Howard Hughes

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
25. März 2005
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Aviator, Nachtrag II: Lesestoff über Howard Hughes

Anlässlich der aktuell in den Kinos gezeigten (filmischen) Biografie Aviator über das Leben des extravaganten und geheimnisumwobenen Millionärs von Regisseur Martin Scorsese sind auf dem Buchmarkt zwei Taschenbücher erschienen. Michael Drosnins „Howard Hughes — Das wahre Gesicht der Macht“ ist die Wiederveröffentlichung des bereits im Jahr 1985 auch hierzulande erschienenen US-Bestsellers „Citizen Hughes“. „Das geheime Leben des Howard Hughes“ von Charles Higham erschien 1993 in den USA und ist jetzt erstmalig auch in deutscher Übersetzung verfügbar. Beide Taschenbuchausgaben sind übrigens mit einem aktuellen Vorwort des jeweiligen Autors versehen.

Scorseses beeindruckend inszenierter Film fokussiert in eher freier Form auf die wichtigsten Ereignisse im Leben des Protagonisten in den zwei Jahrzehnten von 1928 bis 1948. Nahezu alles davor und erst recht die letzten Lebensjahrzente bleiben komplett außen vor. Hier versprechen beide Bücher mehr Licht ins Dunkel um diese geheimnisvolle, skurrile Figur zu bringen, die seit den späten 50er Jahren völlig aus der Öffentlichkeit verschwunden war. Insbesondere um (etwa) die letzten beiden Lebensjahrzehnte ranken sich Legenden und (gelinde gesagt) merkwürdige Schilderungen, die den wohl reichsten Mann Amerikas als eine dürre nackte Vogelscheuche mit langen Fingernägeln und Haaren beschreiben, die statt Schuhe leere Kleenex-Kartons benutzte.

Vieles im Leben des hypochondrischen Howard Hughes ist geheimnisvoll (manches wird es wohl auch weiterhin bleiben) und dieser hat wohl alles getan, die selbst inszenierte Legende um seine Persönlichkeit vor der Enttarnung zu bewahren. Scorseses prächtiger Bilderbogen jener zwei, für Hughes in vielem erfolgreicher und auch glanzvoll-spektakulärer Dekaden lässt nur zwischendrin verschiedentlich frösteln, wenn die Obsessionen aufscheinen. Der Streifen entlässt den Zuschauer allein im Bewusstsein, dass der „Held“ der vergangenen knapp drei Stunden bereits in der Sackgasse angekommen ist. Aber was kam danach? Was geschah bis zum Tode von Hughes am 5. April 1976? Beide Bücher entlarven die häufiger zu lesende Gespensterthese und besonders die damit logischerweise einhergehenden Schlüsse um die späten Jahre als nur in Teilen zutreffend. Higham sagt dazu bezeichnend im Vorwort: „Howard Hughes, der Held und Erfinder der Spruce Goose, im Alter nur noch ein hirnloser Zombie, dem die Fäden entglitten, bis er nur noch wie eine Marionette von (den ihn als Bedienstete umgebenden) Mormonen gelenkt wurde, unfähig zu eigenständigem Denken und Handeln. Nichts könnte der Wahrheit weniger entsprechen …“ Das Buch von Charles Higham ist vom zuerst am Verfilmungsprojekt tätigen Michael Mann als Vorlage für das Drehbuch eingekauft worden, was aber nicht einfach mit „es sei das bessere der beiden Publikationen“ gleichzusetzen ist: beide Veröffentlichungen sind vielmehr von vergleichbarer Qualität, setzen in Teilen unterschiedliche Schwerpunkte. Als geradezu „hypnotische“, lesenswerte Porträts dieser überaus schillernden Figur dürfen beide Bücher gelten. In beiden Publikationen finden sich übrigens in einem umfangreichen Anhang zu jedem Kapitel eingehende Quellenhinweise.

Was sich dem Leser über die jeweils etwa fünfhundert Buchseiten offenbart, liest sich in Teilen wie ein Politkrimi gigantischer Dimension, der bis zur Watergate-Affäre reicht. Der Hughes der späteren Jahre, der zwischenzeitlich sowohl TWA, die RKO-Studios und weite Teile von Las Vegas besaß, dirigierte sein gewaltiges, finanzkräftiges Imperium quasi aus dem Off mit einer Fülle handschriftlicher Notizen, Beweise seiner Machenschaften, die er wie einen Schatz behütete. Anlässlich einer im Jahr 1974 drohenden Anklage durch den Watergate-Ausschuss versuchte der Millionär alles belastende Material im Rahmen einer Reihe fingierter Einbrüche zu beseitigen. Michael Drosnin gebührt dabei die Ehre, das brisante Diebesgut sichergestellt und als erster eingehend ausgewertet zu haben. Sein Buch fokussiert auf die letzten rund zwei Jahrzehnte im Leben des Howard Hughes. Charles Highams Studie beleuchtet auch Kindheit und Jugend eingehender; zeigt dabei, dass das Verwirrspiel um den Protagonisten bereits mit seiner Geburt, nämlich mit gefälschten Daten beginnt. Ebenfalls gibt es Infos über die wahre, von Schauermärchen überdeckte Geschichte seiner Kindheit sowie über Hughs’ ausgeprägte Bisexualität.

Beide flüssig und spannend lesbaren Publikationen entwerfen somit ein faszinierendes und zugleich abschreckendes Bild eines Egomanen, der nicht allein davon überzeugt war, dass jeder auf der Welt seinen Preis habe. Hughes schreckte nicht davor zurück, im größtmöglich denkbaren Stil politisch Einfluss zu nehmen: mit Hilfe seines unvorstellbaren Reichtums versuchte er gar den US-Präsidenten zu kaufen! Der Leser erfährt aber auch über seine umfangreichen Kontakte zur CIA, der er auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges ein gigantisches „Forschungs-Schiff“ (natürlich für Spionagezwecke bestimmt), die „Hughs Glomar Explorer“, quasi spendierte. Beim abenteuerlichen Versuch ein gesunkenes russisches Atom-U-Boot mit Hilfe einer Art riesigen Baggerschaufel zu bergen, war es sogar teilweise erfolgreich. Eine eher ironische Randnotiz dazu fehlt nicht: Hughes war offenbar ein Fan des Films Ice Station Zebra, hat sich diesen x-fach angesehen.

Wie das ausgewertete Material belegt, war Howard Hughes medikamentensüchtig, ein geradezu erschreckend isoliert und abgeschottet lebender Einsamer, einer, der allein über seine Mormonen-Dienerschaft und via TV Kontakt zur Außenwelt hielt. Er, der in einer eher als unordentlich und schmutzig zu bezeichnenden Hotelsuite hauste, wusch sich kaum und durchlebte Phasen tiefster Depression. Für seine Mormonen-Kindermädchen (wie Drosnin die Dienerschaft bezeichnet) erließ er zum Teil geradezu detailliert-bizarre Anweisungen, die ihn vor der Übertragung von Krankheiten schützen sollten: verfasste sogar eine dreiseitige (!) zum Thema „Spezielle Zubereitung von Konservenobst“. Dabei mussten die Dosen unter fließend heißem Wasser mit Seife und viel Schaum (wahrlich) geschrubbt und dabei komplett vom Etikett befreit werden. Dass vor dem Öffnen der Ausführende seine Hände in einem vergleichbar absonderlichen Ritual zu reinigen hatte, erklärt sich fast von selbst. Obwohl also in gewissem Sinne körperlich und psychisch ein Wrack, war der Millionär jedoch bis zuletzt aktiv im „Geschäft“.

Raymond Price, ehemaliger Sonderberater von Richard Nixon erklärte 1976: „Ich sehe keinen Widerspruch darin, Geld von Hughes zu nehmen, und gleichzeitig den Interessen der Nation zu dienen: Schließlich sind seine Interessen derart weit verzweigt, dass sie fast als symbolisch gelten können.“

Fazit: sehr empfehlenswert — keineswegs ausschließlich für all diejenigen, die durch einen Besuch des Aviator neugierig geworden sind.

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Mehrteilige Rezension:

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Erschienen
2005
Seiten:
530
Verlag:
Heyne
Kennung:
3-453-64003-9
Zusatzinfomationen:
€ 8,95 (D)

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