King Arthur
Bei Jerry Bruckheimers King Arthur stellt sich (wieder einmal) die Frage, warum ohne Not ein geradezu fantastisch zusammenkonstruierter Plot gewählt worden ist, der sich überzogen große Freiheiten gegenüber den historischen Gegebenheiten nimmt – siehe dazu den Artikel zum Hans-Zimmer-Score sowie zu Marcus Junkelmanns Buch: „Hollywoods Traum von Rom“.
Das „Abenteuer“ beginnt mit der zu Beginn des Films eingeblendeten Jahreszahl 452: Eine Zeit, zu der die römische Herrschaft in Britannien längst Geschichte war. Arthur wird dennoch als Führer einer römischen Hilfstruppe eingeführt und auch die Räumung des Hadrianswalls und Großbritanniens steht erst unmittelbar bevor. Der römische Kaiser wird im Verlauf der Handlung übrigens nicht einmal erwähnt. Der eher unbedarfte Zuschauer erhält vielmehr den Eindruck, als sei das römische Imperium jener Zeit ein vom Pabst dominierter autoritärer Kirchenstaat gewesen. Das ist ebenso unsinnig, wie die im Film unterstellte Landung sächsischer Invasoren derart weit nördlich, dass diese gegen den Hadrianswall anrücken müssen. Die aus dem Gebiet des heutigen Norddeutschlands stammenden Sachsen sind natürlich entsprechend ihrer geographischen Herkunft erheblich weiter süd-östlich an Land gegangen. Sie kamen auch nicht unmittelbar als Bedrohung, sondern wurden nach dem Abzug der Römer als Verbündete gegen die Pikten ins Land gerufen.
An dieser Stelle kommt dann allerdings noch eine kräftige Prise antideutschen Ressentiments hinzu. So darf sich diese Sorte Germanen nicht allein besonders rüde und gewalttätig gebärden: Ihr Anführer Cerdic (Stellan Skarsgård) stoppt eine Vergewaltigung gar mit dem Hinweis, man wolle das eigene Blut nicht verdünnen, und lässt die Vergewaltigte prompt ermorden. Das ist nicht nur historisch falsch, sondern allein unzeitgemäß und peinlich. Derartigen Rassismus hat es schlichtweg nicht gegeben: Im Gegenteil! Wie geradezu bereitwillig die hier als verkappte Nazi-Mordbuben dargestellten Sachsen mit den Ureinwohnern „Rassenschande“ betrieben haben, belegen eindeutig gentechnische Untersuchungen. Spätestens bei der filmisch beachtlich umgesetzten „Schlacht auf dem Eis“ – gedreht in Irland im August – wird dann die gewollte Parallele zu Alexander Newski und damit zu anscheinend immer noch beliebten antideutschen Klischees unübersehbar: Angeführt von Til Schweiger als Cerdics Sohn Cynric darf ein Teil der rassistischen Germanen das Schicksal der deutschen Ordensritter im Eisensteinschen Propagandaepos vorwegnehmen. Bei einem Film, der gerade im Vorfeld des Erscheinens auf sein angeblich besonders hohes Maß an historischer Glaubwürdigkeit pochte, ist das eindeutig unterschwellige Bedienen antideutscher Gefühle schon ein recht starkes Stück – allerdings spiegelte sich der jeweilige politische Zeitgeist ja schon immer in den Filmproduktionen (nicht allein) Hollywoods wider.
Ebenso wenig überzeugt, wie fortwährend mit dem Begriff Freiheit – fast schon die Französische Revolution vorwegnehmend – und zugleich im betont amerikanischen Sinne operiert wird. Entsprechendes gilt für den das letzte Filmdrittel durchwehenden Hauch von Nationalbewusstsein. Merkwürdigerweise operieren die Pikten in King Arthur bereits hinter dem noch intakten Hadrianswall. Und ganz kurios: Derselbe, von Merlin angeführte Haufen stellt Arthur und seinen tapferen Recken wenige Tage später auch vor dem Wall eine Falle. Die das Spektakel beschließende große Schlacht ist zwar zweifellos technisch gut gemacht. Sie kommt aber über eine respektable Braveheart-Replik kaum hinaus: Einfach allzu oft schon hat man mittlerweile derartig von Feuersbrünsten und Rauch durchzogenes blutiges Hauen und Stechen zu sehen bekommen.
Unterm Strich ist damit auch diese Jerry-Bruckheimer-Produktion – wenn auch nicht derart extrem wie Pearl Harbor – ein reines Kommerzprodukt, das in erster Linie durch den sichtbar betriebenen Aufwand partiell durchaus ansehnlich geraten ist. Dies gilt in besonderem Maße für den wirklich gelungenen Hadrianswall – nebst römischem Kastell , der seinerzeit von Küste zu Küste reichte und die Grenze des römischen Einflussbereichs in Britannien markierte. Diese eindrucksvolle römische Grenzbefestigung hat schon der berühmte britische Autor Rudyard Kipling (Schöpfer von „Das Dschungelbuch“) begeistert und verklärend beschrieben: „Selbst alte Veteranen, die von Kind an mit den Legionsadlern umhergezogen sind, sagen, kein Anblick im ganzen Reich wäre wunderbarer als der erste Blick auf die Mauer “. An besagter findet der, der das Kinoabenteuer vor historischem Hintergrund liebt, in der Tat eine Reihe besonders beachtlicher und eindrucksvoller Momente, die das Herz (zumindest kurzzeitig) schneller schlagen lassen. Das gilt im Rahmen auch für die von Artus und seinen Männern als letzter Auftrag ausgeführte Rettungsaktion im Feindesland. Zwar ist der Anlass dafür, die Bewohner eines vorgeschobenen römischen Landgutes zu retten, ebenso abstrus wie der dort vorgefundene kirchliche „Inquisitions-Kerker“ – das „passt“ allerdings wiederum vorzüglich zum einfach nur abenteuerlich zusammengeklaubten Gesamtszenario. Alles in allem ist aber der damit verbundene Szenenkomplex durchaus unterhaltsam und visuell spektakulär geraten. Klasse besitzen dabei besonders die tricktechnisch brillant umgesetzten Winterszenen, die in Wahrheit im Sommer aufgenommen wurden. Dazu gehört auch die partiell scheinbar von unten durch das Eis hindurch fotografierte Schlacht auf dem zugefrorenen See und das schließliche (wie bei Eisenstein) Einbrechen der bösen Deutschen.
Der Film ist in zwei Versionen auf DVD erhältlich. Neben der rund zweistündigen Kinofassung ist die ansonsten gleich ausgestattete „Unzensierte Fassung“ (Directors Cut) erhältlich, die über 14 Minuten mehr Filmmaterial verfügt. Letzlich finden sich zum zusätzlichen Szenenmaterial keinerlei aufklärende Hinweise, an welchen Stellen etwas hinzugefügt worden ist. Das der DVD beiliegende sogar recht dicke Begleitheft enthält allein Werbung für diverse Bruckheimer-Filme und besonders für die große Bruckheimer-DVD-Blockbuster-Kollektion. Auch der eher reißerische Hinweis per Aufkleber auf 14 Minuten mehr an „gnadenloser“ FSK-16-Action hilft dem Filmfreund nicht weiter. Allerdings sind die Spielszenen des Directors-Cut bis auf eine kurze Szene zu Beginn (Arthur als Kind mit seinem Mentor Pelagius) kaum markant, vielmehr eher unauffällig ergänzt und erweitert: In erster Linie sind die Kampfszenen eindeutig länger, blutiger und damit krasser geworden. Dass die hierbei zu sehenden Kampftechniken fast durchweg allzu modern, mitunter schon fernöstlich anmuten, dürfte an dieser Stelle wohl kaum noch jemanden überraschen. Das gilt auch für die zwar keineswegs billige, zeitlich jedoch oftmals unstimmige Ausstattung, sowie für diverse eher mätzchenhaft anmutende Momente in Darstellung und Dialogen.
Bei Bild und Ton liegen beide Editionen auf hohem Niveau und verdienen jeweils – wenn auch knapp – die Note „sehr gut“. Das Bild ist (wie schon im Kino) recht dunkel, aber von DVD immerhin deutlich schärfer. Die für das Prädikat „herausragend“ entscheidende, die Brillanz bestimmende Portion Schärfe fehlt allerdings auch hier. Allein die „Unzensierte Fassung“ enthält den deutschen Ton neben dem üblichen AC-3-5.1 auch in dts. Im bei beiden Editionen identischen – gegenüber der US-Ausgabe allerdings stark abgespeckten – Zusatzmaterial findet sich neben einer Bildergalerie ein alternativer, weniger versöhnlicher Schluss („mit“ ohne Hochzeit) sowie ein rund 17-minütiges Making Of. Hier gibts neben Werbegetrommel einige interessante Blicke hinter die Kulissen, wobei auch der über eine Länge von rund einem Kilometer (!) in natura erbaute Hadrianswall erfreulicherweise nicht zu kurz kommt. Den Fans von Hans Zimmer wird ein Schnipsel von den Musik-Einspielungen samt einigen erläuternden Anmerkungen vom Maestro höchstpersönlich geboten. Etwas mehr hätte es allerdings ruhig zur tricktechnisch brillanten Realisierung der verfremdeten Landschaften, wie auch den nachträglich per Computer gelungen generierten winterlichen Stimmungen geben dürfen.
Unterm Strich erhält der Käufer ein in Teilen zwar bildgewaltig ausgeführtes, handlungsmäßig allerdings teilweise geradezu grotesk übersteigertes Abenteuer-Action-Kino Marke Jerry Bruckheimer. Eines, das partiell immerhin leidlich unterhaltsam daherkommt. Die vorhandene Chance, den komplexen, über Jahrhunderte gewachsenen Arthus-Mythos im Rahmen eines historisch (wenigstens einigermaßen) glaubwürdigen und damit letztlich wirklich überzeugenden Handlungskonstrukts neu zu interpretieren, ist dabei trotz anders lautender Werbung leider vollkommen vertan worden.