Matinee: Joe Dantes drolliger Kalter-Kriegs-Cocktail in „Atomo-Vision“ und „Rumble-Rama“
Wenn ein Film von Regisseur Joe Dante stammt, dann geht es darin oftmals schräg und lustig zugleich zu. Diese Aussage gilt auch für die auf dem Höhepunkt der Kuba-Krise angesiedelte 1993er Kino-Satire Matinee. Es geht um pubertierende Heranwachsende wie den sympatischen Gene Loomies (Simon Fenton), welche die Atomkriegsparanoia jener Tage miterleben und bei den obligatorischen Kino-Matinee-Besuchen natürlich auch ihre Neugier auf das andere Geschlecht ausleben möchten. Aber natürlich steht im Zentrum das Interesse an den oftmals drollig-trashigen B/C-Horror-Movies der 50er und frühen 60er Jahre.
Sehr originell lässt Joe Dante den Zeitgeist lebendig werden und generiert dazu außerdem im von John Goodman brillant verkörperten Lawrence Woolsey eine Art von verschmolzenem Spiegelbild aus typischen Genre-Regisseuren wie Jack Arnold, Roger Corman, Ray Dennis Steckler und nicht zuletzt William Castle. Regisseur Woolsey, Schock-Experte Nr. 1, reist durch die Provinz, im Gepäck seinen aktuellsten Film, Mant, dessen optimale Präsentation in „Atomo-Vision“ und „Rumble-Rama“ er höchstpersönlich inszeniert und überwacht. Durch Woolseys während der Vorführung effektvoll inszenierte Schock-Effekte gerät die zwischendurch bereits chaotische Situation völlig außer Kontrolle. Eine geschickt fingierte Atombombenexplosion löst beim schon durch die fatale politische Lage äußerst angespannten und jetzt völlig überreizten Publikum eine Massenpanik aus. Es ist überaus witzig anzuschauen, wie charmant Joe Dante hier auch die mitunter fließenden Grenzen zwischen realem und fiktivem Horror inszeniert hat. Einige Klasse besitzt dabei auch Cathy Moriarthy, die den Schrecken vor dem Monströsen so herzhaft hysterisch herauszukreischen vermag, wie man es aus den alten Horrormovies gewöhnt ist. Matinee ist aber nicht nur schrill und satirisch, sondern ebenso ein warmherziger, nostalgischer Abgesang auf eine längst überlebte Form des Kinos, welche Joe Dante noch begeistert selbst miterlebt hat, der sich 1962 im selben Alter wie seine Protagonisten befand.
Gelungen ist auch die ambivalente Schluss-Szene am Strand, unterlegt mit dem nostalgischen 1961er-US-Hit von The Tokens: „The Lion Sleeps Tonight“. Hier setzen die von Gene und seiner Freundin bei der Heimkehr von der Kuba-Blockade beobachteten Navy-Helikopter – nebst ihren die Musik zunehmend übertönenden Rotorgeräuschen – nämlich einen subtilen Kontrapunkt zum zuerst suggerierten Wohlfühl-Kinoschluss: Gene gehört möglicherweise zu denen, die nur wenige Jahre später in den Vietnamkrieg ziehen werden.
Einer der größten Gags ist der bereits erwähnte fiktive Film-im-Film, Mant, was für „halb Mensch halb Ameise“ steht. Mant ist eine so stil- wie liebevolle schwarz-weiße Hommage an die sich ernsthaft gebenden, dabei eher kuriosen Horror-, Monster- und Sience-Fiction-Filme des Kalten Krieges, die heutzutage eher komisch und lustig denn noch wirklich gruselig erscheinen. In seinen drollig gestelzten Dialogen wird dabei auf das für derartige Filme so unverwechselbare Vokabular geradezu köstlich reflektiert, etwa mit der jawohl immer zutreffenden Aussage: „Die Welt ist nicht mehr dieselbe, die wir noch vor wenigen Jahren kannten.“ Derartiges ist, aus markanten Genre-Produktionen wie Beginning Of The End (1957) oder The Amazing Colossal Man * Der Koloß (1957) entlehnt. Damit alles möglichst überzeugend echt wirkt, hat Dante zum Dreh auch typische Veteranen verpflichtet, wie Robert Cornthwaite (der besessene Wissenschaftler im 1951er The Thing From Another World * Das Ding aus einer anderen Welt) oder Kevin McCarthy, der in Invasion of the Body Snatchers * Die Dämonischen (1956), als Protagonist Dr. Peter Bennell zu sehen ist.
Komponist Jerry Goldsmith hat zu Matinee eine zwar nicht großartige, aber dennoch feine und sehr unterhaltsame Filmmusik beigesteuert.
Matinee erstmalig in HD auf BD
Abgesehen von einzelnen, etwas softeren Momenten ist das detailfreudige Breitwand-Bild (Format 1:1,85) von guter bis sehr guter Schärfe. Es zeigt außerdem sehr sauberen Kontrast nebst gutem Schwarzwert und da, wo nicht aus dramaturgischen Gründen in Teilen verfremdet worden ist, auch sehr überzeugende, oftmals satte Farben. Der eher auf den Frontkanälen aktive Ton ist zwar nicht gerade spektakulär, aber ebenfalls sehr solide geraten. Das gilt auch für die gute deutsche Synchronfassung, bei der eben nicht geschlampt worden ist, obwohl Matinee hierzulande nicht in die Kinos kam, sondern direkt und damit „nur“ auf dem Home-Videomarkt startete.
Erstklassig ist die Boni-Kollektion ausgefallen. Da ist auch (sogar in HD) dem bereits erwähnten Film-im-Film Mant ein eigenes – zuerst verborgenes Untermenü – gewidmet. Dort kann man sich nicht nur das komplette Movie (rund 16 Minuten) anschauen. Außerdem gibt es zu diesem fiktiven Kino-Spaß sogar einen köstlichen Trailer sowie eine ebenso witzige Bildergalerie mit „Werbematerial“. Da ist Schmunzeln garantiert! Besonders informativ ist die 15-minütige „Featurette Atomo Vision“, in welcher der sehr sympathisch wirkende Regisseur im Rahmen eines Interviews interessante Infos zur Entwicklung der Film-Story und nicht zuletzt zu den ausgeprägt autobiografischen Bezügen zu vermitteln weiß.
Ein ganz besonders amüsantes Schmankerl ist aber die so genannte „Trailerrolle“ (in SD): Hier gibt es über stattliche rund 52 Minuten sogar ausschließlich deutsche (!) Kinotrailer zu Horror-, Monster- und Sience-Fictionfilmen der 1950er und 60er Jahre zu sehen. Auch wenn die Qualität bei Derartigem, entsprechend dem zum Zeitpunkt der Abtastung meist mehr oder weniger defekten Quellmaterial, naturgemäß stark schwankt: Das vermag das ausgeprägte Nostalgiepotential und damit den großen Spaßfaktor einer solchen garantiert urigen Kollektion kaum zu beeinträchtigen.
Fazit: Mit Matinee hat Koch-Media jetzt einen besonders witzigen Joe-Dante-Film, vielleicht gar Dante-Filmklassiker auf Blu-ray vorgelegt. Das Ergebnis kann sich absolut sehen und auch hören lassen. Da wünscht man sich, dass doch alle älteren Universal-Titel wiederveröffentlicht in HD auf Blu-ray mit derart guten technischen Standards aufwarten würden.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.