Der Film
Tim Burtons Exkurs ins Genre des Gothic-Horror-Films, Sleepy Hollow, ist schon während seiner Aufführung in den deutschen Kinos auf positive Resonanz gestoßen. Als Vorlage diente eine 1820 erschienene Kurzgeschichte des Amerikaners Washington Irving „Die Sage von der schläfrigen Schlucht“, die erfreulicherweise im Heyne-Film-Taschenbuch enthalten ist. Die primär historisch interessante Story empfindet man heutzutage allerdings nur noch als sanftes und laues Lüftchen des Unheimlichen; echte Schaueratmosphäre oder gar Horror sind für den modernen Leser nicht mehr nachvollziehbar. Der Autor des Drehbuches, Andrew Kevin Walker, hat jedoch aus der klassischen Kurzgeschichte gekonnt eine atmosphärisch dichte gotische Schauerstory versehen mit viel Nebel und modernen Action-Elementen gemacht.
Regisseur Tim Burton hat den plüschigen Film als eine Hommage an die Horror-Filme der fünfziger und sechziger Jahre und zugleich als rasantes Action-Kino gestaltet. Die hervorragende Fotografie von Kameramann Emmanuel Lubezki und auch die sehr gute Filmmusik von Danny Elfman runden die Arbeit eines aufeinander eingespielten Teams exzellent ab. Natürlich ist die Legende vom kopflosen hessischen Reiter nicht logisch, aber dem Film gelingt es weitgehend, dem Zuschauer seine Geschichte als „plausibel“ herüberzubringen – was natürlich nur innerhalb der eigenen Gesetze eines jeden Kinofilms gilt. Danny Elfmans Musik hat großen Anteil an der Wirkung des Gesamtkunstwerkes. Kühnheiten in der Harmonik ruhen auf einer dunkel-romantisch gehaltenen orchestralen Basis, wobei geschickt und vielfältig eingesetzte Chöre und Kirchenorgel der Tonschöpfung zusätzliche Reize verleihen. Ich gehe hier soweit, diesen Film zu einem der seltenen Fälle einer fast vollkommenen „Film-Dreieinigkeit“ (überzeugende Story, entsprechend gelungene Kameraarbeit und sehr gute Filmmusik) zu zählen. Weitere Informationen zu Film, Filmmusik und Buch sind in meinem Artikel vom Februar 2000 enthalten.
Der Film auf DVD
MAWA präsentiert dem Film(-Musik)-Freund Sleepy Hollow als vorzügliche „Platin-Edition“ mit zwei DVDs. Der Film befindet sich auf der ersten DVD in sehr guter Bildqualität: Farben, Kontraste und Details sind sehr differenziert eingefangen. Da wo ganz vereinzelt einmal ein Hauch (nicht mehr) von Griesel sichtbar ist, war dieser auch schon im Kino zu sehen. Ich zweifle nicht daran, dass hier die Technik optimal gearbeitet hat und aus der Film-Vorlage das herausgeholt hat, was herauszuholen war. Fantastisch wirken z.B. die Kutschfahrt nach Sleepy Hollow, die stimmigen Interieurs im Hause der Van Tassels und auch die relativ farbenfreudige erste märchenhafte Traumrückblende (Ichabod mit seiner Mutter). Hier ist wirklich ganze Arbeit geleistet worden, und das Ergebnis dürfte auch kritische Filmfreunde mehr als voll zufrieden stellen.
Ein weiteres Plus ist, dass der Film auf der DVD ungekürzt präsentiert wird. Die „Zensur-Schere“ ist bei der Kinofassung zwar nur behutsam eingesetzt worden: Die in der DVD-Version wiedereingefügten Bildteile dürften insgesamt höchstens einer Minute Lauflänge entsprechen. Es ist aber schon lächerlich, dass der angeblich mündige Bürger zuerst um einige kleinere Effekte betrogen werden musste. An welchen Stellen nun (etwas) „mehr“ zu sehen ist, dürfte ein interessantes Thema für die Chat-Foren sein. Mir sind geringfügige Kürzungen bis jetzt nur in zwei Szenen aufgefallen: zum einen in der mit dem kleinen Jungen, der, bevor die gesamte Familie ein Opfer des kopflosen Hessen wird, die „Laterna Magica“ eindrucksvoll in Funktion setzt, zum anderen, wenn Ichabod mit Anhang den Reiter beim Sprung aus dem Höllenschlund – dem Baum des Todes – beobachtet.
Den deutschen Ton gibts nicht nur in AC-3, 5.1, er steht zusätzlich im neuen dts-6.1-Tonstandard zur Verfügung. Das englische Original kann in solidem AC-3, 5.1 gewählt werden. In Sachen Ton erschienen auf dem internationalen Markt zuerst DVDs in zwei verschiedenen Editionen mit dts- oder AC-3-Ton. Dass es auch kundenfreundlicher geht, beweist MAWA hier einmal mehr und erweist sich durch das Anbieten von dts im fast noch brandneuen 6.1-Format (mit diskretem hinteren Center-Kanal) dazu als sehr innovativ – und dies nicht nur auf dem deutschen Markt. Das im übrigen mit dem etablierten dts 5.1 kompatible dts 6.1 kann ich im Augenblick noch nicht testen. Für die meisten Besitzer eines DVD-Spielers dürften aber zur Zeit eh die Dolby-Ton-Formate wichtiger und dts primär eine interessante Option für die nahe bis mittlere Zukunft sein. Der druckvolle, dynamische Ton kommt auch in AC-3 sehr gut herüber und wirkt sogar als klassischer Dolby-Sourround-Downmix überzeugend. Neben einzelnen atmosphärischen Sourround-Effekten (wie Wolfsheulen, Gewitter) spielt die Musik Danny Elfmans eine tragende Rolle, den Zuschauer in den Bann des Filmes zu ziehen. Nicht mit Musik unterlegt sind nur relativ kurze Passagen; dies ist ein typisches Zeichen für Fantasy-Stoffe, deren Verfilmungen erheblich mehr Musik benötigen, als realistische in der heutigen Zeit angesiedelte Geschichten. In den eigenen vier Wänden kann der Zuschauer die starke Wirkung des überzeugenden, sehr musikbezogenen stimmigen Sourround-Mix sogar in vielen Fällen beeindruckender erleben als in manchen nicht optimal beschallten Kinosälen. Wer außerdem einen Audiokommentar von Regisseur Tim Burton (optional mit deutschen Untertiteln) haben möchte, kann diesen anwählen.
Allein das bisher Beschriebene reicht für eine klare Empfehlung schon voll aus, doch diese „Platin-Edition“ bietet auf der zweiten DVD zusätzlich noch umfangreiches Bonus-Material, das erfreulicherweise zum überwiegenden Teil Informatives enthält und nicht weitgehend aus verpackter zusätzlicher Werbung besteht. Ein kleiner Schwachpunkt ist, dass hier die sonst optionalen deutschen Untertitel fehlen. Besonders interessant ist hier das rund 30-minütige englischsprachige Making-Of, das originelle Einblicke hinter die Kulissen bietet. Man erkennt auch, wie viel Spaß den Beteiligten die vielen humorvollen Akzente dieses sicherlich nicht bierernsten Horrorfilmes gemacht haben. Ich habe mit Schmunzeln die Prozedur angesehen, die die zu „Köpfenden“ über sich ergehen lassen mussten, damit ein überzeugendes „Duplikat“ des jeweiligen Kopfes zur Verfügung stand. Neben Blicken in die digitale Trickwerkstatt gibts auch eine kurze Begegnung mit dem Komponisten Danny Elfmann.
Nette Zugaben sind die abrufbaren Interviews, das Quiz, die anwählbaren Szenen mit bestem Sourround-Ton und die Produktionsnotizen. Zu den etwas blassen Features gehört das „Musik im Film“-Special – was aber nur die Filmmusik-Freunde stören dürfte. Schließlich kann man sich auch noch an drei unterschiedlichen Film-Trailern satt sehen. Angeboten hätte sich noch ein Feature, dass auf die Kürzungen in der Kino-Version eingeht und Szenen vorher/nachher enthält. Aber auch so gibt es in Sachen Bonus-Material (Supplement) überwiegend Positives zu melden. Ach, und bevor ich es vergesse, die DVD 1 bietet mindestens ein „Hidden-Feature“: Die „Goofs“ (Unstimmigkeiten im Film) befinden sich im Menüpunkt „Credits“. Allen Interessierten sei daher die sich auch durch günstiges Preis-Leistungsverhältnis auszeichnende Sleepy-Hollow-DVD-Edition nachdrücklich empfohlen.
Fazit:
Tim Burtons Film-Adaptation einer amerikanischen Schauergeschichte des frühen 19. Jahrhunderts ist liebevoll und gekonnt modernisiert sowie mit zeitgemäßen Action- und Spannungselementen aufgepeppt worden. Der von skurrilen Figuren bevölkerte und sorgfältig inszenierte und auch sehr gut fotografierte Film ist jetzt in einer hervorragenden, üppig ausgestatteten MAWA-DVD-Edition erhältlich. Der Film wird in nahezu perfektem Bild und Ton präsentiert, und das auf einer separaten DVD vorhandene Bonus-Material bietet überwiegend informative Features.
Sleepy Hollow ist sicher kein intellektueller Film, aber nahezu perfektes intelligentes Unterhaltungskino – eine gelungene, atmosphärisch dichte Gothic-Horror-Unterhaltung, die sich nicht ganz ernst nimmt. Danny Elfmans erstklassige Komposition rundet die Produktion wirkungsvoll ab. Es verbleibt eine nachdrückliche Empfehlung für die liebevoll gefertigte und insgesamt vorbildliche Edition. Auf weitere MAWA-Veröffentlichungen darf man gespannt sein!