Kommentar zu Film und Filmmusik
Jerry Bruckheimer strikes again! Mit Regisseur Gore Verbinskis Fluch der Karibik soll nun auch hierzulande Geld in die Kassen der durch Videopiraterie krisengeschüttelten Branche gespült werden. Und in gewohnter Manier wird auch dieses Mal versucht, mit den US-Umsatzzahlen zum Hype zu puschen, nach dem Motto: was teuer produziert ist und Kasse macht, muss auch erstklassig sein. Liest man die Werbung der Verleihe, scheint geradezu ein rekordverdächtiger Knüller nach dem anderen an den Start zu gehen. Zwar ist das nicht grundsätzlich neu, erregt aber in seiner kontinuierlichen Übersteigerung mittlerweile nur noch Kopfschütteln. Dass sich hiervon die Medien oftmals blind anstecken lassen, ohne nach dem Rest (Inhalt) zu fragen, ist ein Phänomen, typisch und bezeichnend für die heutige Kinowelt und ihr überzogen schnelllebiges, überhitztes Klima.
Bekannt (und berüchtigt) ist Produzent Jerry Bruckheimer (J. B.) dafür, sich mannigfaltig in den Produktionsprozess seiner Filme einzumischen; wer dann letztlich Regie führt, ist dabei ziemlich unbedeutend. So dürfte es auch für Gore Verbinski nicht gerade künstlerischen Freiraum bedeutet haben, mit J. B. auf Mäusejagd zu gehen. Zwar ist Fluch der Karibik deutlich weniger platt ausgefallen als Pearl Harbor und präsentiert sich alles in allem als passabel unterhaltsames Movie. Ist teilweise visuell recht beeindruckend, aber auch dieses Mal sind die allzu strikten Vorgaben des Produzenten zur einschränkenden Krux, ja, vielleicht gar zum wahren auf dem Film lastenden Fluch der Karibik geraten.
Der finanzielle Aufwand zeigt sich neben der CGI-Computer-Tricktechnik in manch schöner (von Klassikern des Genres inspirierter) Bildkomposition. Die Protagonisten wirken zu den ebenfalls stimmungsvollen Kulissen für eine im 17. Jahrhundert angesiedelte Story allerdings etwas arg modern und der fortwährend feminin-tuntig agierende Johnny Depp allein durchgeknallt und oftmals nervtötend. Das ist in seiner Konsequenz zwar nicht einfach schlecht gespielt, aber war das nun wirklich nötig?
J. B. wies seinen Komponisten Klaus Badelt zu dessen Erstaunen darauf hin, dass Pirates of the Caribbean kein Piratenfilm sei, aber siehe da, der Klassiker The Crimson Pirate • Der rote Korsar (1952) erweist sich bei näherem Hinsehen als gerade der Film, der dem Obermacher als Vorbild offenbar besonders geeignet erschien. Wieder belebt werden soll ein Genre, das abgesehen von einigen Flops – beispielsweise Pirates • Piraten (1985) und Cutthroat Island • Die Piratenbraut (1995) – seine letzte Blüte vor nunmehr rund 50 Jahren erlebte.
Schon Robert Siodmaks brillanter Film Der rote Korsar setzt auf besonders viel Humor (hierfür steht nicht nur das Duo Burt Lancaster und Nick Cravat) und verwendet außerdem augenzwinkernd genreuntypische Elemente des Science-Fiction-Films: In Form eines Wissenschaftlers, der in seinen waffentechnischen Erfindungen seiner Zeit weit voraus ist. Eine Mixtur, die hier insgesamt (auch heutzutage noch) mitreißend und leichtfüßig inszeniert wirkt und zum überschäumend witzig und originell gesponnenen Seemannsgarn wird. Im Bruckheimer-Movie gerät dies aber etwas sehr zur vordergründig mit Slapstick überladenen High-Tech-Trickkiste, der ein durchgängig überzeugender Handlungsfaden leider abgeht. Zweifellos ist dabei trotzdem einiges sehr ansehnlich geraten: so beispielsweise, die schön gestalteten Sets, wie das malerische Port Royal, und ebenso nett ist es, wenn die mit einem Fluch beladene Piratenbande im Mondlicht als Gerippen-Horde erscheint und sogar über den Meeresgrund zum Angriff marschiert.
Und auch gilt: Ein Pirat, dem ständig das billige (drum hölzerne) Glasauge herauskullert, ein anderer mit abgeschnittener Zunge, für den sein auf der Schulter sitzender Papagei das Reden übernimmt und auch das heimtückische Kapuzineräffchen des von Geoffrey Rush verkörperten Oberschurken, sind eindeutig gelungene Gags — das Äffchen ist übrigens eine Reminiszenz an The Sea Hawk • Herr der sieben Meere (1940). Im überzogen auf andauernde, dabei (leider) allzu oft allein mätzchenhafte Gimmicks getrimmten Spektakel verlieren aber die guten Gags nicht nur rasch ihren Reiz, sie gehen zudem unter. Mitunter gerät die Effektheischerei denn auch mal zur geradezu schwachsinnigen Aktion: so, wenn die (etwas dösigen) britischen Soldaten in Booten sitzend mit Gewehren auf ihr von den Piraten gekapertes Schiff wild drauflos ballern.
Und natürlich musste auch das eher behäbige Tempo der alten Segelschiffe auf den Level heutiger Action-Standards beschleunigt werden. Ob es nun wirklich zeitgemäß und toll ist (oder nicht vielmehr krampfhaft auf modern getrimmt), wenn sich eine Fregatte wie eine moderne Hochsee-Yacht in die Kurve legt, muss jeder für sich entscheiden …
Aber damit nicht genug: dem anvisierten jungen Publikum werden (da es ja für die Kiddies sonst schnell „langweilig“ wird) keine wirklichen Ruhepunkte zugemutet; und so hastet die von der Grundidee durchaus passable Filmhandlung – die Jagd nach einem Medaillon, das den auf Barbossas verruchter Piraten-Gang lastenden Fluch lösen kann – von einem „Äkschän-Höhepunkt“ zum nächsten. Und auch die videoclipartigen schnellen Schnittfolgen sind dabei dem Vergnügen nicht unbedingt förderlich. Das opulente und auch an Filme wie The Sea Hawk • Herr der sieben Meere (1940) oder Captain Horatio Hornblower (1950) erinnernde Seegefecht wird dadurch nämlich um einiges seines epischen Atems schlichtweg beraubt.
Dafür kann auch eine echte tricktechnische Novität nicht wirklich entschädigen: das Kappen eines Mastes durch die von einer Kanone abgefeuerten, mit einer Kette verbundenen (ähnlich dem Hammerwurf) durch die Luft wirbelnden beiden Eisenkugeln.
Etwas blass geraten sind sowohl die unverzichtbaren Schwertkämpfe als auch die „waghalsigen“ Aktionen der Protagonisten. Leider findet sich hier (nicht ansatzweise) weder die Gewandtheit eines Errol Flynn noch die sportliche Brillanz des ehemaligen Zirkusartisten Burt Lancaster. Was bleibt ist ein überdurchschnittlich teures, für einen Kinobesuch zwar akzeptables (Filmbewertung: „noch“ 3 Sterne), jedoch ein gutes Stück zu trendiges, überdrehtes Spektakulum, das wohl in erster Linie für jene das Zeug zum kinematografischen Knüller haben dürfte, für die die genannten filmischen Referenzen allein noch „olles Zeug“ bedeuten.
Die Filmmusik ist – nachdem der auf den deutschen Kinoplakaten noch genannte Alan Silvestri geschasst wurde – von Klaus Badelt (mit Unterstützung von Hans Zimmer) erstellt worden. Was König Kunde von dem für mehr als 100 Filmminuten Komponierten bekommt, sind gerade mal knapp 44 Minuten Material. Eine allein von CD insgesamt matte, ziemlich nichts sagende Angelegenheit, die sich in permanent aufgetischten wohlbekannten Media-Ventures-Action-Standards (von Backdraft und Crimson Tide über The Rock bis Gladiator) erschöpft – wobei auch das mittelalterliche „Dies Irae“ als Schicksalsmotiv nicht fehlt. Ein wirklich markantes oder gar inspiriertes Thema, das sich einprägt und dem Score als roter Faden dient, fehlt, was nicht gerade hilft, den etwas flauen Gesamteindruck zu puschen.
Ob die Zimmerfreunde nun in Massen begeistert an Deck antreten werden, um diese CD zu erwerben, erscheint mir eher zweifelhaft. Das Album dürfte vielmehr in erster Linie etwas für Film-Souvenirjäger sowie Badelt- und Zimmer-Komplettisten sein. Nun, selbst der Media-Ventures-Maestro hat es offenbar mit viel Humor genommen und lässt das von ihm beigesteuerte synthetische Zimmer-Feuerwerk auf dem CD-Cover originellerweise als „Overproduced by Hans Zimmer“ outen.
Der Score erfüllt im Film schon seinen Zweck, hat J. B. zufrieden gestellt und sowohl Badelt als auch Zimmer haben ihre Brötchen damit verdient. Die in äußerst knapp bemessener Zeit als reine Fleiß- und Fließbandarbeit allein routiniert gefertigte Filmvertonung, wird zukünftig weder als wichtiges „Bindeglied“ noch gar als „Landmark-Score“ gelten. Drum sollte man es in diesem Fall damit bewenden lassen und einfach den Mantel des Schweigens darüber betten.
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