Am 22.11.2001 ist es soweit: Der rund 80 Millionen teure Streifen Harry Potter and the Sorcerer’s Stone • Harry Potter und der Stein der Weisen von Produzent David Heymann und Regisseur Chris Columbus (Mrs. Doubtfire, Home Alone II) geht an den deutschen Kinostart.
Bereits seit dem 29.10.2001 liegt die Filmmusik von John Williams als Doppel-CD-Box in den Läden. Wer allerdings den kompletten Score erwartet, liegt falsch: Bei der zweiten CD handelt es sich nur um eine insgesamt blasse CD-ROM für PC’s, die Werbung für den Film und für ein Video-Spiel macht. Ein wenig befremdlich mutet hierzu die Bezeichnung an „CD-ROM to accompany the music from and inspired by the motion picture“…
Die erste CD, die eigentliche Score-CD, präsentiert sich mit einer Spieldauer von knapp 74 Minuten (von insgesamt wohl rund 120 Minuten) als sehr gut anhörbares und dabei auch recht abwechslungsreiches Höralbum. Wie schon fast zu erwarten, knüpft John Williams zur Versinnbildlichung der Zauber- und Märchenatmosphäre der Story stilistisch stark an seine Musik für den Peter-Pan-Stoff, Hook, und auch an die Scores zu den beiden Home-Alone-Filmen an. Ein groß besetztes Orchester mit Chor sowie etwas behutsam eingesetzte Synthetik kommen zum Einsatz. Die üppig romantische Harry-Potter-Musik verfügt über eine Reihe schöner melodischer Themen, wobei die träumerisch schwebende Feen-Atmosphäre (z. B. in den ausgiebigen Einsätzen der Celesta) klar von Peter Tschaikowskys Ballett „Der Nussknacker“ inspiriert ist. In den heroischen Momenten wird ein wenig Star-Wars-Touch spürbar und überhaupt zeigt auch diese Filmkomposition einmal mehr, wie stark die Filmmusiken von John Williams häufig von Sergej Prokofieff beeinflusst sind.
Insgesamt bietet diese Klangschöpfung keine Neuerungen und kann daher nicht als originell oder gar als Meisterwerk bezeichnet werden. Allerdings, als handwerklich sehr gute und dazu inspirierte Routine geht sie immer durch. Dabei kommen auch einige pfiffige Einfälle zu Gehör: So bietet Track 12 ein recht unkonventionell gestaltetes „zauberhaftes“ Weihnachtlied und in Track 14 kommt das Duett von Harfe und Kontrafagott ebenfalls nicht platt oder eingefahren, sondern ungewöhnlich daher.
Natürlich wird unterm Strich (über-)deutlich „geHooked“ und „geHomeAloned“. Dies jedoch – sowie den Mangel an Neuem – dem Komponisten zum Vorwurf zu machen, greift zu kurz. Es stellt sich m. E. hier (ähnlich wie seinerzeit auch bei The Patriot) vielmehr die Frage, ob musikalische Innovation bei Filmvertonungen denn zwangsläufig sein muss. Immerhin handelt es sich hier doch auch filmisch um ein (abgesehen von tricktechnischen Neuerungen) weitgehend konventionelles Märchen, das – sogar eindeutig verwandt und damit gut vergleichbar mit Hook – das klassische Motiv vom Kampf „Gut gegen Böse“ (einmal mehr) ebenfalls nur leicht variiert. Insofern halte ich das Anknüpfen an bewährte musikalische Stil-Schemata für durchaus legitim, zumal hier von einfallslosem Abkupfern keineswegs gesprochen werden kann. Dieses Mal wird das musikalische Material auch virtuoser gehandhabt als in Der Patriot.
Fazit: Altmeister John Williams zeigt sich in seiner neuesten Tonschöpfung handwerklich in sehr guter Form. Innovation wird zwar nicht geboten, das Gewohnte allerdings in mehr als guter Qualität und dazu geprägt von sehr schönen melodischen Einfällen.
Vermutlich werden sich (wieder einmal) an diesem gekonnten und nicht uninspirierten „Aufguss“ aus musikalisch Bekanntem die Geister scheiden. Wer ein neues Meisterwerk und Vollständigkeit erhofft hat, wird enttäuscht. Wer allerdings für eine gekonnt nach bewährter Väter-Sitte gemachte, gut fließende, dabei nicht simpel gestrickte, großsinfonische Williams-Filmmusik offen ist, der wird auch an den „nur“ rund 74 Minuten Musik (dieses Mal sogar ohne Song) des CD-Albums zu Harry Potter und der Stein der Weisen mehr als nur einmal seinen Spaß haben.
Hier geht’s zu Harry Potter and the Prisoner of Azkaban.