Kleine Klassikwanderung 2

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
11. Dezember 2000
Abgelegt unter:
CD, Hören, Klassik, Special

Fantasy Dream

Auch die „zweite kleine Klassikwanderung“ beginnt, zum Einstimmen, wieder mit einer Telarc-Film-Musik-Kompilation, „Fantasy Dream“, die Erich Kunzel mit dem Cincinnati Pops Orchestra eingespielt hat. Wie schon der Titel des CD-Albums andeutet, handelt es sich hierbei um durchweg ruhigere Musik, ein Stück abseits des schmetternden Heroismus den Kunzel üblicherweise gern und gekonnt serviert. Auf dem Programm stehen Themen und Suiten aus Forrest Gump, Aus der Mitte entspringt ein Fluß, Rob Roy, Jerry Maguire, Legenden der Leidenschaft, Evita, Die Brücken am Fluß, Pocahontas, The Mission, Free Willy, Forever Young, Cinema Paradiso, Rudy, Chaplin, Ein verrücktes Paar II, Bugsy, Schindlers Liste und Gettysburg. Zum überwiegenden Teil dominiert hier die Streicher-Sektion des Cincinnati Pops Orchestra mit zusätzlichen Instrumentalsoli von Gitarre, Klavier und Violine, aber auch seltener zu Hörendes, wie die keltische Flöte (in Rob Roy) und das Flügelhorn (in Bugsy) werden geboten. Ein Teil der vertretenen Stücke ist schon ein wenig zum Träumen geeignet, hierzu zählen Forrest Gump, Aus der Mitte entspringt ein Fluß, Rob Roy und Evita. Insgesamt ist das Programm auch dieser Telarc-Kompilation spieltechnisch gelungen, an einigen Stellen sind mir die Arrangements jedoch ein wenig zu poppig geraten, was letztlich aber Geschmacksache ist. Zu den Highlights gehören die schmissige Abspann-Musik aus Ein verrücktes Paar II, die keltisch geprägten Teile aus Rob Roy sowie das elegische Thema mit Soli von Violine und Klavier aus Legenden der Leidenschaft.

Es liegt sicher an der Auswahl der Stücke, die eben primär gefällige Melodien und nur vereinzelt orchestrale Raffinesse haben, dass der Sampler nicht ganz die Kraft der bereits an anderer Stelle vorgestellten erreicht. Trotz kleinerer Einschränkungen bekommt der Käufer eine Kollektion solider angenehmer Unterhaltung geboten und dazu eine gewohnt pathetische Final-Musik (hier aus Gettysburg).

Gerd Albrecht erklärt: Der Zauberlehrling, Peter und der Wolf, Die Moldau

Die drei preiswerten KOCH-SCHWANN-CDs stehen zwar unter dem Motto „Klassik für Kinder“, bieten aber auch für klassikerfahrene Erwachsene mancherlei unbekannte und interessante Details in hinlänglich bekannt gewähnter populärer klassischer Musik.

Die drei CDs präsentieren (im wahrsten Wortsinn) die Tonspur und damit den Soundtrack zu einer Reihe von Live-Moderations-Konzerten, die der Dirigent Gerd Albrecht in den achtziger Jahren für das Fernsehen aufgenommen hat. Gerd Albrecht hat ein Händchen dafür, ein nicht speziell vorgebildetes Publikum in den Aufbau und die Klangwelt des jeweiligen Stückes kompetent und leichtverständlich einzuführen. Es gelingt ihm ebenso, beim Hörer ein Verständnis auch für mancherlei nicht unmittelbar auf der Hand liegende musikalische Zusammenhänge erfahrbar zu machen. Jedes Werk wird dazu zuerst Schritt für Schritt erklärt, das Gesamtklangbild in Schichten zerlegt vorgeführt und damit Aufbau und Struktur der Musik sinnlich erfahrbar gemacht und verdeutlicht. Vieles bis dahin nur unbewusst Wahrgenommene bekommt hierdurch Transparenz. Außerdem wird so mancherlei musikalischer Kniff und auch verborgene Schönheit der vorgestellten Musik erkennbar.

Im Anschluss wird das jeweilige Musikstück dann nochmals vollständig – ohne Unterbrechung – gespielt, wobei der Hörer vieles durch seinen geschärften Klangsinn jetzt erstmals bewusst heraushören kann – ein Gewinn für Zuhörer (fast) jeden Alters. Liebevoll gestaltet sind auch die schön illustrierten Booklets, die in knapper Form die Erklärungen zur Musik nochmals zusammenfassen.

Die drei auf den drei KOCH-CDs erklärten Werke gehören zu den Glanz-Stücken des Repertoires in Sachen Programm-Musik. Paul Dukas (1865-1935) sinfonisches Scherzo „Der Zauberlehrling“ ist eine orchestertechnisch brillante und dabei witzige und geistvolle Vertonung von Goethes gleichnamigen Gedicht und bereits in Disneys Fantasia (1940) auch als Filmmusik eingesetzt worden. „Peter und der Wolf“ von Sergej Prokofieff (1891-1953) ist ein reizendes Musikstück mit Erzähler, das schon ohne zusätzliche Erläuterungen viele seiner originellen orchestralen Effekte und Schönheiten preisgibt. Bedrich Smetana (1824-1884), ein Großer der tschechischen Musik, verlieh in einem Zyklus sinfonischer Dichtungen – „Mein Vaterland“ – den Schönheiten und der Geschichte seiner böhmischen Heimat kunstvoll musikalischen Ausdruck. „Die Moldau“ ist hieraus die mit Abstand bekannteste Tondichtung. Das wundervolle Musikstück ist ein Paradebeispiel für musikalische Illustrationstechniken und Bildhaftigkeit in Musik: Dieser Hauptfluss des heutigen Tschechiens entspringt aus zwei Quellen, die durch Flöten- und anschließendem Klarinetteneinsatz versinnbildlicht werden, sich musikalisch kunstvoll vereinigen und raffiniert zum machtvollen großen (Klang-)Strom ausgebaut werden, der schließlich in einer glanzvollen orchestralen Steigerung Prag erreicht.

Johann Strauß, Sohn

Aus der Wiener Strauß-Familie ist besonders Johann Strauß, Sohn als der „Walzerkönig“ bekannt und weltberühmt geworden. Wohl keinem Leser dürfte der Name unbekannt sein, noch dürfte er nicht zumindest einige der Orchesterwerke dieses Künstlers (sogar mehr als einmal) gehört haben – eventuell auch in Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum (1967). Aus dem Gedächtnis können allerdings die Wenigsten ohne Schwierigkeiten bis zu 10 Werke aufzählen: Dass es vom Walzerkönig insgesamt über 500 Kompositionen gibt, ist auch heute – kurz nach dem 100-jährigen Srauß-Jubiläum – noch nicht Allgemeingut. All diese Werke sind nicht nur sehr gut anhörbar und handwerklich überaus sauber gefertigt, viele der wenig bekannten Stücke stehen außerdem ihren berühmten Pendants qualitativ kaum oder überhaupt nicht nach. Mal witzig überschäumend und voller Lebensfreude, dann auch melancholisch und besinnlich; immer von herrlich melodischen Einfällen geprägt und faszinierend instrumentiert: diese Art von Musik kann man wohl nur als zeitlos schön bezeichnen. Alles in allem handelt es sich hier um edelste Unterhaltungsmusik im besten Sinne. Man kann diese sowohl hervorragend nebenbei hören, als auch – wenn man genauer hinhört – genießen, weil man spürt, wie sorgfältig und nahezu durchweg inspiriert hier gearbeitet worden ist. Obwohl zweifellos ein Vielschreiber, hat Johann Strauß, Sohn ein sehr solides handwerkliches Niveau niemals unterschritten!

Er war der Berühmteste der Strauß-Dynastie, allerdings darf man die Verdienste seines Vaters (Johann Strauß, Senior) und auch seiner Brüder – insbesondere des sehr begabten Josef – nicht unberücksichtigt lassen. Im Œuvre dieser Komponisten finden sich Tänze und Märsche neben Kompositionen, die der sinfonischen Dichtung nahe stehen: Im Zentrum stehen allerdings die vielfältigen Walzer. Die Strauß-Familie hat besagten Walzer zwar nicht erfunden, aber ihn zu etwas unverwechselbar und typisch Österreichisch-Wienerischem gestaltet und dazu musikalisch zum großen sinfonischen Konzertwalzer veredelt.

Die Popularität des „Walzerkönigs“ war bereits zu seinen Lebzeiten enorm. Diese war durchaus nicht auf den Adel und das an Bedeutung zunehmende Bürgertum beschränkt, sondern ging quer durch alle Schichten, und das nicht allein in Österreich. Auch in den Ländern, die Strauß bereist hat jubelten ihm die Massen zu. Ein besonderer Triumphzug war seine USA-Reise von 1872: Strauß dirigierte in Boston ein 1000-Mann-Orchester vor rund 50.000 Zuhörern! Der Komponist war also ein Massen-Idol des 19ten Jahrhunderts, vergleichbar mit Idolen der Pop-Musik unserer Tage – er starb als Millionär.

Straussfest und Straussfest II

Die beiden Telarc-CDs (Achtung, die Amerikaner kennen kein „ß“ und schreiben dafür „ss“) enthalten ein hervorragendes Einsteiger-Programm, das überwiegend Stücke von Johann Strauß, Sohn, aber auch Verschiedenes von Josef und Eduard Strauß zu Gehör bringt. Natürlich darf auch das berühmteste Stück von Johann Strauß, Vater, der „Radetzky Marsch“ nicht fehlen. Erich Kunzel und das Cincinnati Pops Orchestra spielen diese Musik schon etwas anders als von den Neujahrskonzerten in Wien gewohnt. Auch hier wird – analog den Filmmusik-Alben – besonderer Wert auf Effekt und Schmiss gelegt; wobei die Explosion der „Explosionspolka“ und die Schüsse der „Freikugeln“ denn auch besonders herzhaft krachen. Dies geht aber sicherlich nicht auf Kosten der Spielkultur oder Eleganz des Vortrages: Die Darbietungen werden spieltechnisch sämtlich auf hervorragendem Niveau geboten. Was man als besser empfindet, die eher typisch wienerisch charmante Art oder die amerikanische, ein Stück mehr gelackte effektreißerische Variante, ist reine Geschmacksache. In jedem Fall bietet dieses Duo (auch zum Sonderpreis als Doppel-CD-Set erhältlich) ein zünftiges Hörvergnügen – wer die amerikanische Art, Märsche (z.B. von John Williams) zu interpretieren, mag, der findet hier eine ebenso effektvolle Alternative zu den bekannten Neujahrskonzerten.

Marco Polos „Johann Strauß, Sohn Edition“

Bis in die zweite Hälfte der achtziger Jahre lag der auf Tonträger vertretene Anteil des Œuvres von Johann Strauß, Sohn im Bereich von etwa 50 Stücken. Dem Marco-Polo-Label gebührt das Verdienst hier eine große Lücke geschlossen zu haben: Zwischen 1988 und 1999 wurden auf insgesamt 52 CDs sämtliche erreichbaren Werke des Walzerkönigs in durchweg sehr guten Einspielungen mit renommierten Orchestern aus Österreich, Polen, Tschechien und der Slowakei vorgelegt. Nicht nur wer an den beiden Telarc-Straußfesten besonderen Gefallen gefunden hat, sollte diese edle Edition einmal näher in Augenschein nehmen.

Johann Strauß: Kommentiertes Werkverzeichnis

Franz Mailer verfasste schon die Booklet-Texte zur Marco-Polo-Gesamtausgabe der Straußschen Orchesterwerke. Auf der Basis dieser auch für den musikalischen Laien leicht verständlichen und hervorragend informativen Texte entstand ein (teilweise erweitertes) umfassendes, sehr detailliertes Standardwerk über das äußerst umfangreiche musikalische Vermächtnis eines Meisters der Unterhaltungsmusik des neunzehnten Jahrhunderts.

Franz Mailers Buch ist aber nicht nur ein sorgfältig erarbeitetes Werkverzeichnis, sondern deutlich mehr: Viele der Musik-Stücke des Johann Strauß haben eine geradezu faszinierende kleine Geschichte. Vielfach weist diese zwar auf persönliche Erlebnisse im Leben des Komponisten hin, oft aber auch auf damals aktuelle gesellschaftliche und tagespolitische Ereignisse. Ein Studium des äußerst flüssig lesbaren Buches spiegelt nicht nur die vielfältigen Facetten des alten Wien, sondern führt den Leser auch hinaus in die Teile der Welt, die Strauß auf Tourneen mit seiner Kapelle bereist hat: z.B. an den Zarenhof in St. Petersburg, in das viktorianische London und auch das ebenso Strauß-begeisterte amerikanische Boston. In den Entstehungsgeschichten spiegeln sich außerdem technische Entwicklungen der Zeit wider (z.B. „Telegraphische Depeschen, Walzer“; „Durch’s Telephon, Polka“), aber auch tragische politische Geschehnisse zeigen Auswirkungen, wie die Folgen der Niederlage gegen Preußen im Jahr 1866.

Franz Mailer entwirft ein faszinierend-vielfältiges Bild zeitgeschichtlicher Zusammenhänge und auch vom Lebensgefühl einer Epoche, für die diese erlesene Unterhaltungsmusik besondere Bedeutung hatte. Der Autor wahrt jedoch stets die Balance, zwischen dem Vermitteln der interessanten Entstehungsgeschichte und der herrlichen Musik selbst. Es gelingt ihm stets, den Leser auf das jeweils beschriebene Stück neugierig zu machen. Franz Mailers Buch ist nicht nur für diejenigen von Interesse, die die komplette Marco-Polo-Edition bereits haben oder sich dafür konkret interessieren; auch wer einfach mal einen umfassenden und leicht verständlichen Einblick in das Musik-Schaffen des Künstlers und seine Zeit bekommen möchte, dem sei das mit viel Liebe zum Metier verfasste Buch wärmstens empfohlen.

Waltz Reflections

Johann Strauß, Sohn wurde nicht nur von den meisten seiner Zeitgenossen und Komponisten-Kollegen – auch denen sehr unterschiedlicher Couleur – geschätzt. Selbst die Vertreter der sogenannten „Neuen Wiener Schule“, Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton Webern bilden da keine Ausnahme: Sie haben ihm sogar klingende Referenz erwiesen. Die von den Begründern der Atonalität und Zwölftonmusik angefertigten Bearbeitungen sind für ein Kammerensemble von sechs bis acht Spielern (Streichquartett oder Quintett und wahlweise ergänzt mit Harmonium, Klavier, Flöte und Klarinette) gesetzt. Entstanden sind äußerst gelungene, subtile und gerade durch ihre Intimität besonders reizvolle Ergänzungen zu den bekannten breitorchestralen Versionen. In manchem handelt es sich hier aber nicht bloß um versiert angefertigte andere Arrangements, sondern speziell in Schönbergs Bearbeitung des Kaiserwalzers ist weniger Kaffeehaus-Atmosphäre, sondern „das Neue“ besonders deutlich spürbar.

Der Komponist greift hier auf seine „Klangidee der solistischen Instrumentation“ aus der ersten Kammersinfonie zurück. Hier ist es nicht mehr der Mischklang des spätromantischen Orchesters, sondern die reine Instrumentalfarbe, die sich strikt von ihrer klanglichen Umgebung abhebt. Die hierdurch besonders deutlich wahrnehmbaren einzelnen Stimmen machen dieses Stück besonders reizvoll. Originellerweise verwob der musikalische Revolutionär Schönberg feinsinnig und überaus kunstvoll den Melodieanfang der Hayden-Hymne „Gott erhalte Franz den Kaiser“ mit der Straußschen Musik. Der Kaiserwalzer gerät somit endgültig zum Walzer des Kaisers; er ist aber auch Höhepunkt dieser insgesamt sehr empfehlenswerten CD.

Richard Strauss

Der bayerische Komponist Richard Strauss (1864-1949) entstammte einer musikalischen Münchner Familie. Richard Strauss – der nicht mit dem Wiener Walzerkönig verwandt ist – gilt als einer der herausragenden Opernkomponisten des 20. Jahrhunderts. Seine zumeist üppige und äußerst farbige Tonsprache baut auf den Errungenschaften Richard Wagners auf und steigert das vom großen Vorbild Übernommene überaus wirkungs- und glanzvoll. Das Gesamtwerk ist stilistisch komplex und vielfältig: die Stilvielfalt reicht von üppiger Spätromantik zum Expressionismus, über den Jugendstil hin bis zur Neoklassik.

Auch von Richard Strauss wurde die Walzer-Form in seinen Balletten und Opern häufiger genutzt und dabei raffiniert und charakteristisch gestaltet. Daher möchte ich aus der von KOCH-SCHWANN produzierten CD-Serie „Der unbekannte Richard Strauss“ hier einen für den Filmfreund besonders interessanten Titel vorstellen. Vol. 5 („Der Walzerkönig“) zeigt den Münchner auf den Spuren der Wiener Strauß-Dynastie. Geboten wird ein klangschönes und melodienreiches Programm, das von den üppigen Opern-Walzern aus „Der Rosenkavalier“, der sanften Walzerszene aus „Intermezzo“, den Ballett-Walzern aus „Schlagobers“, der amüsant pfiffigen Tanz-Nummer im dreiviertel-Takt aus „Der Bürger als Edelmann“, bis hin zum abgeklärten und besinnlichen „Gedächtnis-Walzer München“ für die Vaterstadt reicht.

Der Walzer in der Film-Musik; Oscar Straus „His most famous Works“

Die Verwendung des Walzers in der Tonfilmmusik ist sehr vielfältig und findet sich nicht nur in klassischen Film-Partituren, sondern tritt als zeitlos schwungvolle und zugleich angenehm melodische Musik auch immer wieder in zeitgenössischen Kino-Kompositionen auf, so z.B. in der Musik zu Chicken Run • Hennen Rennen. Vielen Lesern dürfte auch die Verwendung des Donauwalzers von Johann Strauß in Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum (1967) geläufig sein.

Zu den filmhistorisch berühmtesten Walzern dürfte der des greisen Oscar Straus (1870-1954, nicht verwandt mit der Strauß-Dynastie) zum Film Der Reigen (1950) von Max Ophüls gehören. Hier wird der Walzer als Tanz zum musikalischen Symbol für die Unzulänglichkeit des Menschen und seiner Gefühle im „Reigen der Liebe“. Der Reigen-Walzer von Oscar Straus gehört zu den letzten musikalischen Blüten des Wiener Walzers im vergangenen Jahrhundert. Ebenfalls auf Marco Polo erschien 1993 eine mit rund 70 Minuten gut bestückte Oscar-Straus-Kompilation „His Most Popular Works“, die auch diesen schönen Walzer enthält.

The Great Waltz

Diese zum Großteil filmharmonische Kompilation beleuchtet die wichtigsten Stilrichtungen, die für die Verwendung des Walzers in der Tonfilmmusik besonders bedeutend waren. Altmeister Max Steiner ordnete seinen Heroinen besonders gerne üppige Walzerthemen zu und im großen Ball-Walzer aus Jezebel • Jezebel – Die boshafte Lady (1938) steht er sowohl dem Münchner Strauss als auch den Wiener Sträußen nahe. Sehr reizvoll sind auch Dimitri Tiomkins Arrangements zur verfilmten Strauß-Film-Biografie The Great Waltz • Der große Walzer (1938), in der pfiffig originaler Strauß und Tiomkin-typisches einander abwechseln aber auch miteinander verwoben sind. Erich Korngolds „Flirtation“ aus The Prince and the Pauper • Mit eiserner Faust (1937) hat unverkennbar Wiener Charme. Die vom Münchner Richard Strauss geprägte Walzer-Abart ist hier mit einem der Rosenkavalier-Walzer vertreten und tritt besonders deutlich hervor in einem von Waxmans Walzern zu Hotel Berlin (1945). Im Bereich des unterschwellig Bizarren angesiedelt ist der ebenfalls Richard Strauss nahe stehende Walzer im „Main Title“ der Musik zu The Boys from Brazil (1979) von Jerry Goldsmith – nicht auf dieser CD enthalten! Ein weiteres edles Beispiel für Kinowalzer liefert Waxman – ebenfalls nicht auf dieser CD! – in der Eröffnungssequenz von Mr. Skeffington (1944), wo das Walzerthema einen ausgefeilten Variations-Zyklus durchläuft.

Daneben gibt es auf dem Album den Typus des ebenfalls klassischen englischen Walzer in Murder on the Orient Express • Mord im Orientexpress (1974). Ebenfalls nicht auf dieser CD: In etwas anderer Form hat auch Max Steiner diese Form des Walzers häufiger in den britisch geprägten Kostümstoffen seiner Ära verwendet: z.B. in The Charge of the Light Brigade (1936) oder The Lost Patrol (1934). Die französische Walzer-Variante im „Paris Waltz“ (typischerweise mit Akkordeon) aus Leonard Bernsteins charmant-schmissiger Opern-Parodie „Candide“ ist ebenso vertreten, wie Herrmanns eigenwilliger, melancholischer „Memory Waltz“ aus dem Film Snows of Kilimanjaro (1952).

Neben diesen klassischen Formen der Walzermusik ist der musikalische Impressionismus mit seiner visionär wirkenden Orchesterfantasie von Maurice Ravel „La Valse“ – ebenfalls auf der CD enthalten – für den Film von großer Bedeutung geworden. Dieses spiegelt sich nicht nur in der auf dem Album vertretenen großen Ballszene aus Miklos Rozsas Madame Bovary • Madame Bovary und ihre Liebhaber (1949) wider, sondern z.B. auch in Jerry Goldsmith Musik zu Legend • Legende (1984) – letztere Musik ist nicht auf dieser CD! Besonders im klassischen Kino-Film (aber auch in Oper und Operette) dient der Walzer meist als Metapher für „die gute alte Zeit“ – in der Regel für das 19te Jahrhundert. In modernisierter auch vom Impressionismus beeinflusster Form knüpfen an diese Tradition die „Night Waltzes“ aus dem Musical „A little Night Music“ von Stephen Sondheim an. Frederic Loewes reizend nostalgische Musik zum Filmmusical Gigi (1958) verschmilzt in ihren Walzern die Einflüsse von Johann Strauß und Richard Strauss mit denen Ravels.

Sergej Prokofieffs Walzerauffassung basierte auf den Konzert-Walzern Tschaikowskys und Glasunows – deren entferntes Vorbild die Kompositionen der in Russland sehr beliebten Strauß-Dynastie waren – gibt sich aber deutlich moderner und eigenwilliger, mit einer Neigung zum Grotesken und Unheimlichen. Die CD präsentiert den Walzer aus dem Ballett „Cinderella“. Diese Form inspirierte beispielsweise auch John Williams und Joel McNeely (siehe hierzu auch Shadows of the Empire).

Fazit: Die zweite Klassik-Wanderung stellt als Auftakt das Erich-Kunzel-Filmmusik-Album „Fantasy Dream“ vor und konzentriert sich im Bereich Klassik auf Komponisten, die für die sinfonische Entwicklung und Gestaltung des Walzers besonders bedeutend waren: die Wiener-Strauß-Dynastie, Oscar Straus und der Münchner Richard Strauss. Daneben gibt es drei von Gerd Albrecht geleitete Moderationskonzerte, die sich gekonnt bekanntem Klassik-Repertoire widmen und tiefere musikalische Zusammenhänge auch häufig gespielter Stücke leichtverständlich vermitteln. Den Abschluss bildet das überwiegend aus charakteristischen Film-Walzern zusammengestellte Album „The Great Waltz“, das interessante Hör-Beispiele für die wichtigsten Stilrichtungen des Walzers (überwiegend) in der Kino-Musik präsentiert.

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