Kleine Klassikwanderung 48

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
26. Februar 2011
Abgelegt unter:
Special

Walter Braunfels: „Aus dem Leben der Heiligen Johanna“

Erinnern Sie sich noch an die exquisite Decca-Reihe „Entartete Musik“? Dann dürften Sie vermutlich den Namen Walter Braunfels (1882—1954) im Zusammenhang mit der Oper „Die Vögel“ zumindest schon einmal gelesen haben. Trotz Berufsverbotes und Entfernung aus seinen Ämtern blieb der in der Weimarer Republik sehr erfolgreiche halbjüdische Komponist nach der Machtergreifung im Lande. Im abgeschiedenen Domizil bei Überlingen am Bodensee, vom öffentlichen Leben fast völlig isoliert, entstand in den Jahren 1939—1943 sein letztes Bühnenwerk „Jeanne D’Arc — Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna“. Wenn im Zwischenspiel der Herzog de La Trémoille lamentiert: „[..…] Aus allen Löchern schlüpft es nun, was arm war, was erniedrigt tief, nach tausendjähr’gem Reich sich sehnt [..…]“, dann ist das kein Zufall. Das ebenfalls vom Komponisten stammende Libretto benutzt ein religiöses Sujet als Reflex, auch auf die Banalität des Bösen in jenen besonders dunklen Jahren der Deutschen Geschichte.

Infolge des über Jahrzehnte dogmatisch von der Avantgarde dominierten Musiklebens im Nachkriegsdeutschland erhielt die Musik von Walter Braunfels lange Zeit keine Chance. Und so musste die Oper nach ihrer Fertigstellung über 70 Jahre, noch bis ins Jahr 2008, auf ihre szenische Uraufführung in Berlin warten. Der Mitschnitt der konzertanten Uraufführung 2001 in Stockholm ist jetzt auf CD erschienen.

Belcanto sowie unmittelbar betörende Melodie findet sich hier zwar nicht. Allerdings macht „Jeanne D’Arc“ trotz ihrer anfänglich eventuell als etwas spröde empfundenen, gemäßigt modernen Tonsprache rasch Eindruck. Das ist nicht zuletzt den im Werk eine tragende Rolle spielenden, sehr vielfältig eingesetzten, noch am stärksten traditionell orientierten Chorpassagen geschuldet, die sich zum einen durch Innigkeit, zum anderen aber auch durch einige Teile von besonderer Klangfülle auszeichnen. So tritt z. B. bei Johannas Aufbruch nach Orléans (am Ende des 1. Teils, „Die Berufung“) und ebenso in der Krönungsszene vor der Kathedrale in Reims (2. Teil, „Der Triumph“) das groß besetzte, aber über weite Strecken eher durchsichtig agierende Orchester aus der Reserve und sorgt in Vereinigung mit den Chorstimmen für ausdrucksstarke Momente von hymnischer Kraft. Stilistisch spürt man in der insgesamt sehr packenden Musik vielfältige nachwagnerische Einflüsse, die von Hans Pfitzner und Franz Schmidt über Franz Schreker und Paul Hindemith bis zu Alban Berg reichen.

Das schwedische Radiosinfonieorchester unter Manfred Honeck und ebenso die Solisten sind voll engagiert bei der Sache. Allen voran Juliane Banse als sehr überzeugende, klangschöne Johanna. Der Aufnahmeort, die Stockholmer Berwaldhallen, stellt ein weiteres Mal seine vorzügliche Akustik unter Beweis — siehe auch die Kleine Klassikwanderung 41. Auch tontechnisch ist sehr überzeugend gearbeitet worden. Das recht transparente und voluminöse Klangbild des Mitschnitts ist erfreulicherweise praktisch nebengeräuschfrei. Wenn dann am Schluss eine Taube der Asche entsteigt und der Chor feierlich triumphiert: „Ein Wunder, ein Wunder, ein großes Wunder geschah!“, dann ist dank der mitreißenden Gesamtwirkung ein Opernerlebnis der Sonderklasse an seinem Ende angelangt.

Dieses Doppel-CD-Set (komplettes Libretto im Begleitheft inklusive) schippert nun gewiss nicht im Kielwasser des Starrummels des Opern-Mainstreams und wird wohl die Kassen kaum über die Maßen klingeln lassen. Für all diejenigen, die gern unerschlossenes musikalisches Terrain entdecken, ist diese Veröffentlichung gemacht. Sie zählt in jedem Fall zu den editorischen Topleistungen.

„Symphonic Fantasies“

Das vorliegende Album rückt ein aus Japan importiertes, seit 2003 nun auch deutsches Phänomen stärker ins Bewusstsein. Gemeint sind Sinfonie-Konzerte mit Musiken zu Computerspielen, die sich offenbar ausgezeichneter Beliebtheit erfreuen. Bemerkenswert ist dabei, dass sich die vorwiegend jugendlichen Besitzer der Spielekonsolen offenbar für breit sinfonisch angelegte Arrangements aus den ihre geliebten Computerspiele meist nur synthetisch begleitenden Kompositionen zu begeistern vermögen. Ist dies doch etwas, das bei dieser Altersgruppe sonst als (im weitesten Sinne) „Klassik“ mehrheitlich eher verpönt ist.

Nachdem die von 2003 bis 2007 zuerst im Rahmen der Leipziger Computerspielemesse „GC — Games Convention“ etablierten Konzerte abgesetzt wurden, ist der WDR eingesprungen, und die Konzerte finden entsprechend im Kölner Raum statt. Nachdem der „Hype“ der deutschen Spielemusikkonzerte zunächst eher im Verborgenen blühte, ist seit 2008 einiges in Bewegung geraten. Eine Folge davon ist der jetzt erstmalig durch ein renommiertes Label, die Decca, veröffentlichte Mitschnitt des Konzerts „Symphonic Fantasies“, das im September 2009 in der Kölner Philharmonie mit dem WDR Rundfunkorchester und dem Rundfunkchor unter der Leitung von Arnie Roth stattgefunden hat.

Hart an der Grenze zur Filmmusik bewegt sich diese Kompilation. Dort, wo sich Klassik und Filmmusik begegnen, das sind eben auch die klingenden fantastischen Welten der musikalischen Untermalungen für Videospiele (nicht ausschließlich) des japanischen Herstellers Square Enix. Von Star Wars bis Herr der Ringe, von David Arnold bis John Williams ist hier von fast allem etwas zu finden. Dabei kommen beim „es klingt wie“ auch diverse klassische Vorbilder aus dem Konzertsaal, z. B. die unverwüstliche Holst’sche Mars-Rhythmik aus „Die Planeten“ wieder zu Ehren. Sicher ist das hier zu Hörende letztlich eher epigonal denn neuartig oder ungewöhnlich, und allzu komplex sind die Musiken nun auch nicht angelegt. Aber das beeinträchtigt nicht den Charme, da die Musik innerhalb ihrer Grenzen handwerklich durchaus solide gefertigt und eben auch gut orchestriert worden ist. Entsprechend erhält das Aufkommen von Langeweile nur wenig Chancen.

Yoko Shimomura, Hiroki Kikuta, Yasunori Mitsuda und Nobuo Uematsu: Das sind die hier zu Wort kommenden japanischen Komponisten, wobei die das Konzertevent einleitende „Fanfare Ouverture“ vom Hauptorchestrator, dem Finnen Jonne Valtonen, stammt. Dazu finden sich im ansprechenden Begleitheft lesenswerte Informationen sowie ein etwas schwärmerischer einleitender Kommentar von Winfried Fechner, Manager des WDR Rundfunkorchesters Köln. Tontechnisch ist das Album trotz Live-Mitschnitt auf hohem Qualitätslevel.

Otto Nicolai: Orchestral Works, Vol. 1 & 2

Otto Nicolai einmal ganz anders: Vom Komponisten der melodienseligen komischen Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“, die neben Webers „Der Freischütz“ praktisch als Inbegriff der deutschen Romantik gilt, ist hier zwar das berühmte Paradestück, die Ouvertüre zu hören. Doch nach diesem geläufigen Einstieg (Vol. 1) ist auf den beiden Alben des MDG-Labels nur noch Ungewohntes aus der Feder des 1810 in Königsberg Geborenen vertreten. Wer nicht weiß, dass Otto Nicolai ein Faible für die italienische Belcanto-Oper besaß, den belehren die „Fantasie op. 25“ (Vol. 1) über Motive aus Bellinis Norma und die „Variations brillantes op. 26“ (Vol. 2) eines Besseren. Beides sind zeittypische elegante Virtuosenstücke, welche dem Solisten einiges abverlangen. Einen weiteren Einblick in den italienischen Stil Nicolais bietet die Ouvertüre zur Oper „Die Heimkehr der Verdammten“ (Vol. 2).

Auf der ersten CD finden sich neben der von Beethoven beeinflussten „Sinfonie D-Dur“ noch zwei weitere Ouvertüren von kirchlicher Thematik. Da ist einmal die zum 300-jährigen Bestehen der Universität Königsberg entstandene Kirchliche Fest-Ouvertüre über den Luther-Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“. In dieser steht die bekannte Choralmelodie im Zentrum eines aus drei Themen streng klassizistisch kunstvoll konstruierten Stücks. In der „Weihnachts-Ouvertüre über den Choral ,Vom Himmel hoch’“ des erst 23-jährigen Tonsetzers ist das bekannte Weihnachtslied dagegen nur eines mehrerer gleichberechtigter Themen innerhalb eines aus verschiedenen Formelementen in Teilen wiederum geschickt kontrapunktisch ausgeformten Satzes.

Neben Chopin und Schumann, die im vergangenen Jahr ebenfalls ihren 200. Jahrestag begingen, ist Nicolai zweifellos der am wenigsten Prominente. Von den überlieferten über 200 Kompositionen ist abseits der „Weiber“ (auch von denen meist nur die Ouvertüre) praktisch nichts im Konzertsaal vertreten. Dabei sei an die wichtige Rolle des Dirigenten Nicolai erinnert, dessen Wiener Philharmonische Konzerte nicht nur zur Gründung der heutzutage weltberühmten Wiener Philharmoniker führten. Sie setzten auch den Startpunkt für eine moderne Musik- und Konzertkultur, wie sie uns heutzutage geläufig ist. Sein früher Tod im Jahre 1849 ist sicher mitverantwortlich dafür, dass er heute eher im Schatten anderer steht. Zu Unrecht, wie die beiden hochwillkommenen MDG-Alben belegen, in denen sich seine Musik als souverän in der Handhabung der Formen, als kunstvoll gesetzt und ebenso gekonnt instrumentiert erweist.

Die Philharmonie Südwestfalen unter David Stern, sowie Johannes Pieper, Klarinette (Opus 26), Claudius Tanski, Klavier (Opus 25), und ebenso die Evangelische Kantorei Siegen liefern sehr beachtliche, keineswegs provinziell anmutende Interpretationen. Klanglich braucht man sich bei den audiophilen Produkten des MDG-Labels grundsätzlich nicht zu sorgen. Somit steht der lohnenden Entdeckung einiger der kaum geläufigen Facetten des Otto Nicolai nichts im Wege, oder?

„Bonjour Paris“

Albrecht Mayer, Solo-Oboist bei den Berliner Philharmonikern, serviert ein weiteres Mal klassische Appetithäppchen in gewohnt feinen Arrangements. Nach Bach, Händel und Mozart sowie venezianischen Klangfantasien geht es dieses Mal nach Paris und damit zugleich ins französische Mutterland der Oboe. Über rund 75 Minuten entführt die Kompilation den Hörer bevorzugt in spätromantische und impressionistische Klangwelten berühmter Komponisten wie Gabriel Fauré, Claude Debussy, Erik Satie und Maurice Ravel. Dabei ist die Mehrzahl der Kompositionen im Original nicht für Oboe gesetzt, musste entsprechend neu arrangiert werden. Neben sehr bekannten Stücken, wie der Pavane Faurés oder dem Clair de Lune Debussys, sind auch echte Entdeckungen vertreten, wie die „Fantaisie sur des thèmes populaires français“ von Vincent d’Indy oder „L’Horloge de Flore“ von Jean Françaix.

Dabei werden drei, selbstverständlich äußerst virtuos gespielte, Vertreter der Oboenfamilie, nämlich Oboe, Oboe d’amore und Englischhorn, mit dem begleitenden Orchester vereint, der Academy of St. Martin in the Fields unter Mathias Mönius.

Wer derartige Transkriptionen und Zusammenstellungen in erster Linie nach dem Genussprinzip und nicht allein als charttauglichen Marketingzauber oder sonstwie als Sakrileg empfindet, der wird hier überaus klangschön und klangsinnlich zugleich unterhalten. Dieses Album ist auch als gepflegte Hintergrundbeschallung tauglich, und das ist keineswegs wertmindernd gemeint.

J. S. Bach: Brandenburgische Konzerte

Die unter ihrem Leiter und Gründer, Sigiswald Kuijken, musizierende Klangformation „La Petite Bande“ wurde bereits 1972 ins Leben gerufen. Eine von möglichst werkgetreuen Aufführungstechniken bestimmte Darstellung Alter Musik ist das erklärte Ziel, wobei sich der Name und die Besetzung des Ensembles von Lullys Orchester am Hofe des Sonnenkönigs, Ludwigs XIV., herleiten.

Kuijken betont im informativen Text des Begleitheftes, wie sehr alles im Fluss ist, und erläutert, welche Fortschritte der Wissensstand um die historische Aufführungspraxis gemacht hat. Davon profitiert natürlich die aktuelle Einspielung. Da ist einmal das von Kuijken selbst gespielte „Barock-Cello“ (Violoncello da spalla), das bereits zu Lebzeiten Bachs gebräuchlich war. Ein weiteres besonders markantes Detail sind die hier zu hörenden ventil- und klappenlosen Naturtrompeten sowie -Hörner. Sie verzichten nämlich auf die vielfach üblichen modernen Intonations-(Hilfs-)bohrungen, welche zwar das Spiel schwieriger Partien sehr erleichtern, was aber zwangsläufig die Luftsäule des jeweiligen Instrumentes und damit zugleich den Klang beeinflusst.

Sicher ist die nun vorliegende Einspielung der berühmten Brandenburgischen Konzerte Bachs, die zugleich auch die dritte dieses Ensembles ist, unter der Vielzahl der historisierenden Darstellungen nicht konkurrenzlos. Sie bereichert allerdings das Repertoire um eine weitere interessante Facette, denn das so Geläufige wird hier schon merklich anders akzentuiert interpretiert als vielfach zu hören. Außerdem verleiht die betont solistische, eher kammermusikalisch ausgedünnte Herangehensweise den meist im satteren, üppigeren Concerto-Grosso-Stil dargebotenen Brandenburgischen Konzerten in dieser Wiedergabe eine bemerkenswerte Klarheit in der Stimmführung, eingebettet in ein Klangbild von faszinierender Transparenz.

Auch klangtechnisch steht alles zum Besten. Freunde des hochauflösenden Raumklanges sind außerdem durch das abwärtskompatible SACD-Format gleich optimal mitversorgt. Damit verbleibt als Fazit die Feststellung: Ein Ohrenschmaus für die Liebhaber barocker Musik in höchstwertig ausgeführter historischer Aufführungspraxis.

2 x „Herbert von Karajan conducts“ auf Testament

Im Umfeld wie im Nachklang des 100. Karajan-Geburtstages sind eine Reihe von Archivschätzchen ans Licht des Tages befördert worden, die leider überwiegend klanglich eher enttäuschend sind. Da schneiden diese beiden Alben des Labels Testament ganz erheblich besser ab. Die Live-Mitschnitte der BBC, aufgenommen während der 1972er London-Reise des Dirigenten und seines Orchesters, der Berliner Philharmoniker, sind technisch erfreulicherweise auf sehr beachtlichem Niveau, wenn auch klangtechnisch nicht ganz optimal geraten. So klingt das Orchester schon etwas entfernter als bei einer guten Studioaufnahme gewoht. Aber davon abgesehen ist das Klangbild klar und recht transparent.

Das sind gute Voraussetzungen, um die feinen Mitschnitte zweier in der Royal Festival Hall gegebener Konzerte ohne Vorbehalte zu genießen. Eine straff wie geschmeidig ausmusizierte Beethoven’sche Pastorale wird hier mit einem virtuos interpretierten Strauss’schen Heldenleben kombiniert. Im zweiten Konzert kontrastiert ein ungemein präzise und zugleich klangsüffig gegebenes Mozart’sches Divertimento KV 287 mit einem in den rhythmischen Passagen fulminant und in den ruhigen Teilen klangsinnlich, mit impressionistischem Einschlag interpretierten „Sacre du printemps“ von Strawinsky. Nach dem Applaus zu urteilen waren die Zuhörer bei beiden Konzerten hörbar angetan, beim Strawinsky gerieten sie sogar unüberhörbar aus dem Häuschen.

Somit bereitet es beträchtlichen Spaß, diese gut klingenden Archivschätze rarer Livemitschnitte des legendären Maestros anzuhören, stammen doch die vorliegenden Aufnahmen aus den besten Jahren seines Engagements mit den Berliner Philharmonikern. Da mag sich mancher vielleicht die Mühe des Vergleichens der jetzt insgesamt drei verfügbaren Karajan-Aufnahmen (1964, 1972 und 1974) des Sacre machen und sich anschließend in Anbetracht der Qualität jeder einzelnen — ähnlich wie der Rezensent — die Frage stellen, ob die oftmals erfolgende besondere Hervorhebung der dritten und letzten nicht doch etwas übertrieben ist.

Johan Halvorsen, „Orchestral Works, Vol. 1 & 2“

Johan Halvorsen (1864-1935) ist nicht zum ersten Mal Gast auf Cinemusic.de — siehe dazu „Eine nordische Rhapsodie, 2. Teil“. Die Chandos-Werbung bezeichnet den Komponisten originellerweise als eines der bestgehüteten Geheimnisse der norwegischen Musik. Und da ist leider recht viel dran. Immer noch dürfte Halvorsen (soweit überhaupt) in erster Linie über sein effektvolles Paradestück, den Marsch „Einzug der Bojaren“, geläufig sein. Wobei dieses effektvolle Showpiece auch dem Freund Edvard Grieg sehr gut gefiel, dem Komponistenkollegen gleicher Nationalität, in dessen Schatten Halvorsens Musik außerhalb Norwegens immer noch steht.

Als Geiger begann sein Aufstieg. Dabei begeisterte der junge Mann auch musikalische Gönner derart, dass er am Leipziger Konservatorium bei Adolf Brodsky seine Kenntnisse der Violine vervollkommnen konnte. Späterhin studierte er in Berlin bei Albert Becker — bei dem auch der ungleich berühmtere Jean Sibelius studiert hat — und legte damit den Grundstein seiner Komponistenkarriere.

Der bereits genannte „Einzug der Bojaren“ (Vol. 1) zeigt das Talent Halvorsens, wirkungsvolle Programmmusik und damit zugleich stimmungsvolle Theatermusik schreiben zu können, ein Aspekt, der in seinem Schaffen einen sehr breiten Raum einnimmt. Das belegt die hier zu hörende Suite aus der Komödienmusik zu „Mascarade“ (Vol. 1), die, neben ihrer Spritzigkeit im humorvollen Ausdruck, durch die glanzvoll ausgeführte Orchestration und ebenso durch inspirierte melodische Einfälle hervorsticht. Entsprechendes gilt auch für die ebenfalls für ein Theaterstück von Holberg entstandene „Suite ancienne“ (Vol. 2). Zwar wirkt diese Musik nicht komödiantisch, aber sie zeigt, wie geschickt ihr Schöpfer auch alte Musikstile in seiner romantischen Musik wiederbeleben konnte, etwas, das auch bei „Mascarade“ spürbar wird. Den Violinvirtuosen zeigen die reizenden „Drei norwegischen Tänze“ (Vol. 2), „La Mélancolie“ (Vol. 1) sowie die gefühlvolle „Air novégien“ (Vol. 2), das „Andante religioso“ (Vol. 1) und „Chant de la Veslemöy“ (Vol. 2), Stücke, die den Hörer auch durch ihren so galant eingefangenen Volkston unmittelbar für sich einnehmen.

Und dann sind da noch die beiden Sinfonien, wovon der Erstling (Vol. 1) erst im recht reifen Alter von 59 Jahren entstand. Dafür entstand die Zweite, „Fatum“ (Vol. 2), bereits ein Jahr später. Beide im Gestus zweifellos eher rückwärtsgewandten Werke stehen im Ausdruck nicht nur der deutschen Schule, sondern auch Borodin, Tschaikowsky und Dvořák recht nah. Sie zeigen Halvorsen ein weiteres Mal als souveränen, tadellosen Handwerker und zugleich inspirierten Melodiker.

Interpretiert vom Bergen Filharmoniske Orkester unter Neeme Järvi: Das ruft Erinnerungen an glanzvolle Veröffentlichungen aus den frühen Jahren des Labels hervor. Auch hier steht diese Kombination erneut für qualitativ hochwertige, zupackende wie leidenschaftliche Interpretationen. Ebenso tadellos ist die aufnahmetechnische Seite zu beurteilen, die den geschliffenen Orchesterklang überaus natürlich und räumlich vorbildlich gestaffelt eingefangen hat.

So bleibt abschließend die Hoffnung auf in Bälde mindestens noch ein Vol. 3, um wenigstens die drei beachtlichen Sinfonien dieses entdeckenswerten Tonsetzers innerhalb dieses feinen Chandos-CD-Zyklusses komplett zu vereinen.

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