Ride, Vaquero! • The Outriders

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
23. Dezember 2007
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

Direkt vorab: Die FSM-Kompilation zweier bislang unveröffentlichter Western-Scores aus dem MGM-Archiv ist ein überaus lohnenswerter Kandidat für die heimische Filmmusik-Kollektion. Das mittlerweile 158. Album aus der FSM-Schmiede präsentiert zwei superbe Ausgrabungen aus dem MGM-Archiv in sehr guter und guter Mono-Qualität.

Bronislaw Kapers Komposition zum (Post-)Bürgerkriegs-Western John Farrows, Ride, Vaquero! • Verwegene Gegner (1952) — Mitte der 1960er vom Constantin-Verleih als Terror der Gesetzlosen wiederaufgeführt —, wirkt besonders in den ersten wuchtig-rauen, stark mexikanisch gefärbten Tracks unmittelbar kaum Kaper-typisch. Sticht das zu Hörende doch von den von diesem Komponisten bislang als besonders typisch angesehenen betont lyrischen Kompositionen, versehen mit ausgeprägt ohrwurmhaften Melodien, so markant ab. Man denke nur an den Walzercharme in The Swan (1956), an die musicalhafte Lili (1953) oder auch an die köstliche, betont komödiantische Vertonung zum Swashbuckler Quentin Durward (1956). Mit seiner vom Western-Noir-Stil angehauchten Story um zwei völlig unterschiedliche Halbbrüder, die sich im tragischen finalen Duell gegenseitig erschießen, verweist Ride Vaquero! den Hörer klanglich spontan auf Alex North. Dessen zeitnah entstandene Komposition zu Viva Zapata! (1952) und besonders die einige Jahre später komponierte Filmmusik zu The Wonderful Country (1956) liefern markante Parallelen.

Sind die oben genannten Kaper-Scores im besten Sinne Vertreter des Golden Age, so zeigt sich in Ride, Vaquero!, besonders im stark rhythmisch akzentuierten Main Title und einigen weiteren Tracks, z. B. in „Esqueda the Leader“, im Ausdruck eine verstärkte Portion Modernität. Freilich erweist sich Kapers durchaus gelungenes und auch kraftvolles mexikanisches Flair bei etwas eingehenderem Hören denn doch als deutlich weniger authentisch und sein Kompositionsansatz überhaupt als weniger modern denn bei North. Aber auch da, wo es schließlich doch eindeutiger nach Kaper klingt, da befindet man sich eben in einer keinesfalls „nur“ durchschnittlichen Musik, zudem in einem Genre, mit dem der Name des Komponisten bei Filmmusikfreunden unmittelbar wohl kaum assoziiert wird: eben einem Western. Auch hier vermag sich Kaper tadellos zu behaupten. Markant kraftvolle Themen, z. B. das sakral anmutende für Father Antonio, und ebenso eingearbeitete mexikanische Volkslieder bestimmen eine insgesamt kraftvolle Westernfilmmusik. Dass mit dem thematischen Material dabei auch überzeugend sinfonisch gearbeitet wird, ist bei Kaper selbstverständlich. So mancher überaus fein auskomponierter Kontrapunkt erfreut darüber hinaus den Hörer. Und unter dem Aspekt Modernität kommt denn doch ein Kaper-Score mit rauer und kühler Harmonik in den Sinn, der, wenn auch nicht unmittelbar verwandt, doch eine weniger lyrische Seite des Komponisten zeigt: The Brothers Karamazov • Die Brüder Karamasow (1957).

Lange Zeit waren für Filmmusikfreunde ausschließlich die LPs zu Mutiny on the Bounty (1962), The Swan (1956) und daneben nur noch eine schlichte Kompilation seiner vielfältigen Liedkompositionen für Hollywood erhältlich. Dabei steht der Name des Komponisten für über 100 Filmmusiken, die allerdings nur über die Filme zugänglich sind. Dank FSM ist Ride Vaquero! allerdings zwischenzeitlich bereits der das Dutzend (!) voll machende Kaper-Score, der (bis auf Lord Jim, zu dem nur noch die Colpix-LP-Master existieren) sogar komplett auf Tonträger erschienen ist!

André Previn zählte gerade mal knapp 20 Lenze, als er The Outriders • Blutiger Staub (1949) komponierte. Die Story um Yankee-Gold und Verrat spielt gegen Ende des US-Bürgerkriegs. Hierzulande erlebte der Film erstaunlicherweise erst mit rund 15-jähriger Verzögerung, im Sommer 1964, sein Leinwanddebüt. Es ist schon erstaunlich, was der noch blutjunge Komponist zu einem der ersten ihm zur eigenständigen Vertonung überlassenen Filme von sich hören lässt. Eine Rózsa-mäßige Fanfare prägt zusammen mit einem ebenfalls fanfarenhaften Hauptthema eine durchweg sehr feine Westernmusik; eine, die in ihren vorhandenen, aber nur dezenten Copland-Americana-Anleihen zu den Wegbereitern der berühmten Westernmusiken eines Elmer Bernsteins gelten darf, wie Die glorreichen Sieben (1960). Darüber hinaus schimmern dezent Stilismen damals im Trend der Zeit liegender moderner sinfonischer Vorbilder wie Prokofjew und Schostakowitsch hindurch.

Beim in Berlin geborenen André Previn liegen die Dinge wie bei Bronislaw Kaper. Viel zu wenig seiner rund 40 Filmmusiken ist auf Tonträger zugänglich, um sich ein klares und stimmiges Bild vom Schaffen dieses Komponisten zu machen. Die zugehörigen Filme sind als — wenn auch unzulänglicher — „Ersatz“ schlichtweg untauglich, da sie nahezu unbekannt und daher kaum zugänglich sind. Erfreulicherweise hat sich FSM auch im Fall Previns bereits verdient gemacht, mit dem Album The Fastest Gun Alive/House of Numbers — dort finden sich auch Infos zur Vita Previns. Und gerade die Westernmusik zu The Fastest Gun Alive (1956) erweist sich hier als qualitativ geradezu verblüffend gleich- und hochwertiger Bezugspunkt.

Wie der informative Text von Lukas Kendall im wiederum sehr ansprechend illustrierten Begleitheft vermerkt, gehört Previns Score zu den Musiken im Archiv von MGM — im Zeitraum von 1947 bis 1951 —, denen offenbar schon frühzeitig der Zahn der Zeit arg zugesetzt hat. Bereits im Jahr 1964, als die Lichttonmaster auf Magnetband überspielt werden sollten, war nur noch rund die Hälfte der vorhandenen Nitrofilmrollen überspielbar. Entsprechend ist vieles jener Jahre nur noch unvollständig erhalten oder komplett verloren gegangen. Aber wie auch immer, die geretteten rund 22 Minuten von The Outriders (inkl. Vor- und Abspannmusik, direkt abgenommen vom Film) haben genug zu bieten, das eine Veröffentlichung lohnt. Kapers Ride, Vaquero! hingegen ist nicht nur vollständig, sondern darüber hinaus noch mit einem knapp 10-minütigen Anhang an Source-Cues versehen. Alles in allem erhält der Käufer mit fast 79 Minuten Spieldauer ein praktisch randvolles CD-Album mit absolut hörens-, ja entdeckenswerten Filmmusiken zu zwei Western, die hierzulande mittlerweile kaum noch bekannt sind. Ride, Vaquero! scheint schon seit ca. 5 Jahren nicht mehr im Free-TV gezeigt worden zu sein und The Outriders hat es bislang überhaupt noch nicht in die bundesdeutschen Flimmerkisten geschafft.

Zwar sind inzwischen die ganz großen, mit berühmten Filmen verknüpften und daher besonders begehrten Filmmusiken aus Hollywoods Glanzzeit sämtlich in guten bis hervorragenden CD-Editionen greifbar. Aber gerade dieses FSM-Album belegt, dass damit die Zeit der lohnenden, ja packenden musikalischen Entdeckungen noch längst nicht zu Ende gegangen ist.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2007.

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Erschienen:
2007
Gesamtspielzeit:
78:37 Minuten
Sampler:
FSM
Kennung:
Vol. 10 No. 9

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