Kleine Klassikwanderung 10: Nino Rota, Teil 1

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
24. Dezember 2003
Abgelegt unter:
Special

Nino Rota erblickte das Licht der Welt im italienischen Mailand, am 3. Dezember 1911. Sein engstes familiäres Umfeld war sehr musikalisch; seine Mutter war Pianistin und Tochter eines Komponisten. Bereits früh entwickelte der Knabe eigene musische Fähigkeiten und nahm frühzeitig Musikunterricht. Mit acht Jahren schrieb er seine ersten Kompositionen und als Zwölfjähriger erlangte er durch die Aufführung eines eigenen Oratoriums „Die Kindheit Johannes des Täufers“ den Ruf eines Wunderkindes.

Die New York Times titelte dazu sogar „The Mozart of the 20th Century“ und für den jungen Rota wurde der Erfolg zum Sprungbrett, er durfte ins Mailänder Konservatorium eintreten. Nach einem kurzen Studium bei Giacomo Orefice und Ildebrando Pizetti wechselte der halbwüchsige Rota im Jahr 1926 an das Konservatorium in Rom, studierte dort bei Alfredo Casella und erhielt 1930 sein Kompositions-Diplom von der Accademia Nazionale di Santa Cecilia.

Auf Anraten des Dirigenten Arturo Toscaninis ging der junge Rota von 1931 bis 1932 an das Curtis Institute in Philadelphia, um seine Studien in Komposition (bei R. Scalero) und Dirigieren (bei Fritz Reiner) zu vervollkommnen. Während dieses Aufenthaltes lernte er nicht nur Aaron Copland kennen, er entdeckte für sich auch die amerikanische Volksmusik und die Musik Gershwins. Daneben lernte Nino Rota aber auch die Hollywood-Filme kennen, eine Begegnung mit Folgen.

Nach seiner Rückkehr nach Mailand erlangte er 1937 seinen Hochschulabschluss mit einer Dissertation über Gioseffo Zarlino (1517-90), einen venezianischen Komponisten und führenden Musiktheoretiker seiner Epoche. Im selben Jahr 1937 übersiedelte er in den äußersten Süden Italiens, nach Taranto, und übernahm an der dortigen Musikschule einen Lehrstuhl. Rota tat dies bewusst an einem Ort abseits der von experimenteller Unruhe geprägten Zentren des italienischen und internationalen Musiklebens. Hier, wo kaum jemand hin wollte, fand er das, was er suchte: einen Platz in der Isolation, abseits der avantgardistischen Zeitströmungen, der ihm zugleich ein Schaffen in bescheidener ökonomischer Unabhängigkeit garantierte. Im Jahr 1939 erhielt er einen Lehrauftrag am Konservatorium in Bari. Dort unterrichtete er zunächst Komposition und Harmonielehre. Im Jahr 1950 avancierte er zum Institutsdirektor, eine Position, die er bis 1977 innehatte.

Nino Rotas Musikstil reflektiert im neoklassizistischen Gestus das 18. und 19. Jahrhundert, ist dabei vorbehaltlos melodisch orientiert und in seinen klaren Harmonien eindeutig abseits von den oftmals harsch-dissonanten Klängen der Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Seine klangschöne und meist unmittelbar ansprechende Musik ist zwar relativ leicht zugänglich, dabei aber niemals von simpler Machart. Vielmehr verrät sie großes handwerkliches Können und zugleich sowohl souveränes Wissen um die Tradition als auch in der Umsetzung ausgezeichnetes Gespür für Form und Stil.

Das kompositorische Œuvre Nino Rotas umfasst Orchesterwerke, Kammermusik, Opern, Sakralwerke und Oratorien sowie Funk- und Bühnenkompositionen, die in Struktur und Aufbau sämtlich der Tradition verpflichtet blieben. Zwar feierte der Komponist mit seinen Werken besonders in Italien zum Teil beachtliche Erfolge, da er sich aber einer modernistischen Klangästhetik konsequent verweigerte, blieb er von der progressiven Musikkritik nahezu unbeachtet. Besonders nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geriet er nach und nach ins Fadenkreuz der Dogmatiker der Neuen Musik. Eine ungnädige Kritik verdammte seine Musik zunehmend als unzeitgemäß und anachronistisch, was durch sein verstärktes Engagement als Filmkomponist tendenziell noch verstärkt wurde. Hier spiegelt sich einmal mehr das Problem, das in jenen Jahren alle Komponisten (unter anderem auch E. W. Korngold) hatten, die an romantischen Prinzipien wie Melodie im musikalischen Ausdruck festhielten, es also wagten, sich den extremen Zwängen der den musikalischen Fortschritt allein für sich beanspruchenden Avantgarde zu widersetzen.

Nino Rota gilt nicht allein in der klassischen italienischen Tonfilm-Musik als einer der Größten. Für die Kinoleinwand vertonte er rund 150 Filme, von denen seine 15 Arbeiten für den eigenwilligen Federico Fellini, mit dem er von 1952 bis zu seinem Tode im Jahr 1979 arbeitete, zum besonderen Markenzeichen gerieten, ihn international besonders bekannt gemacht haben. Daneben arbeitete Rota auch mit Regisseuren wie Luchino Visconti (Rocco und seine Brüder, Der Leopard), King Vidor (Krieg und Frieden, 1956), Franco Zeffirelli (Der Widerspenstigen Zähmung, Romeo und Julia), Sergej Bondartschuk (Waterloo) und Francis Ford Coppola (Der Pate, Teil I und II); mit dem Hauptthema aus Der Pate konnte er sogar einen Hit landen.

Und Altmeister Miklós Rózsa sagte über Nino Rotas Musik: „Im 20. Jahrhundert ist Rota einer der Komponisten gewesen, die sich selbst stets treu geblieben sind und Musik nach ihrer Überzeugung geschaffen haben. Als Italiener war er ein echter Melodiker, der sich nicht schämte, weiterhin Melodien so zu schreiben, wie sie ihm gerade einfielen, und das in einer Zeit, wo andere sich intellektuellen Experimenten und unmusikalischen Geräuschen verschrieben. Seine Filmmusik wird immer etwas vom Besten dieser Gattung bleiben.“

Nino Rota verstarb am 10. April 1979 in Rom.

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