Inside Man
Terence Blanchard, geboren 1962 in New Orleans, bekannter Jazztrompeter, Bandleader und auch Filmkomponist (The 25th Hour) ist praktisch Spike Lees Hauskomponist und hat auch für dessen neuesten Film die Musik komponiert. Inside Man ist kein Problemfilm, sondern ein in New York angesiedelter Ausflug ins Thriller-Genre, in dem es um einen spektakulären Bankraub mit Geiselnahme geht. Blanchard hat dazu einen Score geliefert, der Sinfonik, Jazziges, poppige Rhythmik und eine gehörige Portion synthetisch generierter atmosphärischer Klangflächen oftmals geschickt miteinander kombiniert. Der über dem Titelvorspann erklingende Song „Chaiyya Chaiyya“ stammt von A.R. Rahman. Dieser ist zwar dem Bollywood-Film Dil Se — Von ganzem Herzen entliehen, jedoch von Blanchard — wohl als Gag — für die Ansichten Brooklyns neu arrangiert worden. Auf dem Album bildet „Chaiyya Chaiyya“ allerdings das Finalstück.
Im Wesentlichen stehen sich im Score ein knappes 3-Noten-Motiv für die Gangster (vorgestellt in „Ten Thirty“) sowie eine 9 Noten umfassende Tonfolge für die Cops gegenüber („Food Chain“). Aus diesen beiden musikalischen Gedanken wird das Wesentliche für die Ausgestaltung des Scores hergeleitet. Neben den Themen dienen dazu auch davon abgeleitete Bruchstücke als Basis für diverse Kombinationen und Varianten, und neben der Instrumentierung sorgen auch geschickt eingefügte — meist jazzige — Begleitfiguren für teilweise markante Änderungen in der Stimmung. So erklingt das Cop-Thema zwischendurch trotzig, heroisch und am Schluss („Good and Ready“) entspannt und cool.
Das klassizistisch angehauchte „Nazis pay too well“, in dem nur ein Streichquartett aufspielt, das als Celesta-Solo geschriebene „Defend Brooklyn“ und nicht zuletzt die Patton in Erinnerung rufenden Echoplexeffekte der Trompete in „Hostage Takedown“ stehen dabei für zusätzliche Abwechslung im Klanggeschehen. Besonders auffällig ist der professionell gestylte, typisch amerikanisch und urban anmutende Sound mancher Stücke, wofür sowohl Rhythmik als auch die stark atmosphärischen, synthetischen Teile der Musik stehen. In einigen Momenten kommt dabei auch eine kräftige Prise von David Arnolds James-Bond-Musiken ins Spiel.
Die ausgeprägt atmosphärisch gehaltenen Passagen und ebenso die gewisse Kurzatmigkeit mancher Tracks wirkt allerdings einer überzeugenden Höralbenkonzeption entgegen. Insofern funktioniert die Musik zu Inside Man allein von CD über die respektable Albumspielzeit einfach nicht durchgehend gleichermaßen überzeugend. Straffen durch Programmieren ist hilfreich, das individuelle Ergebnis zu verbessern. Für Freunde des Spike-Lee-Films ist es aber in jedem Fall ein überzeugendes Souvenir zum Film, dem auch „fette“ drei Cinemusic.de-Sterne Ausdruck verleihen sollen.
The Fast and the Furious — Tokyo Drift
Brian Tylers Score zum dritten Teil, The Fast and the Furious — Tokyo Drift, der Action-Saga um illegale Autorennen in den Citys ist dem Filmstoff um den Rausch der Geschwindigkeit wohl angemessen. Rockiges in Form heulender E-Gitarren-Einwürfe von „Slash“, eines Mitglieds von „Guns n Roses“, rasende Techno-Beats und weitere elektropoppige Einsprengsel wechseln miteinander ab. Sinfonisches bleibt trotz des in die Produktion eingebundenen Hollywood Studio Symphony Orchestras praktisch unauffindbar. Ebenso sind ruhigere, stärker thematisch orientierte Passagen eher selten, viel häufiger geht es hier nach dem berüchtigten Motto „wer später bremst, ist länger schnell“ zur Sache. Und so bekommt der Hörer in erster Linie möglicherweise adrenalinsteigernde krachende Rhythmuskavalkaden geboten. Im hippen, meist synthetischen Sound gibt’s zum „kurz Atem holen“ einzelne atmosphärisch angehauchte, bedingt thematische Momente, und immerhin erhält ein ordentliches Gitarrenthema für Neela seinen Auftritt.
Ähnlich wie in The Children of Dune hat Tyler sich auch hier als Instrumentalist beteiligt: Er interpretiert die Gitarrensoli, den Bass, bedient Trommeln und Schlagzeug und zeichnet ebenso für die zusätzlich aus dem Computer stammende, mitunter brachiale Rhythmik verantwortlich. Das Resultat ist laut, eher im Sinne von organisiertem Lärm denn von Musik. Möglich, dass ihm das weitere Aufträge und oder gar eine Karriere bei den „Rockern“ eröffnet. Im filmmusikalischen Œuvre Tylers kann The Fast and the Furious — Tokyo Drift nach Annapolis bestenfalls als routinierte Genre-Vertonung, also als ein neutrales punktloses Zwischenspiel ohne Bedeutung zur Kenntnis genommen werden. Ob hier eine Bewertung nach den Maßstäben von Cinemusic.de überhaupt noch viel Sinn macht, darüber kann man streiten. Ich würde jedenfalls nicht mehr als „noch“ einen ganzen Stern dafür herausrücken. Wem das nicht reicht, der mag im zugehörigen Artikel auf www.soundtrack.net vielleicht weitere beflügelnde Argumente finden.
Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2006.
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