Marko Ikonić
Veröffentlicht am:
9. April 2004
Abgelegt unter:
CD

Score

(6/6)

The Best Years of Our Lives (1946)

Der nachhaltig erfolgreichste Film, den Hugo Friedhofer als Komponist betreute, ist wohl William Wylers Kriegsheimkehrer-Drama The Best Years of Our Lives • Die besten Jahre unseres Lebens aus dem Jahr 1946. Er erzählt die Geschichte(n) von Al Stephenson, Fred Derry und Homer Parrish, drei Bewohnern der Stadt Boone City, die nach der traumatischen Kriegserfahrung zu Hause mit privaten und beruflichen Problemen zu kämpfen haben.

Familienvater Al (als Vertreter der Infanterie; verkörpert von Fredric March) bekommt zwar seine einträgliche Stelle als Bankier sofort wieder, ja wird sogar befördert; jedoch gerät er bald in einen Zwiespalt der Werte: das kapitalistische Berufsethos widert ihn zusehends an, weil es ihn — nicht anders als der Krieg! — dazu zwingt, über menschliche Einzelschicksale unbarmherzig hinwegzugehen. Er wird immer unzufriedener mit sich selbst und sucht seine Sorgen in Alkohol zu ertränken. Wenigstens seine Frau und die mittlerweile erwachsen gewordenen Kinder geben ihm den nötigen Halt. Der Air-Force-Captain Fred (Dana Andrews) muss feststellen, dass Tapferkeitsorden am Arbeitsmarkt bedeutungslos sind. Ohne solide Ausbildung muss er wieder als Aushilfskraft im selben alten Drugstore anfangen, wo er vor dem Krieg aufgehört hatte. Der ehemalige Laufbursche des Geschäfts, ein stumpfsinniger Ja-Sager, ist nun sein Vorgesetzter. Außerdem muss er sich Versager-Vorwürfe von seiner Frau Marie (Virginia Mayo) gefallen lassen, einer oberflächlichen, einzig nach Geld und Party gierenden Pin-Up-Blondine, die er nur wenige Tage vor seiner Einberufung überstürzt geheiratet hatte. Der junge Navy-Soldat Homer (Harold Russell) schließlich hat nicht nur seelische Verwundungen davongetragen. Bei einer Explosion unter Deck hat er beide Unterarme verloren und fürchtet nun nichts mehr, als von seiner Familie bemitleidet oder als Last empfunden zu werden. Auch seiner Verlobten Wilma gegenüber, die ihn aufrichtig liebt, verschließt er sich.

Die drei Männer, die sich auf dem Heimflug kennen lernen, verbindet also ein ähnliches Schicksal. Sie empfinden, im Krieg die besten Jahre ihres Lebens (siehe Filmtitel) gelassen zu haben. Diese Erfahrung wirkt wie ein Band, das die drei Existenzen — vorerst nur aus der Distanz — zusammenhält. Als sich zwischen Als Tochter Peggy (Teresa Wright) und Fred eine Romanze anbahnt, nimmt die zuerst nur ideell (in der gemeinsamen Vergangenheit) bestehende Verschränkung der Lebensgeschichten konkrete Gestalt an. Bei aller Sympathie für Fred zeigt sich Al jedoch nicht begeistert von dieser Beziehung. Ein arbeitsloser Draufgänger ohne Zukunftsaussichten entspricht nicht seinen Vorstellungen vom perfekten Schwiegersohn. Fred sieht das ein und beschließt, Boone City zu verlassen. Unterdessen kommt es zu einem klärenden Gespräch zwischen Homer und seiner Verlobten Wilma. Sie kann ihm begreiflich machen, dass sie ihn ehrlich liebt und nicht etwa aus Mitleid heiraten will, um eine Art Pflegerin für ihn zu werden. Zum nächsten Treffen der drei Veteranen kommt es dementsprechend bei Homers Hochzeit. Die Stephensons sind als Gäste anwesend, Fred ist Trauzeuge. Seit er Peggy das letzte Mal gesehen hat, hat er seine Frau in die Wüste geschickt und Arbeit auf einem Fliegerschrottplatz gefunden. Unter so veränderten Vorzeichen erhält ihre Liebe eine zweite Chance …

Für The Best Years of Our Lives versammelte Produzent Samuel Goldwyn neben den hervorragenden Darstellern auch hinter der Kamera ein erstklassiges Team. Für das Drehbuch zeichnete Robert Sherwood, der mehrfach mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete US-Dramatiker und gelegentliche Verfasser von Filmskripts (z. B. für Alfred Hitchcocks [url id=1858]Rebecca[/url] von 1940), verantwortlich. (Friedhofers Debüt als Komponist, The Adventures of Marco Polo (1937), stammt ebenfalls aus der Feder Sherwoods.) Er verstand es, aus der unhandlichen Vorlage, einem speziell für Goldwyn geschriebenen, enorm umfangreichen Versepos von McKinlay Kantor, ein intelligentes, oft doppelbödig-ironisches Skript zu erarbeiten. Die kunstvolle Schwarz-Weiß-Photographie stammt von Gregg Toland, der bereits zuvor bei Citizen Kane (1941) kameraästhetische Maßstäbe gesetzt hatte.

Regisseur William Wyler (bekannt für Ben-Hur, The Big Country), der selbst Oberstleutnant bei der Air Force war, entschied sich zudem für einen ungewöhnlichen quasi-dokumentarischen Zugang. So wurden für viele der kleineren Aufgaben bei der Produktion Kriegsveteranen eingestellt. Auf dem Bildschirm äußert sich dieser Realitätsanspruch auf verschiedene Weise: Die Schauspieler tragen fast kein Make-Up; schnelle, künstlich wirkende Schnittfolgen werden vermieden zu Gunsten von langen Einstellungen, die die Dramatik aus der Interaktion der Schauspieler erwachsen lassen; Den entscheidensten Schritt in Richtung Authentizität stellt jedoch sicherlich die Besetzung der Rolle des Homer Parrish mit Harold Russell dar. Dieser war im Krieg tatsächlich Opfer eines Sprengstoffunfalls geworden und hatte lernen müssen, mit Hakenprothesen an Stelle seiner Hände zu leben. Auch Russell kämpfte stets dafür, wie ein „normaler“ Mensch behandelt zu werden — die Figur des Homer wurde ihm also sozusagen auf den Leib geschrieben. Seine für einen Anfänger geradezu exzellente schauspielerische Leistung wurde mit 2 Oscars belohnt (bester Nebendarsteller sowie ein „For bringing hope and courage to his fellow veterans“ überschriebener Sonderpreis).

Es ist schon erstaunlich, wie differenziert und unprätentiös ein so kurz nach Kriegsende entstandener Film mit seinem Thema umzugehen versteht. Kein Heldenpathos, kein Hurrapatriotismus trüben diese Geschichte, keine Siegerparolen über in die Knie gezwungene „Krauts“ oder „Japs“. Es gibt daran nichts, worüber man aus heutiger Sicht wohlwollend hinwegsehen, was man als Kind seiner Zeit entschuldigen müsste. Mit The Best Years of Our Lives ist den Beteiligten somit eines jener seltenen Filmkunstwerke geglückt, das sich jeglicher Patina verweigert und so lange hochaktuell bleiben und den Zuschauer berühren wird, so lange es auf dieser Welt Kriege gibt. Im Bewusstsein, mit dem Film etwas Außergewöhnliches zu schaffen, strebte Wyler auch im musikalischen Bereich nach einer nicht alltäglichen Lösung. Nur ja kein „typischer Hollywood-Score“ sollte es sein — womit wohl etwas (zu) pauschal die verschwenderische, der europäischen Spätromantik verpflichtete Orchestermusik des „Golden Age“ gemeint war. Stattdessen schwebte den Produzenten Musik im noch recht jungen Americana-Idiom vor. Dessen volksliedhaft einfache Melodik und (in Harmonik, Rhythmik und Orchestrierung) ungekünstelt klare Tonsprache war u. a. von Komponisten wie Virgil Thomson (1896-1989) und insbesondere Aaron Copland (1900-1990) mitgeprägt worden. Der bereits filmerfahrene Copland wurde denn auch einige Zeit als möglicher Komponist gehandelt, über Vermittlung von Alfred Newman ging der Auftrag aber schließlich an Hugo Friedhofer. Schon gute 10 Jahre zuvor hatte Newman für den guten Freund seine Beziehungen spielen lassen und ihm so den genannten Marco Polo, ebenfalls einen Goldwyn-Film, zugeschanzt (siehe hierzu Teil 1 meines Specials).

Gleich vorneweg: Friedhofers The Best Years of Our Lives gehört nicht allein zu den besten Americana-beeinflussten und insgesamt besten Scores des „Golden Age“; Hinter der jeden sofort in ihren Bann schlagenden Fassade der leichten Fasslichkeit steht ein so hohes Maß an komplexer thematischer Variationsarbeit und dramatischer Ausgestaltung, dass von einer der wohl besten symphonischen Filmmusiken überhaupt gesprochen werden muss.

Derartige Lobeshymnen wollen stichhaltig begründet sein. Ich möchte daher im Folgenden versuchen, ausgehend von eigenen (Hör-)Beobachtungen die beträchtlichen Qualitäten des Scores nachvollziehbar zu machen. Auf sämtliche Feinheiten, etwa auf restlos alle Bezüge zwischen den zahlreichen wiederkehrenden Themen der Partitur (und auf ihre Bedeutung an der jeweiligen Stelle im Score) hinzuweisen, würde hier viel zu weit führen. Man erreicht im Rahmen einer tiefgreifenden Analyse schnell einen Punkt, an dem die sinnvolle Hilfestellung in eine Last für den Leser umschlägt. Eine verbale Beschreibung kann und soll nie den unmittelbaren Höreindruck ersetzen. Dennoch möchte ich recht weit ausholen und auch Dinge ansprechen, die — zumal ohne Vorkenntnis der Musik — mitunter ein wenig nach grauer Theorie klingen werden. Ich hoffe aber, damit jene Lesergruppe nicht abzuschrecken, an die sich meine Special-Reihe vor allem richtet. Wer als Friedhofer-Unbedarfter in erster Linie eine behutsame Einführung erwartet, mag sich hier unter Umständen ein bisschen überfordert fühlen. In diesem Fall kann ich nur dazu raten, sich die Musik zuzulegen und das hier Geschriebene selbst nachzuprüfen. Es dürfte sich lohnen.

Wie bereits erwähnt handelt es sich bei The Best Years of Our Lives um durchwegs sehr eingängige Musik, die sich dem Hörer schon nach wenigen Hördurchgängen erschließt. Die Grundhaltung ist warm-nostalgisch und optimistisch, Streicher und weiches Blech (besonders die ungedämpften Hörner) stehen im Vordergrund und auch die Holzbläser haben manch delikaten Auftritt. Friedhofer-typisch ist der Klangkörper ein normal besetztes Symphonieorchester, dem insbesondere abseits des sehr gewählt eingesetzten Tutti viele charaktervolle, oft kammermusikartig durchhörbare Timbres entlockt werden. Dass der Komponist ein Meister der Orchestration war, dürfte ja mitterweile hinlänglich bekannt sein. Die Eigenaussagen zufolge eigentlich kopierfertige Partitur-Skizze dieses Scores vertraute er dennoch einigen der besten Hollywood-Orchestratoren an, darunter Edward B. Powell, Leo Shuken und Jerome Moross. Letzterer zählt als Schöpfer mehrerer Filmmusiken (z. B. für Wylers The Big Country von 1958 oder die 1960er Twain-Verfilmung The Adventures of Huckleberry Finn) und vor allem Werken für den Konzertsaal bekanntlich selbst zu den Vertretern der Americana-Gattung.

Hie und da lassen sich direkte Einflüsse von Aaron Copland aufspüren. So beispielsweise bei Wilmas Thema, das in seiner Faktur ein wenig an eines aus Coplands Ballettmusik „Billy the Kid“ (1938) erinnert. In der zweiten, idyllisch ruhigen Hälfte von „The Nightmare“ (Track 5 auf der besprochenen CD) sind von der Flöte stetige Wiederholungen eines Hauptmotivs zu hören, während darunter in Violen und Celli langsam einfache auf- und absteigende Harmoniefolgen voranschreiten — eine bezaubernd bukolische Stelle, die sich auch im nur wenige Jahre zuvor komponierten „Appalachian Spring“ (1944) sehr gut machen würde. Davon abgesehen wäre es übertrieben, bei dieser Musik von reiner „Copland-Americana“ zu sprechen. Friedhofer schätzte seinen um ein Jahr älteren Zeitgenossen sehr und hat durchaus — nicht nur für diesen einen Score, sondern allgemein — einige seiner vorteilhaften Stilcharakteristika verinnerlicht und für sich nutzbar gemacht. Und besonders hier, wo es vom Regisseur ausdrücklich gewünscht und Copland ja sogar in der engeren Komponisten-Auswahl war, macht die Nähe Sinn. Trotzdem bewahrt sich Friedhofers Tonsprache markant eigenständige Züge, sodass man in Teilen von einer Art „Friedhofer-Americana“ sprechen könnte. Ohne musikwissenschaftliche Ausbildung und Terminologie fällt es schwer, diese genau zu definieren. Gleichwohl scheint ein zentrales Stilmerkmal dieses Klangschöpfers, das sich nicht auf seine spezifisch amerikanischen Kompositionen beschränkt, im Bereich der Harmonik zu liegen. In seiner Art, Melodielinien durch hoch bewegliche Begleitakkorde und Modulation gewissermaßen „harmonisierend auszuleuchten“. Wer einmal weiß, was damit gemeint ist, wird dies immer wieder in verschiedensten seiner Scores beobachten können.

Aber selbstverständlich war Friedhofer auch einer, der die spätromantische Tradition hochhielt, wo immer es ihm passend erschien. Moderne Impulse von Copland oder auch Paul Hindemith, der Klangzauber der französischen Impressionisten und ausgeprägt Tonmalerisches bis hin zum Mickey-Mousing schlossen sich für ihn keineswegs gegenseitig aus. Vielmehr beherrschte er die gesamte Bandbreite und war so in der Lage, jedem Film genau das zu geben, was er brauchte.

Einem weiteren Aspekt der Best-Years-Partitur möchte ich an dieser Stelle breiteren Raum widmen: der besonders vielseitig ausgeprägten Themenverarbeitung. Der Score umfasst ein gutes Dutzend an prägnanten Motiven und Themen, die — nicht unüblich für Friedhofer — zum Großteil eng miteinander verwandt und aus Teilen der jeweils anderen Themen entwickelt sind. Der „Main Title“ macht den Hörer in Form einer eineinhalbminütigen Ouvertüre mit drei sehr wichtigen thematischen Gedanken vertraut: Mit dem lyrisch-sanglichen, optimistisch gestimmten Hauptthema, das über ein bedeutsam und schicksalhaft harmonisiertes Seitenthema (das oft als Überleitung fungierende, so genannte Choralthema) in ein weiteres mündet, dessen Erkennungsmerkmal das aufsteigende Oktav-Intervall ist.

Dieses grundsätzlich positiv belegte „Oktaventhema“ darf als „heimlicher Star“ der Partitur gelten. Selber schon aus dem zweiten Takt des Hauptthemas ausgekoppelt, gibt es kaum Cues im Score, wo es nicht entweder dominant oder im Hintergrund (z. B. als Kontrapunkt oder Bestandteil eines anderen Themas) am Wirken ist. Die im mittleren Westen gelegene Heimatstadt Boone City wird durch ein eigenes Thema repräsentiert, das mit seinen großen aufsteigenden Intervallen einerseits das geschäftige Treiben in der Stadt, andererseits die Gefühle der Aufregung und Vorfreude auf das Zuhause reflektiert. Die großen Intervall-Sprünge (jeweils gefolgt von einer Terz) rücken es strukturell in die Nähe des Oktaventhemas, und bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass etwa in der Mitte auch noch eine Folge von vier Noten (mit veränderten Werten) aus dem Choralthema eingearbeitet ist. Darin erschöpfen sich die Querverweise aber noch nicht: In den beiden Schlusstakten hat der Komponist nämlich die Keimzelle für ein weiteres Thema „versteckt“. Das Teilstück ist zwar einmal mehr durch Notenwert-Änderungen gut getarnt, gibt sich aber dennoch als Anfang des so genannten „Neighborhood“-Themas zu erkennen. Diese geruhsame, beschaulich bis leicht melancholisch klingende Tonfolge mit unverkennbarem Americana-Einschlag ist dem Umfeld Homers zugeordnet. Stimmig bringt sie zum Ausdruck, was es für den zum Invaliden Gewordenen bedeutet, in die vertraute Kleinstadt-Umgebung, in den Schoß der Familie zurückzukehren. In der Nostalgie, der klingenden Erinnerung an die „guten alten Zeiten“, schwingt ein trauriger Unterton mit, die Erkenntnis, dass es jetzt nie mehr so sein kann wie früher.

Welche Wiederbegegnung sollte Homer in diesem Zusammenhang mehr fürchten als die mit seiner Verlobten Wilma? Friedhofer trägt diesem Umstand musikalisch Rechnung, indem er seine lang gezogene, liebliche Melodie für Wilma in Teilen vorsichtig am Neighborhood-Thema orientiert. Zwischen den Abschnitten des dreiteiligen Wilma-Themas erklingt zudem oft das Oktaventhema als Kontrapunkt. Dies erscheint besonders raffiniert, wenn man weiß, dass sich selbiges im Verlauf des Films immer mehr als zu Homer gehörig herausstellt. Auf diese Weise wird die Beziehung von Homer und Wilma nicht nur in der Musik reflektiert, nein, der Komponist untermauert von Beginn an die Zusammengehörigkeit (und damit indirekt das Happy End mit Hochzeit) der beiden, während für den Zuschauer noch ungewiss ist, ob Homers selbstverordnete Abkapselung nicht eventuell doch alles zunichte macht.

Außerhalb dieses Kreises an eng verwandten Themen verfügt die Partitur noch über zusätzliche Grundbausteine, die hier kurz erwähnt werden sollen: ein stark synkopiertes, übermütig-lebhaftes Motiv, das ich aufgrund seines ersten Erscheinens im gleichnamigen Cue „Homecoming“-Motiv nenne — es kann in verschiedensten Abwandlungen (z. B. rückwärts gespielt) vorkommen und ist in der invertierten Form auch gut verborgener Bestandteil des Neighborhood-Themas; ein Thema für Homers kleine Schwester Louella, das auf einer unter Kindern beliebten Spottreim-Melodie basiert; eine besonders rührselig-innige, in Manchem gar nach „altmodischem Hollywood“ klingende Streicherepisode — stets von Teilen des Oktaventhemas umspielt — für Al und seine Frau Millie, deren ja tatsächlich „alte Liebe“ zusätzlich durch Anspielungen auf einen Schlager aus ihrer Jugend („Among My Souvenirs“ von Horatio Nicholls und Edgar Leslie) charakterisiert wird; ein vom Saxophon vorgetragenes, bluesig-jazziges Liebesthema à la George Gershwin für Peggy und Fred; und ein chromatisch absteigendes Fünf-Noten-Motiv, das die beiden Szenen beherrscht, in denen Fred von schrecklichen Erinnerungen an einen Luftkampf gequält wird.

Letzteres lässt sich im Übrigen durch Umkehrung auf eine tragische Moll-Abart des Hauptthemas zurückführen, die der Komponist in der Tat (auch) mit Fred in Verbindung bringt. Überhaupt wird das Hauptthema des Öfteren auf Fred bezogen, wie am Beispiel von „The Citation“ (erste Hälfte von Track 9) zu sehen ist. Hier wird es voll ausgespielt, als Freds Vater dessen Urkunde für besondere Tapferkeit vorliest, die er unerwartet unter den Habseligkeiten des Sohnes gefunden hat. Womit wir bei einem weiteren wichtigen Punkt angelangt wären: Ein derart imposantes Themen-Kontingent ist für einen erfahrenen Tonschöpfer relativ einfach zu erstellen. Was er in der Folge aus diesem Grundmaterial macht, darauf kommt es an.

Über die Bedeutung der Themenverarbeitung für die Filmmusik äußerte sich Friedhofer so: „Für das Publikum kommt es nicht darauf an, die Technik zu verstehen, wie ihm Musik nahe geht, sondern dass diese ihm nahe geht. Filmmusik wird — könnte man sagen — mit den Poren aufgenommen. Doch der Zuhörer sollte, wenn auch unbewusst, die Kontinuität, die gewisse Verbindung, die durch den Film gelegt ist, ahnen. In meiner Studentenzeit bin ich auf die Variationstechnik angesetzt worden und ihr treu geblieben, weil sie der Komposition eine bestimmte Verankerung und Dauer verleiht, statt bloß eine Aneinanderreihung verhackstückter kürzerer Elemente zu sein. […] Eine Filmkomposition muss einen Bezug darstellen, muss integrieren.“

Wem nach einer repräsentativen Kostprobe von Friedhofers meisterlicher musikdramatischer Themenverarbeitung ist, der sollte sich vor allem mit „The Homecoming“ (Track 2) beschäftigen. Die dazugehörige Szenenfolge zeigt, wie die drei Männer zuerst beim Landeanflug durch das Flugzeugfenster und dann aus der Nähe, im Vorbeifahren im Taxi, das erste Wiedersehen mit der alten Heimat Boone City erleben — mit durchaus gemischten Gefühlen. Sie können sich des Eindrucks nicht erwehren, hier nun fremder zu sein als auf dem zurückgelassenen Schlachtfeld. Als erster kommt denn auch Homer zu Hause an, bei dem sich diese Problematik besonders gut darstellen lässt, da es auch äußerlich sichtbare Gründe dafür gibt. Was die Musik angeht, werden in diesen etwas mehr als 6 Minuten das quicklebendige Homecoming-Motiv, die Boone-City-, Neighborhood- und Wilma-Themen eingeführt und zusammen mit Haupt- und Oktaventhema nach allen Regeln der Kunst auf die Bildschirmereignisse abgestimmt kombiniert, kontrastiert und variiert. Das Ergebnis wirkt trotz der Themenvielfalt absolut geschlossen, fast könnte man von einer (kleinen) Komposition in der Komposition sprechen, die die emotionale Erfahrung der Rückkehr auch ohne Bilder lebhaft vor Augen und Ohren führt. „The Homecoming“ ist somit im Kleinen ein perfekt ausgeführtes Beispiel dafür, wovon der Tonschöpfer generell überzeugt ist, nämlich „dass die ideale Filmmusik ihre Eigenständigkeit beibehält und es gleichzeitig schafft, mit allen übrigen Elementen des Films zu koalieren.“

In der Hand eines Könners wie Friedhofer erweisen sich die Themen als stimmungsmäßig und musikalisch enorm variabel. Sie können in einem Moment positive Energie versprühen und im nächsten für eine traurige Entwicklung stehen. Eine Wendung ins Lasziv-Erotische vollführt beispielsweise der markante Hauptteil des Boone-City-Themas, wenn er, wiederholt vom Saxophon intoniert, sozusagen als leicht beschwipstes „Warm-Up“ für das eigentliche Liebesthema fungiert (in Track 4, „Fred and Peggy“, wobei Fred in der Tat betrunken ist). Mit Fred Derry und seiner Air-Force-Vergangenheit in Verbindung gebracht (siehe oben), nimmt das Hauptthema erhaben hymnisches Gepräge an und offenbart militärische Züge, die vorher nicht sichtbar waren. Dass des Weiteren mit verkürzten, invertierten, rhythmisch umgestalteten oder anderweitig modifizierten Varianten von Themen gearbeitet wird, versteht sich von selbst. Kurzum: The Best Years of Our Lives hat alles, was vielseitigen Umgang mit Themenmaterial ausmacht, im Überfluss zu bieten. Der Komponist behauptete einmal in einem Interview, dass er sehr stolz sei, in seinem Leben kein einziges „mitsummbares“ Thema komponiert zu haben. Die Grenze zwischen augenzwinkernder Tiefstapelei und ernsthafter Selbstunterschätzung ist bei Hugo Friedhofer fließend. Welchem der beiden Bereiche man die Aussage nun auch zuschreiben mag, alleine schon dieser eine Score macht deutlich, dass sie jeglicher Grundlage entbehrt.

Zwei Sequenzen im Film veranschaulichen in besonderem Maße, was kluger Filmmusik-Einsatz leisten kann. Es geht um die bereits angesprochenen schrecklichen Alb- bzw. Tagträume von Fred. Der ehemalige Air-Force-Offizier durchlebt in Gedanken immer wieder ein schreckliches Luftgefecht, bei dem sein Kopilot ums Leben gekommen ist. Das Ungewöhnliche an der filmischen Umsetzung: Man sieht die Ereignisse nicht, sie werden beinahe allein durch Friedhofers packende Vertonung lebendig. In der ersten Traumsequenz, „The Nightmare“, verdeutlichen noch verzweifelte Ausrufe des Schlafenden, worum es geht. Bei „Graveyard and Bombers“ (Track 9) heißt es dann aber endgültig: „Bühne frei für Hugo Friedhofer!“. Nach dem Aus mit Peggy zieht Fred ziellos umher, bis er an einem riesigen Lagerplatz mit hunderten ausgemusterten Kriegsflugzeugen vorbeikommt, der schon beim Landeanflug auf Boone City zu Beginn des Filmes kurz zu sehen war. Auch „sein“ Fliegermodell, in dem er den Großteil der letzten Jahre zugebracht hat, ist unter den Wracks. Um der alten Zeiten willen beschließt er, eines der Flugzeuge noch einmal von innen anzusehen. Im Cockpit überwältigen ihn erneut die Erinnerungen an jenen furchtbaren Vorfall. Wie bereits im „Nightmare“-Cue — jedoch hier noch kompromissloser und brutaler — beschwört der Komponist tonmalerisch die Kampfhandlungen herauf. Das Brummen der tiefen Streicher und Bläser (Blech und Holz) erzeugt zusammen mit eindrucksvollen Kameraeinstellungen der abgewrackten Flotte den Eindruck, als würden nach und nach die Maschinen angeworfen. Das bedrohliche, aber anfangs noch gleichmäßige Bassfundament gerät in hellen Aufruhr, knurrend bricht das Blech aus, ins Martialische umgeformte Fragmente von Haupt- und Choralthema klingen an. Die hohen Streicher treten mit einem lang gehaltenen Ton hinzu, der in Wiederholungen des absteigenden Fünf-Noten-Motivs mündet. Rauchig-harsche Posaunen intonieren parallel aufsteigende Gegenmotive. Trompeten und Posaunen feuern in schmetterndem Staccato dissonante MG-Salven ab. Die Musik verklingt ruhig mit einem Teil des Hauptthemas von der Solotrompete, als Fred von einem Platz-Bediensteten auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird.

Völlig zu Recht wurde Friedhofers Musik zu The Best Years of Our Lives mit einem von 8 Academy Awards prämiert, die der Film 1947 erhielt. Der Musik erregte damals nicht nur in Filmkritikerkreisen beträchtliche Aufmerksamkeit. Selbst als Filmmusik-Hasser bekannte Journalisten erkannten seinen Wert. Im renommierten „seriösen“ Musikmagazin „Musical Quarterly“ erschien sogar eine detaillierte Analyse der Partitur. Ein pikantes Detail am Rande: Es ist kein Geheimnis, dass Wyler sich von der Musik anfangs wenig begeistert zeigte. Sie erschien ihm zeitweise gar völlig unpassend für seinen Film. Nach den euphorischen Rezensionen und besonders nach Friedhofers Oscar-Sieg soll sich jedoch seine Einstellung dazu auf wundersame Weise gründlich geändert haben …

Die vorliegende Neueinspielung für John Steven Lashers Label „Entr’Acte Records“ entstand 1978 in London und wurde im darauffolgenden Jahr anlässlich des 50. Berufsjubiläums von Friedhofer (als Komponist) auf LP veröffentlicht. Sämtliche Original-Notenmaterialien waren verloren gegangen, sodass Friedhofer die Partitur mühsam rekonstruieren musste. Die Arbeit daran nahm er schon 1972 in Angriff. Nach gut 25 ereignisreichen Jahren seit der Komposition fiel es ihm jedoch sehr schwer, sich zu motivieren. (Die Unlust ging sogar so weit, dass er den Score zeitweise als „langweilig, weil monothematisch“ abtat. An dieser Formulierung ist vor allem der Bezug auf das Monothematische interessant, der zeigt, dass die weiter oben angeführten reichhaltigen Verknüpfungen zwischen den Themen keinesfalls nur Hirngespinste des Interpreten sind.) Die Aufnahmen der Originaleinspielung hatten die Zeit ebenfalls nicht überstanden. Dass ihm als Vergleichsbasis nicht einmal ein kommerzieller Tonträger zur Verfügung stand — verwunderlicherweise kam die preisgekrönte Musik zuvor nie auf Platte heraus —, erleichterte das Unterfangen ebenso wenig. Der als Dirigent verschiedener Filmmusik-Nachspielungen bekannte Australier Tony Bremner griff dem alternden Meister schließlich unter die Arme. (Über das genaue Ausmaß der von Bremner geleisteten Rekonstruktions-Arbeit geben leider weder das CD-Booklet noch der vorzügliche Interview- und Biographie-Band „Hugo Friedhofer: The Best Years of His Life“ (herausgegeben von Linda Danly) definitiv Auskunft. Ob der Australier „nur“ von Friedhofer neu angefertigte Skizzen orchestriert oder ganze Teile der Musik im Alleingang – ohne vorherige Beteiligung des Komponisten – rekonstruiert hat, bleibt daher im Dunkeln. Die Angaben hierzu in den verschiedenen Quellen sind in jedem Falle höchst widersprüchlich.)

Ursprünglich sollte Emil Newman, Bruder von Alfred und Lionel und Dirigent des 1946er Originals, die Aufnahme leiten. Als er jedoch aus Krankheitsgründen absagen musste, sprang kurzfristig der aus Buffalo im US-Bundesstaat New York stammende Franco (bzw. Frank) Collura für ihn ein. Dieser führt das London Philharmonic Orchestra souverän durch eine sehr gute, einfühlsame und kraftvolle Darbietung, die sich durchaus mit dem Original messen kann. Auch Friedhofer selbst soll sehr angetan gewesen sein. Zu seinen Ehren wurde, ebenfalls im Rahmen der LP-Veröffentlichung 1979, übrigens ein enthusiastisch aufgenommenes Live-Konzert der rekonstruierten Musik veranstaltet, dem viele seiner Komponisten-Kollegen beiwohnten. Er selbst fühlte sich bei dem Event freilich nicht ganz wohl. Allzu großes Aufhebens um seine Person war ihm zeitlebens suspekt. Er weigerte sich auch beharrlich, aktive Pressearbeit zu leisten, sich Medien und Publikum gegenüber zu vermarkten. Hier ist er also, ein weiterer, wenn auch sicherlich nur kleiner Mosaikstein für die bedauerliche Vernachlässigung, die diesem Komponisten bisher von der breiten Hörerschaft zuteil geworden ist. (Bereits im einführenden ersten Teil meiner Special-Reihe habe ich versucht, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen.)

Auf der CD/LP sind rund 47 von insgesamt geschätzten 65 Minuten Score vertreten. Sie enthält damit (nicht nur rein rechnerisch) das essentielle Material der offensichtlich sehr ökonomisch bemessenen Partitur. Von den stattlichen drei Stunden Film-Laufzeit ist nur etwas mehr als eine mit Originalmusik untermalt. Dies ist zwar sicher zum Teil dem diskutierten Dokumentar-Anspruch des Films zuzuschreiben, widerspricht aber nichtsdestotrotz neuerlich dem hartnäckigen Klischee der Nonstop-Musikuntermalung im „Golden Age“.

Wenn es an der Entr’Acte/Label-X-Aufnahme etwas auszusetzen gibt, so betrifft es die Klangqualität. Obwohl das aktuelle Re-Issue aus dem Jahr 2000 im Vergleich zur LP- und ersten CD-Auflage neu remastert wurde, präsentiert sich das Klangbild oft etwas belegt und verrauscht und lässt generell Einiges zu wünschen übrig. In den letzten 4 Jahren dürfte es kaum Quantensprünge in den Aufbereitungsmöglichkeiten älterer Aufnahmen gegeben haben, weshalb die Tonprobleme wahrscheinlich schon in der Quelle begründet liegen. Bei Musik von solcher Qualität ist man eher geneigt, darüber hinwegzusehen. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Der Klang ist keinesfalls schlecht, aber für eine professionelle Studioaufnahme dieses Datums eben doch „nur“ als befriedigend bis maximal gut zu bezeichnen.

Wesentlich besser sieht es vom editorischen Standpunkt aus. Man mag es kaum glauben, aber hinter dem äußerst schlicht gestalteten Cover verbergen sich 12 (beinahe zu) eng bedruckte Textseiten und immerhin eine Foto-Doppelseite. Kernstück ist eine erstklassige Film- und Musikeinführung mit angehängter Einzeltrack-Analyse von Royal S. Brown. Friedhofers langjähriger Freund, der Filmmusikjournalist Page Cook (d. i. Charles Boyer) steuerte einen allgemeineren biographischen Text mit Schwerpunkt auf Best Years bei und auch CD-Produzent Lasher ist mit einer kurzen Notiz zur Entstehung der Aufnahme und der vorliegenden remasterten Fassung vertreten.

Im Grunde kann man also mit dieser liebevoll produzierten Version der Musik zufrieden sein. Dennoch: Der auch heute noch relativ hohe Bekanntheitsgrad des Films, die Viertelstunde an unveröffentlichem Score und der recht gewöhnungsbedürftige Klang — diese Faktoren scheinen mir The Best Years of Our Lives zum idealen Kandidaten für eine vollständige Marco-Polo-Neueinspielung zu machen. Also, meine Herren Morgan und Stromberg, wie wär’s mit einer definitiven Ausgabe dieses durch und durch amerikanischen Klassikers?

Lesen Sie auch: Ein Gigant im Schatten von Zwergen: Der Filmkomponist Hugo Friedhofer (Teil 1)

Komponist:
Friedhofer, Hugo

Erschienen:
2000
Sampler:
Label X
Zusatzinformationen:
London PO, F. Collura

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