Scott Coopers Epos aus den letzten Tagen des Wilden Westens: Feinde – Hostiles
Mit Feinde – Hostiles hat der 1970 in Virginia geborene Regisseur Scott Cooper nun seinen 4. Film in die Kinos gebracht. Hauptmann Joseph Blocker (Christian Bale), kurz vor seiner Pensionierung stehend, erhält einen letzten Auftrag. Mit einem kleinen Trupp Soldaten soll er den todkranken, vom Präsidenten begnadigten Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi) mit dessen Familie zurück in seine Heimat, das Tal der Bären in Montana geleiten. Zu Beginn ihrer Reise stößt der Trupp auf die fast um den Verstand gebrachte Farmerin Rosalie Quade, die einzige Überlebende eines brutalen Massakers, welches eine Gruppe Komantschen an ihrer Familie verübte. Was an dieser Stelle beginnt, wird im Einklang mit einem dem Film vorangestellten Zitat des Schriftstellers D. H. Lawrence zu einer verstörenden Reise in das Wesen der amerikanischen Seele und lehnt sich in der Darstellung der Zerrissenheit seiner Figuren stark an Francis Ford Coppolas Vietnamkriegsdrama Apocalypse Now (1979) an. Am Schluss sind neben Blocker, der Farmersfrau und einem Indianerjungen aus Yellow Hawks Familie alle übrigen des Trupps und diejenigen, die ihren Weg kreuzten, entweder tot oder schwer verwundet.
Wes Studi schlägt sich besonders überzeugend als krebskranker alter Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk. Seit Der mit dem Wolf tanzt (1990) ist er zu einem geradezu unverwechselbar typischen und daher fortlaufend wiederverwendeten Indianercharakter geworden: Der letzte Mohikaner (1992), Geronimo – Das Blut der Apachen (1993), Wind River (1999), The New World (2005) und die TV-Miniserie Into the West – In den Westen (2005).
In den sparsam eingestreuten Actionszenen wird die gnadenlose Gewalt ungeschönt deutlich. Cooper lässt deren Schrecken jedoch erfreulicherweise eher dezent zum Ausdruck kommen. Das ist in der Wirkung letztlich eindringlicher und beklemmender als in Serie präsentierte, bis in die Magengrube reichende Splattereinlagen. Ausgezeichnet ist die Kameraarbeit des Japaners Masanobu Takayanagi. Dieser hat das sehr ruhig erzählte Epos im aus unzähligen US-Western so vertrauten Stil, nämlich erhabenen Einstellungen und Landschaftspanoramen von oftmals großer Schönheit, eingebettet. Hierbei kommt als klassischer Western-Bezug unmittelbar der von der Farbenglut des 3-Farben-Technicolor geprägte Mittelteil von John Fords Kavallerie-Trilogie, She Wore a Yellow Ribbon * Der Teufelshauptmann (1948), in den Sinn, in welchem der kurz vor seiner Pensionierung stehende Hauptmann Brittles (John Wayne) ebenfalls einen letzten Auftrag zu erfüllen hat. Als weiteren Bezugspunkt kann man erneut bei Ford fündig werden: In The Searchers * Der schwarze Falke (1956) begibt sich der wiederum von John Wane verkörperte, hier allerdings deutlich gebrochener erscheinende, wie Blocker von unbändigem Hass auf die Ureinwohner erfüllte Bürgerkriegsheimkehrer Ethan Edwards auf eine jahrelange Suche nach seiner bei einem Indianerüberfall entführten Nichte. Man merkt es den Searchers schon an, dass sie immerhin acht Jahre jünger sind als der noch in deutlich stärkerem Maße idealisiert und romantisiert erscheinende Teufelshauptmann. Zwar taugt der Auftritt der Kavallerie in The Searchers immer noch für einige grandiose Bilder, ihre Taten erscheinen jedoch bereits deutlich fragwürdiger. Feinde – Hostiles legt aber auch darüber hinaus weitere wichtige Referenzen nahe: etwa Robert Aldrichs Ulzana’s Raid * Keine Gnade für Ulzana (1972), Walter Hills Geronimo – Das Blut der Apachen (1993) und nicht zuletzt die vorzügliche TV-Miniserie Into the West – In den Westen (2005).
Coopers Ausflug ins Westerngenre besitzt Atmosphäre, sehr beachtliche Darsteller und ist zweifellos in der Sache engagiert. Im fortwährend durchschimmernden lehrstückhaften Bemühen die Vergangenheit als Projektionsfläche für die Gegenwart zu benutzen, erscheint allerdings gerade in der Summe des Gezeigten so manches allzu sehr konstruiert, um den Zuschauer vorbehaltlos überzeugen zu können. Das beginnt bereits, wenn Captain Blocker gegenüber seinem Vorgesetzten die Ausführung des Auftrages zuerst verweigert und erst nach Androhung eines Disziplinarverfahrens inkl. Verlust der Pension davon abgehalten wird. Oder auch wenn ein Kamerad Blockers den alten Häuptling anfleht: „Wie wir euch Ureinwohner behandelt haben, ist unverzeihlich. Habt Erbarmen mit uns.“ Wenn im Finale zur bereits zuvor kaleidoskopartig präsentierten Reihe weißer Schurken auch noch ein absolut unsympathischer Großgrundbesitzer nebst seinen ebenso finsteren drei Söhnen auftaucht und es sich erlaubt, Captain Blocker massiv zu bedrohen, sich also mit der Army direkt anzulegen, spätestens dann ist es des zwar sicherlich gut Gemeinten doch eindeutig zu viel.
Hinzu kommen einige Ungereimtheiten in der Darstellung der Charaktere. Wie im Film erwähnt wird, war Captain Blocker an der „Schlacht am Wounded Knee“ vom 29. Dezember 1890 beteiligt. Dies war aber keine Schlacht, sondern vielmehr ein reines Massaker an praktisch Wehrlosen (zum Großteil Frauen und Kindern), welches ihm offenbar selbst im Nachhinein keinerlei Gewissensbisse verursachte. Wie das Wesen dieses erklärten Indianerschlächters, der „mehr Skalpe gehäutet hat als Sitting Bull“, im kurzen Zeitabschnitt der Filmhandlung um 180 Grad gewandelt zu werden vermag, das ist nur bedingt glaubwürdig. Am Schluss als Zivilist erscheint Blocker geradezu als Personifizierung des liberalen gebildeten Amerika, er liest Cäsars „Gallische Kriege“ in Latein. Schwer verständlich ist auch die sich rasch entwickelnde Zuneigung der Farmerin Rosalie Quaid (Rosamund Pike) zu Yellow Hawk und seiner Familie. Sie hat doch erst kurz zuvor als einzige die bestialische Ermordung ihres Mannes und der drei Kinder durch besagte Komantschen überlebt und erscheint ob ihres massiven Traumas zuerst durchaus glaubhaft, nämlich geradezu halb wahnsinnig. Yellow Hawk und seine Leute sind – ebenso unglaubwürdig – von Anfang an ihren sie anfänglich malträtierenden Bewachern gegenüber überhaupt nicht feindselig, sondern vielmehr geradezu lammfromm und kooperativ.
Die als noch recht alltäglich dargestellte Situation eines Indianerüberfalls passt zudem eher in die 1870er und frühen 1880er, jedoch nicht mehr in die 1890er Jahre, als mit „Wounded Knee“ die Ära des Wilden Westens praktisch an ihrem Ende angekommen war. Überfälle durch entflohene kleine indianische Gruppen auf einsame Siedlungen kamen bereits seit Mitte der 1880er nicht mehr vor. Bis dahin waren nämlich auch die letzten noch freien Indianer unterworfen und zwangsweise in Reservate untergebracht, in denen sie schlecht versorgt und praktisch als Gefangene gehalten ein eher verzweifeltes Dasein fristeten. Als der aus einem solchen Reservat nochmals entflohene Geronimo (übrigens zusammen mit Ulzana) im Herbst 1886 endgültig kapitulierte, gingen nur noch 36 von zuvor rund 500 Kriegern in Gefangenschaft. Was in den darauf folgenden Jahren in den Reservaten vor sich hin vegetierte, waren in erster Linie entwurzelt dahin dämmernde Indianer, die um ihre kulturelle Identität gebracht worden waren. Aus diesen hätte man die im Film gezeigte wohlgenährte, gut bewaffnete und mit in sichtlicher Topform befindlichen Pferden ausgestattete Komantschengruppe wohl kaum mehr rekrutieren können.
Dies alles macht Coopers zwar engagierte, aber allzu durchsichtig und mitunter auch etwas aufdringlich als Lehrstück inszenierte Odyssee in den amerikanischen Gründermythos von der Eroberung des Westens zwar nun gewiss nicht schlecht, aber eben auch nicht zu einem ganz großen Film. Die bereits genannten Westernvorläufer Ulzana’s Raid, Geronimo und nicht zuletzt die vorzügliche TV-Miniserie Into the West – In den Westen (2005) sind m.E. überzeugender. Alles in allem, taugt Feinde – Hostiles aber unbedingt für einen sehr interessanten Heimkinoabend und darüber hinaus auch für anregende Diskussionen.
Filmmusik: Max Richter
Der in Hameln geborene und in England aufgewachsene, 52-jährige Max Richter sieht sich als „Post-Classical-Komponist“ und beruft sich in seinen oftmals collageähnlichen, teils synthetischen Klanggebilden auf minimalistische Vorbilder wie Steve Reich und Philipp Glass. Er schöpft aus Minimal- wie Ambientmusic, mischt akustische mit synthetischen Sounds und gelegentlich auch Geräuschen. Was dabei herauskommt, sind oftmals sphärisch-meditativ anmutende Ausflüge in nicht alltägliche klangliche Sphären, in denen es zwar durchaus dem Publikum zugewandte melodische Passagen gibt, aber dazwischen auch vieles, was keinesfalls in die Kategorie leichte Kost gehört. Auch die klanglichen Gewebe, die der Komponist für Hostiles – Feinde erstellte, bilden da keine Ausnahme. An einer Stelle türmen sich hier die Sounds sogar mal zu einer funkelnden, stark an Wagners Rheingoldvorspiel gemahnenden Klangwolke auf.
Besonders bemerkenswert ist dabei allerdings der Einsatz der außergewöhnlichen „Yaybahar“, welche vom türkischen Instrumentenbauer Görkem Şen aus Istanbul entwickelt worden und Ende 2014 vorgestellt worden ist. Dieses rein akustische Instrument klingt nämlich erstaunlicherweise wie ein Synthesizer. Es besteht aus einem vertikalen Teil, der, wenn auch eher abstrakt, noch an ein Cello oder einen Kontrabass erinnert. Von diesem gehen aber in der Horizontalen noch zwei erheblich längere Saiten-Stränge ab zu zwei im Abstand nebeneinander aufgestellten, trommelfellähnlichen Membranen von unterschiedlicher Größe, mit denen sie jeweils elastisch verbundenen sind. Werden die vertikalen Saiten noch annähernd klassisch mit dem Bogen zum Schwingen gebracht (gestrichen), so kommt dafür bei den Horizontalen ein sehr weicher Schlegel zum Einsatz, wobei damit auch noch zusätzlich die Membranen angeschlagen werden können (siehe Demo auf Youtube).
Im von Richter zum Gesamtwerk nachbearbeiteten Resultat ist selbiges zweifellos sowohl experimentell als auch geschickt gemacht. Im klanglichen Gestus erinnert es freilich häufiger an die vergleichbar ungewöhnlich konzipierten Klangmontagen Hans Zimmers zu Interstellar oder Inception. Inwieweit so etwas, für mein Empfinden eher Science-Fiction- und Thrillertaugliches, auch zu einem Western passt, ist sicher Geschmacksache. Mich hat der mitunter wabernde klangliche Mix im Film zwar nicht allzu sehr gestört, aber doch etwas ratlos zurückgelassen. Gelöst von den Filmbildern möchte ich mir diesen aber eher nicht zu Gemüte führen.
Feinde – Hostiles in HD auf BD
Universum präsentiert den Film im üblichen Amaray-Set, in welchem ausschließlich die Film-BD untergebracht ist.
Bild und Ton
Durchweg sehr gut ist der Bildeindruck, welcher sich insbesondere in den Tageslichtszenen durch sehr gute Schärfe, prima Schwarzwert sowie sauberen Kontrast auszeichnet. Dabei ist es in meinen Augen insgesamt sehr erfreulich, dass man offenbar natürliche Bildeindrücke angestrebt hat und sich der heutzutage viel zu häufig anzutreffenden oftmals massiven Bildverfremdungen durch entsättigte Farben sowie Manipulationen bei Helligkeit und Kontrast verweigert hat. Nicht ganz so überzeugend fallen einige der zum Teil sehr dunklen Nachtszenen aus, in denen, da einiges zu früh im Schwarz verschwindet, sowohl Schärfe als auch Detailvielfalt Einbußen verzeichnen. Obwohl auf 35-mm-Filmmaterial aufgenommen worden ist, bleibt Filmkorn wenig auffällig. Entsprechend vorzüglich sehen denn auch die vielfältigen Landschaftspanoramen aus, welche ja einen mitentscheiden Teil des Reizes bereits im klassischen amerikanischen „Heimatfilm“ ausmachen.
Ebenfalls sehr überzeugend ist der Ton, welcher selbst im „nur“ 5.1-Surroundformat für ein in den ruhigen Teilen sehr fein detailliertes Klangdesign sorgt, das zudem sehr stimmig im Raum platziert erscheint und in den Actionpassagen mit kraftvoll-wuchtigen Effekten aufwartet.
Boni
Die Boni-Sektion ist sämtlich in HD und hat neben der recht informativen dreiteiligen Doku „A Journey of the Soul: The Making of Hostiles“ (rund 63 Minuten) noch die üblichen Interviewschnipsel in „Interviews mit Cast & Crew“ (rund 16 Minuten) im Angebot. Ein Wermutströpfchen ist dabei allerdings, dass dazu keine deutschen Untertitel wählbar sind.
Fazit: Regisseur Scott Cooper hat sich in seinem vierten Kinofilm doch etwas zu viel vorgenommen. In dem mitunter etwas aufdringlich spürbaren Bemühen, das Heutige auf Figuren des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu projizieren, besitzt Feinde – Hostiles einige Schwächen. Davon abgesehen ist es ein bemerkenswertes Filmdrama mit Atmosphäre, guter Ausstattung und sehr beachtlichen Darstellern. Auch wegen der unübersehbar sorgfältigen Kameraarbeit im Verbund mit den in Serie äußerst stimmungsvoll eingefangenen, oftmals prachtvollen Landschaftspanoramen ist es zudem zweifellos ein sehr ansehnlicher und auch diskussionswürdiger Streifen.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.