Alice im Zombie-Horrorland oder Alles fliegt Dir um die Ohren
Bereits in die vierte Runde ist der aus einem Videospiel abgeleitete Action-Thriller-Zombie-Horror-Splatterverschnitt inzwischen gegangen, und noch immer ist kein Ende abzusehen. Denn nach dem, trotz vieler eher negativer Kritiken, offenbar sehr erfolgreichen vierten Teil der Zombie-Saga, Resident Evil — Afterlife, nimmt jetzt bereits der fünfte Gestalt an und soll im September 2012 in die Kinos kommen.
Regisseur Paul W. S. Anderson, geboren 1965 in Großbritannien, welcher bereits den ersten Film der Reihe inszenierte und mittlerweile auch Frau Jovovichs Gemahl ist, zeichnet nun ebenfalls für den vierten Besuch von Power-Amazone Alice (Milla Jovovich) im Zombie-Horrorland verantwortlich. Resident Evil — Afterlife ist zwar ebenfalls eher absurd und grotesk, hat aber im Übrigen mit den märchenhaften Abenteuern der Namensvetterin aus Lewis Carrolls Fantasy-Roman absolut nichts gemein.
Dieses Mal spielt ein wesentlicher Teil des Films in einem schwer von Zerstörungen gezeichneten und von Zombies beherrschten, apokalyptisch anmutenden Los Angeles. Los geht es allerdings mit einem rund viertelstündigen Action-Feuerwerk in der Tokioter Zentrale von Umbrella Corporation. Das dabei zu Sehende wirkt zwar bereits in 2D sehr plastisch, kommt aber gerade in 3D erst richtig knackig herüber. Gelegentlich blitzt auch mal Humoriges auf: So in der ironischen Eröffnungsszene mit den Regenschirmen wg. Umbrella Corporation. Oder auch, wenn Alice mit zwei großkalibrigen Trommelrevolvern zu fetzigen Rhythmen wie eine Western-Lady agiert.
Zweifellos scheiden sich am Film die Geister, aber immerhin ist das Spektakel mit James Camerons Fusion-Kamera-System aufgenommen und damit ein nativer, ein echter, also nicht nur nachträglich auf eher „Pseudo-3D“ konvertierter 3D-Actionfilm. Und gerade in diesem Punkt ist er schon recht beachtlich geraten, da erkennbar sorgfältig auf 3D hin produziert worden ist. Die virtuellen Räume wirken dementsprechend meist sehr überzeugend. Wobei die verschiedenen Ebenen erfreulicherweise recht natürlich und eben nicht künstlich, eher „scherenschnittartig“ übereinander gelegt, erscheinen. Natürlich wird der Raum mitunter, damit es unmittelbar augenfällig wird, in besonderem Maße betont, z. B. wenn Dinge überaus prominent im Vordergrund platziert werden. Sehr eindrucksvoll ist die bereits erwähnte, stilisierte Eröffnungsszene mit den Regenschirmen, bei der die fallenden und umherwirbelnden Regentropfen den Raumeindruck im Bild besonders geschickt unterstreichen. So etwas ist durch nachträgliches Konvertieren von 2D auf 3D einfach nicht machbar.
Auch der stylische Look der futuristischen High-Tech-Designs in der Umbrella-Zentrale vermag zu gefallen, z. B. transparente Bildschirme, auf denen man Dreidimensionales erkennen kann. Und das gilt bedingt auch für die recht virtuos, kräftig à la Matrix inszenierten, mitunter balletthaft anmutenden Spezial-Effekte, in denen viel (mitunter etwas zu viel) Zeitlupe zum Einsatz kommt. Klar wird hier mit dem Raum oftmals im Sinne von effektheischend „gespielt“. In besonderem Maße gibt’s hier nämlich mal wieder so richtig „klassisches 3D“ zu sehen, indem möglichst häufig viel — Projektile, Wurfsterne, Stein- und Betonbrocken und mitunter auch mal etwas CGI-Blut — aus dem Bild heraus, mitunter auch direkt in Richtung Zuschauer abgehen. Ob man gerade Letzteres nun auch mal als eher unappetitlich empfindet, das muss jeder für sich entscheiden. Auf der anderen Seite dämpft m. E. der Look, die in Teilen unübersehbare Videospielästhetik des Ganzen und die damit verbundene Verfremdung und Stilisierung der eh nicht übersteigerten Schockmomente den Ekeleffekt nachhaltig. Garantiert ekelfrei, und dazu geschickt gemacht, sind in jedem Fall die Flugszenen nach Alaska und ebenso die Bruchlandung auf dem Hochhausdach eines Gefängnisses, in dem sich Überlebende verschanzt haben.
Was die Zombies anbelangt, sind es nicht nur die üblichen, bereits von George A. Romero geläufigen, eher trägen Untoten, die Alice und ihren Gefährten das Überleben schwer machen. Diese hier sind wesentlich flinker und damit gefährlicher als ihre nur lahm bissigen Vorläufer — Regisseur Zack Snyders Remake Dawn of the Dead (2004) hat in diesem Punkt übrigens erste Vorarbeiten geleistet. Hinzu kommen weitere, durch Abarten des berüchtigten T-Virus zu grotesken Mutationen deformierte Monster, die spezielle „Kieferwerkzeuge“ entwickelt haben. Damit können sie sich nicht nur durch den Boden, sondern auch durch Beton hindurch graben. Und der aus der Spiele-Version 5 entlehnte, eine Art Riesenaxt schwingende, übergroße Vollstrecker erhält ebenfalls seinen Auftritt. Der ist dann offenbar kaum noch zur Strecke zu bringen. Doch Alice macht dem immer wieder aufstehenden Unhold schließlich doch den Garaus, ähnlich wie in Sam Peckinpahs Pat Garret jagt Billy the Kid (1973), mit einer mit Münzen als Schrotersatz geladenen großkalibrigen Büchse.
Abseits des insbesondere visuell Eindrucksvollen herrscht bei Resident Evil — After Live allerdings ziemliche Leere und in besagter verbirgt sich zudem so manches Logikloch: z. B. wenn Alice, am Schluss der Eröffnungssequenz per Spritze gerade wieder zum Menschen geworden und damit eigentlich sämtlicher übernatürlicher Kräfte beraubt, einen Flugzeugabsturz völlig unbeschadet überstehen darf. Nun, bei der Suche nach sorgfältig konzipierter, stimmiger Handlung ist man allerdings im gesamten Resident-Evil-Franchise bereits zuvor kaum fündig geworden. Des Weiteren sollte man auch schauspielerisch und dialogmäßig nicht zu viel erwarten.
Neu ist derartig eher dünne Kino-Horrorkost nicht wirklich: Dazu mag man sich z. B. die Nacht-der-reitenden-Leichen-Reihe aus den 70ern in Erinnerung rufen oder ganz besonders den, von Paul Morrissey ebenfalls in 3D inszenierten, Andy Warhols Frankenstein (1973) heranziehen. Das ist ein bizarrer Porno-Horror-Streifen, welcher unterm Strich kaum intelligenter als Afterlife ist. Beworben wurde er international mit „Brings the Horror off the Screen and into Your Lap“ und in Deutschland lautete der 3D-Slogan noch unverhüllter: „Das Blut spritzt bis in die letzte Reihe!“ Und schlicht sinnfreie Dialoge gibt’s darin auch: „Um den Tod zu kennen, muss man Leben einspritzen — in die Gallenblase!“ Und George Romeros Zombie-Hexalogie, die bereits 1968 mit Night of the Living Dead ihren Anfang und mit Survival of the Dead (2009) ihr zumindest vorläufiges Ende nahm? Tja, da muss sich jeder selbst die Frage beantworten, ob man diesen Splatterorgien, abseits einiger makabrer Witze, wirklich überzeugend hintergründige, gesellschaftskritische Botschaften attestieren kann, um sie dadurch aufzuwerten. Derartige, mitunter bis an die Grenzen des Erträglichen gehende Horror-Film-Serien, wie derzeit das besonders eklige Saw-Franchise, treffen einfach immer wieder den Nerv eines Teils insbesondere des jüngeren Publikums, für das sie temporär sogar Kultstatus erlangen. Und solange so etwas genug Geld einbringt, wird es auch weiterhin produziert werden. So einfach ist das …
Was Resident Evil — Afterlife anbelangt, ist der Film gewiss nichts Grandioses, sondern in erster Linie eine Aneinanderreihung meist auf beachtlichen 3D-Effekt inszenierter Showmomente. Das besitzt durchaus Unterhaltungswert und verleiht dem Film auch außerhalb der reinen Resident-Evil-Fan-Klientel gewisses Interesse. Unterm Strich kann man sich jedenfalls in weitaus größere Untiefen des Ekels verirren, als bei diesem insgesamt doch noch relativ maßvoll bleibenden Horror-Spektakel.
Milla Jovovich stand übrigens erst jüngst ein weiteres Mal unter der Regie ihres Göttergatten Paul W. S. Anderson vor der Kamera: als Milady De Winter in einer Neuadaption des klassischen Mantel-und-Degen-Stoffes Die drei Musketiere. Gedreht wurde dieser wiederum in 3D aufgenommene Film übrigens in der pittoresken Weltkulturerbe-Stadt Bamberg. Mal schauen, ob das etwas wirklich Ansehnliches wird …
Resident Evil — Afterlife 3D als Silberscheibe
Bild und Ton sind bereits von DVD zweifellos sehr gut. Das Bild bleibt natürlich bei der DVD-Ausgabe zwangsläufig flach, sprich: in 2D. Die 3D-Blu-ray der zwei Discs enthaltenden „Premium-Edition“ wird in einem Pappschuber nebst 8-seitigem Begleitheft geliefert. Sie ist sehr sorgfältig produziert und liefert ein vorzügliches, nahezu perfektes Bild, das dicht an die Referenzklasse heranreicht. Da ist es nicht zuletzt der exzellent ausbalancierte Kontrast, der für einen satten Schärfeeindruck sorgt. Die 3D-Blu-ray (Disc 1) enthält den Film sowohl als 2D- wie auch 3D-Version. Wobei ein Aufdruck verspricht, dass die 2D-Version auf jedem Blu-ray-Player (also auch älteren Modellen) funktioniert. Zum Film ist auch ein informativer Audiokommentar vom Regisseur sowie dem Produzententeam anwählbar. Leider sind dazu keine deutschen Untertitel verfügbar.
Der 3D-Eindruck gibt ebenfalls keinen Anlass zum Klagen. Ghosting ist erfreulicherweise kaum zu beobachten. Und alle diejenigen, die vom Equipment her optimal ausgestattet sind, werden zum sehr guten Bild die sowohl druckvollen als auch in feinen Details sehr überzeugenden Tonfassungen (Deutsch und Englisch) in DTS-HD 5.1 zu schätzen wissen. Diese liefern zum oftmals sehr gelungenen räumlichen Seheindruck das ebenfalls sehr überzeugende, qualitativ wohl kaum noch steigerungsfähige akustische Pendant. Inwieweit man hier gegenüber dem Standard-DTS-Sound der DVD-Version eindeutige Verbesserungen heraushören kann, mag jeder für sich feststellen.
Der zweite Silberling der „Premium-Edition“ ist mit vielen Boni bestückt, welche den Resident-Evil-Fan ebenfalls erfreuen dürften. Da kann man sich aber auch den Film nochmals anschauen, zwar nur in 2D, aber dafür mit Picture in Picture (PiP), also versehen mit speziellen Hintergrundinfos während der gesamten Laufzeit. Dabei und neben dem zusätzlich vorhandenen knapp 50-minütigen „Making of“ werden im bereits erwähnten Audiokommentar (auf Disc 1) die wichtigen Aspekte der Produktion, auch das Arbeiten mit den aus der Cameron-Küche stammenden Fusion 3D-Kameras, gut abgedeckt.
Die übrigen Boni setzen in besonderem Maße auf Werbung. Sie sind aber immerhin, insbesondere die 3D-Trailer, recht kurzweilig anzuschauen.
Das sehr prominente FSK-Logo ist nur auf dem äußeren Pappschuber angebracht, in den die eigentliche Box (ohne Logo) zusätzlich eingesteckt ist. (Exklusiv bei Amazon.de ist übrigens eine limitierte Steelbook-Edition erhältlich, die inhaltlich mit der Premium-Edition identisch ist.)
Fazit: Resident Evil — Afterlife ist gewiss nichts für Zartbesaitete oder gar Tiefsinniges erwartende Gemüter. Aber von denen dürfte eh keiner bis hierher gelesen haben, oder etwa doch?
Dieses Untotenspektakel lebt ausschließlich von seinen technisch meist eindrucksvoll choreographierten Stunts und seinen überbordenden sonstigen Effekten, inklusive seiner hochwertigen Surroundtonkulisse. Es ist damit in erster Linie eine überdimensionierte Effektdemonstration, die bereits von DVD beachtlich aussieht, aber gerade in 3D ihre Reize ausspielt.
Zwischendurch ist auch so etwas zur reinen Unterhaltung ausreichend. Die dafür unabdingbare Voraussetzung ist freilich: Man darf das Gezeigte einfach nicht ernst nehmen! Wer sich also, unter dem Aspekt beachtlichen „3D-Futters“ für die Heimanlage, auf eine derartige Action-Horror-Unterhaltung mit vielen umherfliegenden Dingen und mitunter auch mal etwas spritzendem CGI-Blut einlassen mag, der kommt in der hier vorgestellten Premium-Edition klar auf seine Kosten. 3D-Blu-ray einlegen, Lautstärke justieren, Shutter-Brille aufsetzen und Hirn unbedingt ausgeschaltet lassen: So lautet hier die Devise.
Dass man Derartiges trotzdem nicht leichtfertig als 3D-Demo für Kids oder auch ältere Onkel und Tanten einsetzen kann, versteht sich wohl von selbst. Allerdings dürfte dies denn wohl auch für länger der einzige Ausflug ins dreidimensionale Splatter-Horror-Genre auf Cinemusic.de bleiben. Wer also jetzt auf den Geschmack gekommen, an dieser Stelle mittelfristig eventuell Saw 3D — Vollendung erwartet, der wird in jedem Fall enttäuscht werden.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu Ostern 2011.
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