Julius Caesar

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
25. März 2005
Abgelegt unter:
CD

Score

(3.5/6)

1478Joseph L. Mankiewicz (siehe auch Cleopatra) inszenierte seine filmische Adaption des berühmten Shakespeare Dramas Julius Caesar (1953) bewusst in Annäherung an das Theater nicht im damals vakanten breitwandigen CinemaScope, sondern im klassischen (dem Schauspiel näher liegenden) Normalformat und ebenfalls „nur“ in stärker dokumentarisch erscheinendem, kontrastreichem Schwarz-Weiß. Erstklassige Theaterschauspieler, wie John Gielgud und James Mason, verleihen dem Film seine speziellen Reize, wobei Versform und Szenenfolge der geschickt gestrafften Shakespeare-Vorlage ebenfalls beibehalten sind. Und die deutsche Synchronisation unterstreicht das Theatralische, indem sie auf einer der älteren, besonders blumigen Shakespeareübersetzungen basiert — vermutlich auf der grundlegenden von Schlegel-Tieck. Der Komponist Miklós Rózsa, dessen erster Ausflug in das Genre des römisch-antiken Sandalenepos, Quo Vadis (1951), noch frisch in der Erinnerung war, wurde mit der Vertonung betraut.

Rózsa entwickelte sich in diesen Jahren zum musikalischen Spezialisten für die Vertonung von (Kostüm-)Stoffen vor historischem Hintergrund. Dafür standen zu jenem Zeitpunkt bereits Madame Bovary (1949), Ivanhoe (1952) und Plymouth Adventure (1952). Für Julius Caesar wählte der Ungar einen musikalischen Interpretationsansatz, bei dem die auf Quo Vadis verweisenden historisierenden Piècen nicht im Zentrum stehen. Quasi „römische Klänge“ sind hier — obwohl handwerklich natürlich tadellos gefertigt — ein eher schematisiert und zitathaft erscheinendes, atmosphärisch-archaisierendes Stilmittel. Im Focus der thematisch und kontrapunktisch meisterlich gestalteten Musik steht dagegen ein raffiniert auf das zeitlos Moderne des Shakespeare-Dramas verweisendes, ebenso modernes Klangkonzept. Eines, das sich stilistisch an der eher herben, gemäßigt modernen Ästhetik der Film-Noir-Scores Rózsas orientiert. Und im Schlaflied, das der junge Diener Lucius Brutus vorträgt, hat der Ungar ein Traditional aus der elisabethanischen Ära eingearbeitet. So erweist der Komponist zugleich intelligent dem großen englischen Dramatiker seine Referenz.

Keinesfalls kann man den Film als overscored bezeichnen. Im Gegenteil: Rund 30 Minuten besonders wichtiger Szenen der Filmhandlung kommen sogar — an einem Stück — vollständig ohne Filmmusik aus. Darüber hinaus wusste Rózsa im Finale die neue stereophone Aufnahmetechnik geschickt zu nutzen. In „Caesar now be still“ erreicht das Drama seinen Höhepunkt: Brutus begeht Selbstmord, während die siegreichen Armeen seiner Gegner anrücken. Der Komponist verknüpft hierzu zwei gegensätzliche Musikstücke kontrapunktisch miteinander. Für die auf der Leinwand unmittelbar sichtbare Tragödie des Brutus erklingt eine Art Trauermusik für Streicher, basierend auf dem Brutus-Thema. Dem tritt simultan ein von Bläsern und Schlagwerk interpretierter römischer Marsch hinzu, der auf dem Thema des (ermordeten) Caesars aufbaut — und so diesen letztlich doch über Brutus triumphieren lässt. Mit Hilfe der damals brandneuen Stereotechnik veranschaulichte Rózsa dies dem Zuschauer, indem er die (unsichtbaren) römischen Armeen musikalisch auf dem rechten Kanal „heran marschieren“ ließ -— dieser Effekt konnte übrigens für die vorliegende CD aus den noch vorliegenden Einzelelementen rekonstruiert werden.

Im MGM-Archiv sind erfreulicherweise die vollständigen Musikmaster zu Julius Ceasar — einige alternative Versionen und Prerecordings inklusive — erhalten. Allerdings nur noch in einer damals für Archivzwecke als Sicherungskopie angefertigten Mono-Abmischung — siehe auch Plymouth Adventure. Die Tonmaster sind hörbar gealtert. Dem Klangbild fehlt hier doch eine gehörige Portion Volumen (Fülle) und damit das, was die Frische einer Aufnahme ausmacht. In dieser Beziehung gibt es zwar deutlich besser erhaltenes Mono (siehe The Fastest Gun Alive), allerdings ist der negative Effekt nur anfänglich störend. Nach einigen Minuten hat man sich förmlich „eingewöhnt“ und empfindet den Klang, trotz gewisser Einschränkungen, als doch recht transparent und damit ordentlich. Übrigens, auch an den in der Bonussektion enthaltenen Stereo-Tracks hat der Zahn der Zeit vergleichbar genagt. Sie klingen dem entsprechend nicht wirklich entscheidend besser als ihre Mono-Pendants — was die weit verbreitete Meinung vom dem Mono- grundsätzlich überlegenen Stereosound als doch recht fragwürdig entlarvt.

Für den Rózsa-Kenner und Liebhaber ist die, wie gewohnt, vorzüglich produzierte FSM-CD als Referenz letztlich eh kaum verzichtbar. Der Anfänger oder der, der bei der Musik des Komponisten allein Schwerpunkte setzen will, sollte zuerst zur vorzüglichen 1995er Stereo-Einspielung auf Intrada greifen. Die Sinfonia of London unter Bruce Broughton hat neben der Neueinspielung zu Ivanhoe auch mit der zu Julius Caesar das Rózsa-Repertoire dauerhaft bereichert. Die kraftvolle Broughton-Version ist dabei in den Tempi fast durchweg nur einen Tick langsamer als das Original (bei Ivanhoe sind die Unterschiede deutlicher, was die Qualität jedoch nicht beeinträchtigt). Die Intrada-CD ist übrigens, was die im Film verwendete Musik betrifft nahezu vollständig. Allein zwei längere (rein atmosphärisch eingesetzte) Rhythmuspassagen und eine kurze Fanfare fehlen. Dies findet sich auf der FSM-CD, und außerdem eine handvoll nicht verwendeter kleinerer Stücke: Drei weitere Fanfaren sowie einige Alternativen. Die Broughton-Version enthält wie auch die FSM-Ausgabe die originale Ouvertüre, die allerdings nicht identisch mit der in den sonstigen Nachspielungen vertretenen Fassung ist. Dies betrifft sowohl Charles Gerhardts „The Classic Film Scores Series“ auf RCA als auch die vom Komponisten im Rahmen der für Deutsche Grammophon (Polydor) eingespielten drei LP-Alben „Rózsa conducts Rózsa“ aufgenommenen Version des Stücks. Leider konnte FSM nur auf den Mono-Mix der Recording-Sessions zurückgreifen. Kurioserweise ging nämlich die Ouvertüre überhaupt nicht mit auf Roadshow, sondern wurde gegen das „Capriccio Italien“ von Peter Tschaikowski ausgetauscht — präsentiert als Magnet-Stereoton-Demonstrations-Feature mit dem MGM-Orchester unter John Green. Miklós Rózsa war über diese Entscheidung verständlicherweise (zeitlebens) tief verärgert.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Rózsa, Miklós

Erschienen:
2004
Gesamtspielzeit:
68:05 Minuten
Sampler:
FSM
Kennung:
Vol. 7 No. 9

Weitere interessante Beiträge:

Tschaikowsky: Vier Orchestersuiten

Tschaikowsky: Vier Orchestersuiten

Minnesota Clay

Minnesota Clay

Schmidt: Orgelwerke

Schmidt: Orgelwerke

Grey Owl

Grey Owl

Cinemusic.de