Michael Petzels 1998 erschienenes „Karl-May-Filmbuch: Stories und Bilder aus der deutschen Traumfabrik“ ist eine Informations-Fundgrube, nicht nur für eingefleischte Karl-May-Film-Fans, sondern für jeden, der sich über dieses Zeitphänomen eingehender informieren möchte. Für das — wie ein Band der gesammelten Karl-May-Werke gestaltete — Buch hat der Autor umfangreiche Recherchen durchgeführt. Neben dem Bestand des Karl-May-Archives standen interne Unterlagen der jeweiligen Filmproduktion zur Verfügung und die im Anhang erstellten Stabangaben und die Besetzungslisten sind entsprechend sorgfältig überprüft worden. So gelang dem Autor eine umfassende Dokumentation zum Thema, deren Grad an Zuverlässigkeit den oft nur relativen Wahrheitsgehalt der dem Interessierten bislang ausschließlich zur Verfügung stehenden Programmhefte und Zeitschriftenpublikationen zweifellos erheblich übersteigt. Nicht allein die Winnetou-Filme der 60er, sondern jeder bis heute in Deutschland produzierte Film zum Thema Karl May für Kino und Fernsehen wird erfasst und auch seine Produktionsumstände und Hintergründe werden in der Regel eingehend beschrieben. Daneben bietet es auch Informationen zu Projekten, die nicht realisiert worden sind. Ergänzt wird dies durch umfangreiches, seltenes Bildmaterial, wobei die sorgfältig in erstklassigen Farben reproduzierten Farbbilder des Mittelteils ein besonderer Leckerbissen sind. Dass die herrlichen Bilder in ihrer Buntheit nicht übertreiben, davon kann sich der Leser anhand der vorliegenden DVD-Edition unschwer überzeugen.
Obwohl ich als Kind von den Karl-May-Filmen durchaus nicht unbeeindruckt war, zum Fan der Filme bin ich nie geworden. Das Lesen des liebevoll gestalteten und durch eingearbeitete Anekdoten besonders flüssig geschriebenen Karl-May-Filmbuches hat mir trotzdem großen Spaß gemacht. Porträts der wichtigsten Stars der Karl-May-Filmwelle, aber auch die Rezeption der Filme im Ausland machen den Band zu einem vielseitigen und wertvollen Kompendium. Michael Petzel macht auch interessante Zusammenhänge deutlich, die bislang wenig bekannt gewesen sind. Ich denke, es ist nicht zu hoch gegriffen, hier von einem Standardwerk zu sprechen, das man nicht ausschließlich Winnetou-Film-Fans nachdrücklich empfehlen kann.
Auch wenn die Karl-May-Filme sich gegenüber den Vorlagen große Freiheiten herausnehmen, haben sie, in zum Teil sogar gelungener Form, mitgeholfen, ein moderneres Bild der klassischen Karl-May-Filmhelden und damit des Karl-May-Mythos zu etablieren. Die auch von Produzent Atze Brauner realisierten Nachfolge-Filme der Reihe — z. B. Old Shatterhand — erlagen zunehmend der Versuchung, die Mängel der immer schwächer werdenden Drehbücher mit pyrotechnischen Effekten zu kaschieren und auch Karl-May-untypische Action und Gewaltelemente einzubauen. Harald Reinls vier Filme bewahren noch am stärksten den zeitlosen Geist ihrer Vorlagen — den der Völkerverständigung und eines friedlichen multikulturellen Zusammenlebens.
Fazit: Kinowelt präsentiert die vier Karl-May-Filme des Regisseurs Harald Reinl (Produzent: Horst Wendlandt) sorgfältig restauriert in Bild und Ton. Trotz der zweifellos vorhandenen dramaturgischen und sonstigen Mängel dieser deutschen Western-Märchen war ich beim Anschauen der Filme von ihrem naiven Charme doch angetan, was zum Teil wohl auch auf die edle Video-Präsentation zurückzuführen ist. Es darf also geschmunzelt und durchaus auch mal herzhaft gelacht werden, ernst nehmen sollte man hier besser nichts. Sicher handelt es sich — vergleichbar der Sissi-Filmtrilogie — keinesfalls um hochrangiges Kino, aber was solls, einen ordentlichen Unterhaltungswert sollte man den Filmen deswegen nicht leichtfertig absprechen. Die amerikanischen Western-Produktionen haben natürlich generell einen gewissen Heimvorteil in Sachen Authentizität. Abgesehen von den anerkannten Klassikern dieses Genres, die im übrigen auch nicht mängelfrei sind, sind viele der kleineren US-Western aber in Teilen von vergleichbarer Naivität wie ihre Karl-May-Pendants und schrecken vor Geschichtsklitterung ebenfalls nicht zurück. Speziell die von Harald Reinl inszenierten Karl-May-Filme dürften für viele sicher besondere nostalgische Qualitäten haben. Schon das Constantin-Logo mit der zugehörigen Fanfare gehört zu den Dingen, die auch ich als unauslöschliche frühe Kinoerfahrung verbucht habe. Nun, wer die Filme gerne in seine Video-Kollektion integrieren möchte, dem seien die insgesamt liebevoll produzierten neuen Kinowelt-DVDs wärmstens empfohlen.
Eine optimale Ergänzung des Film-Quartetts, aber auch für jeden zu empfehlen, der sich eingehender mit dem Thema Karl May im Film beschäftigen möchte, ist Michael Petzels „Karl-May-Filmbuch: Stories und Bilder aus der deutschen Traumfabrik“. Die sorgfältig editierte Publikation dürfte auch eingefleischten Fans noch wertvolle Hinweise geben und bislang unbekannte Zusammenhänge aufzeigen. Darüber hinaus ist das flüssig geschriebene und dazu spannend lesbare Buch auch ein wertvolles Nachschlagewerk, das alle bislang zur Verfügung stehenden Quellen an Zuverlässigkeit weit übertrifft.
Mehrteilige Rezension:
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