„Film noir“: diese vom französischen Filmkritiker Nino Frank 1946 ins Leben gerufene Bezeichnung steht für zwiespältige Helden und ebenso negative Heldinnen am Rande der Gesellschaft. Fast durchweg wird im Dickicht des Asphaltdschungels der amerikanischen Großstädte in düsteren und pessimistischen Szenarien agiert. Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind erheblich fließender als gewohnt und vieles ist hier nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint: Gangsternaturen, zu Unrecht Verfolgte, Unschuldige und scheinbar rechtschaffende Bürger wie auch schurkische Polizisten geben sich ein Stelldichein. Die Filme wirken urbaner und moderner als die Krimis klassischer Prägung und ihre Geschichten erscheinen zumindest teilweise, obwohl ebenfalls stilisiert, realistischer als die typische Hollywood-Krimiunterhaltung jener Zeit. Die desillusionierenden Erfahrungen der Depressionsära und des 2. Weltkrieges schafften die Voraussetzungen für den Film noir. Zunehmende Teile des Publikums wollten fortan nicht mehr nur reine Zerstreuung und damit Traumfabrik vorgesetzt bekommen, es wollte vielmehr auch seine Schrecken und Ängste auf der Kinoleinwand wiedererkennen.
Die mit den im Kalten Krieg auflebenden Aktivitäten des „House Committee on Un-American Activities“ (HUAC) einhergehenden Repressionen überschatteten das öffentliche Leben. Das paranoide Gesellschaftsklima beeinflusste und förderte den Film noir weiterhin zumindest indirekt. Es ist wohl kein Zufall, dass der Endpunkt der Noir-Ära (s. u.) ziemlich genau da liegt, wo die Verhältnisse begannen sich langsam zu normalisieren.
Seine Vorläufer hat der Film noir nicht zuletzt in den harten US-Gangsterdramen der ausgehenden 20er und 30er Jahre, wie Scarface • Narbengesicht (1932) und auch solche mit sozialkritischen Tönen wie I Am a Fugitive from a Chain Gang • Jagd auf James A. (1932). Ihre Blütezeit hatten die auch als „Schwarze Serie“ bezeichneten Krimis in den 1940ern bis in die zweite Hälfte der 1950er. Zwei Klassiker markieren die Eckpunkte: The Maltese Falcon • Die Spur des Falken (1941) und Touch of Evil • Im Zeichen des Bösen (1958). Diese beiden Filme präsentieren zugleich einige der besonders markanten männlichen Schauspieler: Humphrey Bogart, Peter Lorre und Orson Welles. Des Weiteren wären bei den Herren in jedem Fall Charlton Heston, Robert Mitchum, Richard Widmark, Ray Milland und Charles Laughton sowie bei den Damen insbesondere Barbara Stanwyck, Joan Crawford, Lauren Bacall und Rita Hayworth zu nennen. Bislang ist das Interesse am Film noir nicht erloschen. Bis heute erscheinen in freilich loser Folge Filme, die stilistische wie thematische Elemente dieser Stilrichtung aufgreifen und zitieren, z. B. The Good German (2006).
Die meisten der klassischen Vertreter des Film Noir sind budgetmäßig eher bescheiden und auch deshalb in Schwarz-Weiß gedreht. Wobei die Regisseure hierbei allerdings nicht einfach nur aus der Not eine Tugend gemacht haben. Farbfotografie ist anders, aber nicht einfach besser. Gerade der Schwarz-Weiß-Film ermöglicht in seiner speziellen Ästhetik in ganz besonderem Maße die so charakteristischen, auf den deutschen Stummfilmexpressionismus verweisenden, ausgeprägten Licht- und Schattenwirkungen des „Film noir“. Aber nicht allein der europäische Stummfilm hat hier unauslöschbare Spuren hinterlassen. So vielen dieser an sich so typisch amerikanisch anmutenden Filme haben aus dem Alten Europa stammende Emigranten (insbesondere aus Österreich und Deutschland) ihren Stempel aufgedrückt, wie der Schauspieler Peter Lorre oder die Regisseure Fritz Lang, Otto Preminger, Billy Wilder und William Dieterle.
Auf insgesamt fünf Titel hat Koch-Medias Film-Noir-Collection es derzeit gebracht. Hier sind zwar nicht die ganz berühmten Streifen vertreten, aber durchweg willkommene Ergänzungen der persönlichen Noir-Kollektion zu finden.
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