Kenneth Branaghs aktueller Film Love’s Labour’s Lost • Verlorene Liebesmüh ist bereits am 25. Mai 2000 in den deutschen Kinos angelaufen. Er ist leider vielerorts bereits in der zweiten Woche in kleinen Abspielstätten gelandet und wenig später ganz aus dem Programm genommen worden. Der Regisseur Branagh dürfte vielen Lesern auch als Schauspieler z. B. als Priester in The Proposition • Wunsch und Wirklichkeit (1998) oder als Oberschurke mit dem sinnigen Namen Dr. Loveless in Barry Sonnenfelds Westernulk Wild Wild West (1999) ein Begriff sein.
Auch in seiner fünften Sheakespeare-Adaptation ist es Kenneth Branagh weitgehend gelungen, die literarische Vorlage in eine angemessene moderne Form zu übertragen und, gelöst von einer am Theater orientierten Ästhetik, filmgerecht umzusetzen. Dass Männer und Frauen um der Liebe willen törichte Dinge tun und paradoxerweise gleichzeitig durch die Liebe reifer werden, ist die Botschaft dieses etwas über 400 Jahre alten Stückes. Nun, ein Mainstream-Film ist diese Adaptation einer weniger bekannten Shakespeare-Komödie sicher nicht, vielmehr etwas für Gourmets, die einen Bezug zum klassischen Hollywood-Kino und hier im Speziellen zu den legendären Revue-Filmen z. B. mit Fred Astaire und Gene Kelly haben. Die Idee, das Stück in Form einer in den späten dreißiger Jahren angesiedelten Swingkomödie mit Musik- und Tanznummern zu inszenieren — sicher auch in Erinnerung an das spritzige Shakespeare-Film-Musical Kiss me Kate (1953) —, kam dem Regisseur bereits im Winter 1997: „… ich hatte den Eindruck, dass es möglich sein müsste, die Stellen, die heute nicht mehr zeitgemäß erscheinen, durch die hinreißenden Songs eines Cole Porter, Irving Berlin, George Gershwin und anderer zu ersetzen, die ja oft von dem gleichen Thema handeln — der romantischen Liebe …“
Die filmische Umsetzung des Bühnenstückes erfolgte daher auch analog den klassischen Musicals in bewusst künstlich wirkenden Studiokulissen, wobei die Gesangs- und Tanznummern nicht von professionellen zusätzlichen Kräften sondern von den Schauspielern selbst mit viel Engagement — und hörbarem Spaß an der Sache — ausgeführt wurden. An Letzterem wird sich der eine oder andere vielleicht stoßen, mir hat es trotzdem gut gefallen — zumal auch die Songs in berühmten Filmmusicals wie Singin in the Rain • Du sollst mein Glücksstern sein (1952) oder The Wizard of Oz • Der Zauberer von Oz (1939) eher durch markante als perfekte Stimmen vorgetragen werden. Das Resultat ist eine weitgehend gelungene, liebevolle Hommage an die klassischen Hollywood-Musicals: Von den Wasserballetten der Esther Williams z. B. in Bathing Beauty • Badende Venus (1944) bis zum letzten großen Filmmusical Hello Dolly (1967) ist manch gelungenes Zitat eingearbeitet worden. Ohne sich beim Nachgestalten der klassischen Vorbilder übertrieben ernst zu nehmen, vermeidet es das Opus aber, in Persiflage abzugleiten. Wahrlich köstlich ist die Szene, in der Kenneth Branagh zu einem zaghaften Stepptanz à la Fred Astaire anhebt, ohne diesen freilich zu Ende zu bringen. Der liebevoll gestaltete Film zeichnet sich überdies durch hervorragende Schärfentiefe und ein Schwelgen in dramaturgisch sorgfältig aufeinander abgestimmten Farben aus.
Die Arrangements der klassischen Musical-Songs und die Verbindung mit zusätzlich komponierter Musik zum Film Verlorene Liebesmüh stammt von Branaghs Hauskomponist und ehemaligem Schauspieler-Kollegen Patrick Doyle, der auch schon zu Branaghs Filmdebüt Heinrich V. (1988) die Musik geliefert hat. Dem Komponisten ist es durchweg gelungen, die verwendeten Songs und seine eigene — stellenweise mit einen charmanten britischen Touch versehene — Musical-Musik nahtlos miteinander zu verschmelzen. Er schuf damit ein nostalgisches und zugleich heiter-spritziges musikalisches Pendant zu der optischen Revue, das auch allein von der CD überaus angenehm wirkt. Hier steht Doyle in direkter Tradition zu Größen des Golden Age wie Alfred Newman, der ja im Laufe seiner langen Hollywood-Laufbahn unzählige Musicalverfilmungen musikalisch betreut hat — siehe hierzu auch There’s No Business Like Show Business und State Fair.
Mehrteilige Rezension:
Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu: