Das Schweigen der Lämmer wird gebrochen: Die Musik zum Sequel des 1991er Serienkiller-Films dürfte für viele Freunde von Zimmers Action-Musik recht ungewohnt sein. Der Komponist (oder besser das Team von Media Ventures) knüpft musikalisch bei Thin Red Line • Der schmale Grat an. Die Komposition für die abgründige „Love Story“ besteht aus stark synthetischen geräuschähnlichen Klang-Collagen und aus (vorwiegend auf die Streicher bezogenen) klassisch orientierten Klängen. Wobei von den Vorbildern der Spätromantik kräftig geliehen wird: Partiell klingt der Score geradezu wie eine Synthese aus tristanesker Leidenschaft und Siegfried-Idyll und in einigen Teilen ist das Adagietto der fünften Sinfonie Gustav Mahlers als eindeutige Inspirationsquelle übermächtig spürbar. Daneben gibt es Partien, in denen ein sakrales Element Bedeutung gewinnt: durch Stabglocken und Chor – der Textstücke der lateinischen Totenmesse singt.
Im Film mag die erneute „Grat-Wanderung“ von Zimmer und seinem Team gut funktionieren, allein von der CD gehört wirkt der Musikmix recht unausgewogen und überzeugt daher nur bedingt. Die meist synthetischen Horror-Sounds sind zudem sehr konventionell und teilweise auch (wie gewohnt) synthie-poppig rhythmisch geraten: es gibt Klangmixturen, die an Marco Beltramis The Watcher erinnern und auch altbekannte Effekte kommen zu Gehör – an einer Stelle hat man den Eindruck, der Killer hätte einem gerade das Hemd aufgeschlitzt. (Ob man derartiges allerdings abseits vom Film auf CD braucht, muss jeder für sich selbst entscheiden.)
Daneben sind zwei klassische Stücke vertreten, die für den Film adaptiert wurden: Hiervon dürfte die vom exzentrischen Pianisten Glenn Gould (mitsummend) vorgetragene originale „Aria da Capo“ aus Bachs „Goldberg-Variationen“ wohl am ehesten als entbehrlich empfunden werden. Recht originell wirkt dagegen der vom Co-Komponisten Klaus Badelt beigesteuerte dämonische „Valse Tatar“, in dem Teile des bekannten Donau-Walzers von Johann Strauss, Sohn verarbeitet worden sind. Das von Patrick Cassidy für die Opern-Szene im Film komponierte „Vide Cor Meum“ setzt einen nicht undelikaten Schlusspunkt für die CD.
Es ist bei der wohl ausgeprägten Teamarbeit bei Media Ventures schwierig festzustellen, wo die Hand des Meisters wirklich allein zu Werke gegangen ist. Als überraschend empfinde ich ebenfalls, dass Arbeiten der Mitarbeiter mitunter sogar deutlich „sinfonischer“ wirken als die von Zimmer ausgeführten Stücke.
Mögen manche die Stilanleihen in den klassisch orientierten Teilen der Musik zu Hannibal als gelungene musikalische Reflektion des im Zentrum des Films stehenden pittoresken Florenz sehen – vergleichbar Mahlers Adagietto aus der „Fünften“ in Viscontis Der Tod in Venedig – ich vermag daran nichts grundsätzlich Neues oder gar Aufregendes zu entdecken: derartige Anleihen und Stilkopien sind bei Zimmer üblich und der im übrigen beschrittene Weg reicht über die Filmmusik zu Der schmale Grat kaum hinaus. Insofern bietet das CD-Album sicherlich solides und auch sehr sauber gefertigtes Handwerk. Die Komposition ist dabei zwar auch durchaus klangschön, aber weder übermäßig originell noch ein Durchbruch im Schaffen des Komponisten – hierfür fehlt es eben doch an einer gehörigen Portion Raffinement.
Besonders nachteilig wirken sich allerdings zwei Merkmale der CD-Konzeption aus. Da sind die mehreren Tracks beigemixten Anthony-Hopkins-Monologe; vergleichbar nervend und deplatziert wie im Falle der vorstehend besprochenen CD „More Music from Gladiator“ – daran ändert auch die Tatsache wenig, dass Anthony Hopkins eine gute Stimme hat. Die primär sinfonisch gestalteten Teile der Musik leiden dazu besonders unter ihrer wahrlich „untrennbaren“ Nachbarschaft zu den eher belanglosen, mehr geräuschhaften Passagen – die Möglichkeiten, ein überzeugendes Hör-Album zu konzipieren, blieben leider schlichtweg ungenutzt!
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