Love Is a Many-Splendored Thing

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
15. Mai 2002
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

Love Is a Many-Splendored Thing • Alle Herrlichkeit auf Erden (1955) ist ein in den 50er Jahren auch durch den Filmsong von Sammy Fain berühmt gewordenes Melodram. Die heutzutage etwas patinierte Love-Story um einen amerikanischen Reporter (William Holden), der eine kurze Romanze mit einer Ärztin (Jennifer Jones) in Hongkong erlebt, enthält alle Ingredienzen der Traumfabrik; eine vor aufwändig in Szene gesetztem exotischen Hintergrund anmutig in CinemaScope fotografierte und von Regisseur Henry King solide inszenierte, gediegene Kinounterhaltung.

Nachdem der Song zum berühmten Western High Noon • Zwölf Uhr Mittags (1951) ein Überraschungserfolg geworden war, erkannten die Studio-Bosse und Produzenten in attraktiven Filmsongs eine neue zusätzliche Werbequelle. Dies wurde ein Trend, der von der 1948 eingeführten Langspielplatte und dem zunehmenden Interesse breiter Publikumsschichten an (erschwinglicher gewordenen) Tonträgern und Abspielgeräten begünstigt wurde.

Das langsam wachsende Verlangen der Produzenten nach publikumsträchtigen Songs (und in Folge auch die verstärkt geforderte Verwendung von Formen zeitgemäßer Unterhaltungsmusik) führte zum Niedergang der Kinosinfonik – nicht allein – in Hollywood. Die renommierten Studio-Vertragskomponisten sahen sich alsbald in eine nicht gerade begeisternde Situation versetzt. Wurden Sie doch zunehmend genötigt, in ihre sinfonischen Filmpartituren eingängige Songthemen Dritter zu integrieren. Der Wunsch nach kommerziellem Erfolg eines Songs (zum Mitpfeifen) auf Tonträger – und damit zusätzliche Film-Werbung – rückte immer stärker ins Zentrum der Produzenten-Wünsche. Langsam verfiel so der Anspruch an die Qualität und damit zwangsläufig das allgemeine kompositorische Niveau der abgelieferten Filmkompositionen.

Dass hiermit eine Entwicklung eingeläutet wurde, die für die alten Hasen des Genres mittelfristig zum Frust mit bitteren Konsequenzen führte, sei an einem Beispiel erläutert: So fand z.B. von Bernard Herrmanns Musik zu Tender is the Night (1962) kein Auszug den Weg auf die zugehörige Fox-LP, sondern nur der als Source-Music verwendete Jazz. Alfred Newman, seit 1939 Chef des Musikdepartments von 20th-Century-Fox, hatte schon zuvor die Konsequenzen gezogen und demissioniert. The Best of Everything (1959) wurde seine letzte Arbeit für 20th-Century-Fox …

Später werden Rock- und Pop-Musiker nicht allein einen Filmsong, sondern die gesamte filmmusikalische Untermalung bestreiten – möglich machten dies die versierten Arrangeure der (in Auflösung begriffenen) Musikdepartments. Vereinzelt gab es in der Pop-Ära jedoch sogar kleine „Sternstunden“ in Form reiner (Pop-)Song-Scores, die trotz eher simpler Konzeption überzeugend Atmosphärisches zur Filmerzählung beitrugen (The Graduate von Simon & Garfunkel, 1967) oder ein bestimmtes Zeit- und Lebensgefühl transportierten, wie in American Graffiti (1973) und Easy Rider (1969).

Erst in den 70er Jahren entsann man sich in zunehmendem Maße wieder der alten Werte und begann nachhaltig die sinfonischen Traditionen neu zu beleben. Mit dieser Trendwende ist entscheidend der Name des Komponisten John Williams verknüpft. (Siehe hierzu auch die Anmerkungen im Artikel Jaws.)

Das zuvor Geschriebene soll allerdings nicht bedeuten, dass Songs im Film generell ein Symbol für eine negative Entwicklung sind. Nein, gute Songs, z.B. von Irving Berlin, Jerome Kern und George Gershwin, waren seit der beginnenden Tonfilm-Ära (nicht ausschließlich im Bereich der Filmmusicals aus den Tonfilm-Untermalungen Hollywoods) mitunter gelungener und integraler Bestandteil einer Filmmusik – wie auch der Song in High Noon. Zu den sehr guten Song-Komponisten gehörte auch Sammy Fain, ein talentierter Melodiker.

Für Love Is a Many-Splendored Thing wurden Sammy Fain (Musik) und Paul Francis Webster (Text) verpflichtet. Das überaus eingängige, ja, hinreißende Song-Thema entwickelte sich rasch zu einem Ohrwurm und avancierte alsbald zum Evergreen, der bis in die 70er Jahre auch häufig im Radio zu hören war. Es entstanden schon früh unzählige, zumeist instrumentale Cover-Versionen auf Schallplatten, wobei Alfred Newmans schöne Filmmusik kurioserweise allein auszugsweise in Form technisch mangelhafter Bootlegs verfügbar war. Für mich gehört Sammy Fains Song zu den frühen Begegnungen mit Filmmusik und auch Newmans glanzvolle Tonschöpfung zu den lange auf Tonträger vermissten. Jetzt endlich, rund 47 Jahre nach der Filmpremiere ist Love Is a Many-Splendored Thing im Rahmen der „Varèse Club“-Reihe vollständig veröffentlicht worden.

Alfred Newman machte Sammy Fains herrliche, breit ausschwingende Song-Melodie zum Hauptthema und Leitmotiv. Er machte es damit auf unverwechselbare Art und Weise zum „roten Faden“ – mit hohem Wiedererkennungswert – in seiner wundervoll ausgeführten, romantisch-exotischen Filmmusik. Wirkt die Filmstory heutzutage auch eher soapig, Newmans Musik hat ihre Reize keineswegs eingebüßt. Er gestaltet Fains Ohrwurm zusammen mit einem zweiten eigenen Thema in Form vielfältiger sinfonischer Verarbeitung. Was er den beiden Themen durch Variationsvielfalt und Einfallsreichtum abzugewinnen in der Lage ist, das enthält sämtliche Zutaten, die eine edle Newman-Komposition auszeichnen: herrliche, lyrisch-warme Melodik sowie geschickte und vielseitige Verwendung der hohen Streicherlagen. Charakteristisch und feinsinnig zugleich ist das instrumentale Gewand, in das der Orchestrator Edward B. Powell Newmans Klavierparts kleidete. Eine wichtige Rolle im Konzept spielt kammermusikalische Transparenz, indem häufig Holzbläsersoli über dezentem Klangteppich agieren.

Hinzu kommt hier noch eine gehörige Portion klanglich-reizvoller Exotik, besonders ausgeprägt in „The Moon Festival“. Wer diese Musik hört, der spürt beim Vergleich mit Newmans Arrangements für die Film-Version des Richard-Rodgers-Musicals The King and I (1956) sofort, das beides aus derselben Feder stammt. Newmans Umgang mit dem asiatischen Klang-Idiom ist sehr geschickt, bleibt dabei aber etwas klischeehafter als Vergleichbares von Hugo Friedhofer in Soldier of Fortune (1955) und The Barbarian and the Geisha (1958) und von Jerry Goldsmith in The Spiral Road (1962) und The Sand Pebbles (1966).

Daneben bietet die CD noch eine kleine Begegnung mit Leigh Harline, dem Komponisten von Scores wie (Disneys) Pinocchio und dem klassischen Western Broken Lance, in Gestalt eines sehr hübschen Stücks Party-Musik in „House of Bamboo“.

Die Stereo-Magnettonmaster haben die fast 50 Jahre seit den Aufnahmesitzungen hörbar gut überstanden: Die Musik klingt erfreulich frisch, transparent und sauber stereophon. Das recht informative, aber etwas schlicht gestaltete Booklet erreicht nicht ganz die (sehr guten) FSM-Standards.

Originaltitel:
Alle Herrlichkeit auf Erden

Komponist:
Newman, Alfred

Erschienen:
2002
Gesamtspielzeit:
62:59 Minuten
Sampler:
Varèse Club
Kennung:
VCL 0202 1006

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