Hellboy
Hellboy von Regisseur Guillermo Del Toro beruht auf einem abstrusen Comic. Die Titelfigur ist ein von den Nazis im Herbst 1944 aus den Untiefen der Hölle befreiter Dämon, der gegen Amerika zum Einsatz kommen sollte. Aber die Alliierten überraschten die Unholde bei der bösen Tat, und unter dem guten Einfluss seines Ziehvaters Dr. Broom (John Hurt) wechselte der Hellboy anschließend die Seiten. Die Fotos im Booklet zeigen den „höllischen Jungen“ als eine Art smartes Teufelchen mit abgesägten Hörnern. Noch Fragen? Dass derartiger, aus den psychotischen Ängsten der Amis vor den Nazi-Wunderwaffen geborener Schwachsinn — immerhin rund 60 Jahre nach Kriegsende — anscheinend immer noch nicht als zu peinlich gilt, um überhaupt verfilmt zu werden, ist schon bemerkenswert. Offenbar ist das US-Publikum auf den Schmarren sogar derart gut abgefahren, dass bereits Hellboy 2 geplant ist …
Deutlich bessere Figur macht hingegen Marco Beltramis filmmusikalische Untermalung. Sein Score ist dieses Mal thematisch überaus sorgfältig organisiert und strukturiert. Zwei sind für die musikalische Entwicklung besonders bedeutend: das für Hellboy und das für die Heroine Liz. Der titelgebende Charakter erhält bereits im ersten Track, „Oct. 7th, 1944“, ein längeres Motiv zugeordnet, das in „Meet Hellboy“ wieder erscheint und anschließend zum dunklen Heroenthema erweitert wird. Das Thema für Liz (in „Liz Sherman“) ist zugleich Liebesthema und erklingt in „Hellboy & Liz“ optimistisch gesteigert.
Auch die Unholde sind thematisch kompetent vertreten. Der Track „Evil Doers“ steht dafür. Am markantesten ist allerdings das in der Harmonik bei Wagner und Strauss anzusiedelnde „Kroenen-Thema“, das originellerweise — sogar in Deutsch vorgetragen — in Form eines opernnahen Duetts erklingt. Am Schluss von „Investigating Liz“ erscheint es in besonders prägnanter, rein orchestraler Form. (Und mir scheint, dass mindestens das Kroenen-Thema und das für Hellboy miteinander verwandt sind.)
Mitunter erweist Beltramis Komposition merklich Danny Elfmans Comic-Vertonung Batman — ironische? — Referenz („Wake up Dad“). Erwähnenswert ist auch der ballettartige „Rooftop Tango“ mit seinem effektvollen Vibraphonpart.
Neben den sehr solide gearbeiteten orchestralen Action-Tracks sind auch die mit gemischtem Chor gelungen ergänzten Passagen der Komposition nicht zu verachten. Und neben sehr überzeugendem (unaufdringlichem) Einsatz von Klangsynthetik — nicht nur hier kommt Jerry Goldsmith in den Sinn — offeriert Beltramis Orchesterbesetzung nicht allein eine echte Kuriosität: das primär aus den 1940er und 1950er Jahren geläufige „elektrische“ Theremin kommt zum Einsatz. Hier wird es allerdings nicht wie üblich als Effekt-Instrument zur Schöpfung unheimlicher, unirdisch anmutender Stimmungen genutzt (hierzu siehe auch The Day the Earth Stood Still, sondern interessanterweise melodieführend eingesetzt. Das Theremin erhält auch im etwas Elfman-like, bizarr, aber zugleich originell anmutenden Schlusstrack der CD, „B.P.R.D.“, seinen Auftritt. Hier werden die Themen von Hellboy und Liz nochmals hübsch zusammengeführt.
Marco Beltramis neueste Filmmusik zeigt sich über den gut fließenden 45-minütigen Albumschnitt als sehr abwechslungsreiche, inspirierte und mit Pfiff instrumentierte Filmvertonung. Eine Musik, der man besonders versierte und ausgefeilte Handhabung des Themenmaterials und ausgefeilte Orchesterbehandlung attestieren muss und der man in Teilen auch Originalität nicht absprechen kann. Auch als reines Höralbum weist Hellboy beträchtliche Qualitäten auf, entpuppt sich als sehr unterhaltsam. Qualitativ ist er mindestens vergleichbar mit Beltramis ebenfalls sehr gediegenen Tonschöpfungen der letzten Zeit, z. B. zu Blade 2 und zu Terminator III. Im Umfeld des Gebotenen ist Hellboy im Sommer 2004 eine außergewöhnlich gute Filmmusik. Wertungsmäßig sind dafür fette (!) vier Sterne ein Minimum und auch ein halber mehr durchaus vertretbar.
Dem talentierten Komponisten bleibt zu wünschen, dass ihm in Zukunft vermehrt seriöse Vertonungsangebote (abseits vom Comic-Slasher-Horror-Genre) gemacht werden; zu Filmen, deren Scores zugleich überzeugende Höralben abgeben. Das würde helfen, seinen Namen im Bewusstsein breiterer Schichten von Kinogängern nachhaltig zu verankern.