Der Marsianer – Rettet Mark Watney

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
10. April 2016
Abgelegt unter:
3D

Film

(5.5/6)

Bild

(5.5/6)

Ton

(5/6)

Extras

(2/6)

Ein Survival- und Nerd-Thriller von Ridley Scott: Der Marsianer – Rettet Mark Watney (3D)

Astronaut Mark Watney (Matt Demon), Mitglied der Mars-Mission „Ares 3“, ist im wohl wahrsten Sinn des Wortes der einsamste Mensch überhaupt. Seit einer notfallmäßigen Evakuierungsaktion seiner Crew gilt er als tödlich verunglückt und wurde allein auf dem Mars zurückgelassen. Doch Watney hat den Unfall überlebt. Er hat es nicht nur zurück in die noch intakte Wohnkuppel der Mars-Mission geschafft, sondern sich auch selbst ausreichend medizinisch versorgen können – was in der Umsetzung schon an die vergleichbar deftige Operationsszene aus Ridley Scotts Alien-Neustart Prometheus  – Dunkle Zeichen (2012) erinnert. Das Ergebnis einer kritischen Bestandsaufnahme der vorhandenen Resourcen ist allerdings ernüchternd: Er kann zwar ca. 300 Tage überleben, aber bis zur Ankunft von Ares 4 dauert es noch rund vier Jahre. Um den avisierten Landeplatz von Ares 4 im Schiaparelli-Krater zu erreichen, müsste er zudem rund 3000 km zurücklegen. So stellt er so pragmatisch wie humorvoll fest: „Ich muss mich mit Wissenschaft aus der Scheiße ziehen!“

Watney packt’s an und stellt seine Fähigkeiten als Botaniker, aber auch als Chemiker raffiniert unter Beweis, wobei mitunter auch mal etwas schiefgeht. So sprengt er sich beim Herstellen von Wasser aus den Elementen, was man bezeichnenderweise auch „Knallgasreaktion“ nennt, fast in die Luft. Doch unser Held lässt sich nicht unterkriegen. Unter großen Schwierigkeiten gelingt es ihm schließlich, die Wohnkuppel  zum Treibhaus umzufunktionieren und aus vorhandenen frischen Kartoffeln kräftig Nachwuchs zu erzeugen. Dazu wird auch die besagte Scheiße (des Astronauten) benötigt, um in der eingebrachten Mars-Erde die benötigte Fruchtbarkeit herzustellen.

Wie es Mark Watney so trickreich schafft, seine Überlebenschancen bis zur Ankunft von Ares 4 schrittweise zu verbessern, wie man zuerst auf der Erde auf ihn aufmerksam wird, es ihm dann auch gelingt, mit der NASA dauerhaft in Funkkontakt zu treten, und natürlich die finale Rettungsoperation selbst, das ist, durchgehend großen Wert auf Realismus legend, intelligent in Szene gesetzt. Watneys unbeugsamer Glaube an seine Rettung stilisiert den Protagonisten dieser modernen Robinsonade schon etwas sehr zu einem Über-Helden des 21. Jahrhunderts. Dass die Erkenntnis, von allen verlassen völlig allein auf dem Roten Planeten zu sein, für ihn nicht einmal ansatzweise zur enormen psychischen Belastungsprobe zu werden scheint, ist natürlich kaum glaubhaft. In den Sinn kam mir dies allerdings erst im Nachhinein; so überzeugend, im Sinne von ungezwungen und geradezu zum Anfassen natürlich, gelingt es Matt Damon nämlich, den sympathischen Nerd zu verkörpern. Dabei spielt der oftmals sarkastisch-flapsige Tonfall, in dem er Vieles herüberbringt, zweifellos eine gewichtige Rolle, etwa wenn er sich zu den Handhabungsrisiken eines zur Energieversorgung mitgeführten Behälters mit radioaktivem, hochgiftigem Plutonium äußert. Äußerst witzig sind auch seine Überlegungen zur Rechtslage als Marsbewohner unter dem drolligen Stichwort „Raumpirat“. Praktisch alles hat hier Hand und Fuß und gleitet erfreulicherweise nie in reinen Klamauk ab. Dazu liefert letztlich die Romanvorlage von Andy Weir das ausgeklügelte Fundament. An technischer Science-Fiction Interessierte dürften hieran besonders große Freude haben. Dass in Scotts Marsianer Helden- und/oder US-Pathos eine nur marginale Rolle spielen, verleiht dem Film noch eine zusätzliche Portion Leichtigkeit.

Alles in allem bekommt man in Der Marsianer High-Tech-Wohlfühlkino mit für Ridley Scott typischer, cooler Technik und grandiosen Spezialeffekten. Wobei man den zu idealisierenden Blick auf die NASA und auf die internationale Politik (wegen der geradezu selbstverständlich anmutenden Kooperation mit den Chinesen) schon feststellen muss, aber auch direkt verzeihen kann. Egal! Der Marsianer verfügt nicht nur über eine faszinierende Optik, sondern hat dank der Nähe zur pfiffigen Romanvorlage von Andy Weir auch ein sehr ausgefeiltes, weitgehend schlüssiges Drehbuch im Gepäck, etwas, das im Science-Fiction-Kino eben nicht selbstverständlich ist.

Nachdem Ridley Scotts dubioser Ausflug ins Bibel- und Sandalenkino mit Exodus – Götter und Könige zwar ebenfalls bildgewaltig, jedoch ansonsten eher zum Flop geriet, ist ihm mit Der Marsianer ein so interessantes wie auch sehr spannendes Science-Fiction-Weltraumabenteuer gelungen, das sich neben den bemerkenswertesten jüngsten Genre-Vertretern der letzten Jahre, Gravity (2013) und Interstellar (2014), als gleichwertig behaupten kann. Wie bei diesen, sind auch in Der Marsianer Verweise auf den großen filmischen Vorläufer 2001- Odyssee im Weltraum (1968) unübersehbar, etwa beim das Drama eröffnenden Sonnenaufgang – dieses Mal natürlich hinter dem Roten statt hinter dem Blauen Planeten. An Gravity erinnert natürlich die Survival-Thriller- Thematik. Und auch hier gilt: Selbst wenn man längst weiß, dass es schließlich gut ausgeht, so wird es doch gerade in den entscheidenden Momenten, wenn es darum geht, den bereits per Raumkapsel-„Cabrio“ (s.u.) auf dem Weg befindlichen Mars-Robinson an Bord des Raumschiffs „Hermes“ zu holen, nochmals verflixt spannend. Den beiden Mars-Epen aus dem Jahr 2000, Red Planet (Regie: Antony Hoffmann) und Mission to Mars (Regie: Brian de Palma), ist Der Marsianer sogar haushoch überlegen. Entsprechend erfolgreich hat der Film denn auch bereits am Startwochenende eingeschlagen und in den USA mit 55 Mio $ den zweitbesten Oktober-Start „aller Zeiten“ hingelegt.

Das liegt wohl auch mit daran, dass den Zuschauer nicht eine der üblichen, durchweg pessimistischen Gegenwarts- und Zukunftsbetrachtungen mit Endzeitstimmung im Gepäck erwartet, sondern vielmehr eine kräftige Prise Wohlfühlkino alter Schule, geschickt verpackt in ein modernes Gewand. Auch die idealisierende humanistische Botschaft, der Watney im letzten Logbucheintrag Ausdruck verleiht steht dafür: „Wenn ich an die ungeheure Zahl von Menschen denke, die sich zusammengetan haben, um meinen armen Arsch zu retten, kann ich es kaum fassen. … Warum haben sie sich die Mühe gemacht? … Aber vor allem haben Sie es getan, weil jeder Mensch den Urinstinkt hat, einem anderen Menschen in Not zu helfen. Manchmal mag es nicht so scheinen, aber es ist wahr.“ Da kann man doch endlich mal wieder so richtig mit sich und der Welt zufrieden dem Kinosessel oder alternativ auch dem heimischen Fernsehsessel entsteigen, nicht wahr?

Andy Weirs „Der Marsianer“ als Buch- und Hörbuch bei Randomhouse

Andy Weirs Debutroman gibt’s als Heyne-Taschenbuch in der Filmausgabe mit Plakatmotiv als Cover. Mit rund 500 Seiten ist der Roman zwar noch kein Wälzer, aber auch nicht gerade schlank geraten. Wer sich erst einmal festgelesen hat, der wird bei dieser intelligenten Story nur ungern eine Pause einlegen. Gerade im breit angelegten Prolog, wo sich Watney trickreich daran macht, die Grundlagen dafür zu schaffen, über einige Jahre auf dem Mars überleben zu können, geht’s zwar nicht ohne eine Reihe physiko-chemischer Grundkenntnisse ab. Gerade die keineswegs akademisch-trocken zu lesenden, sondern sehr geschickt eingearbeiteten, weitgehend stimmigen wissenschaftlich-technischen Details sind es jedoch, was Weirs positive Utopie und ebenso Ridley Scotts Verfilmung so überzeugend und lebendig werden lässt. Freunde realitätsnaher technischer Science-Fiction kommen hier voll auf ihre Kosten. Zum eher Wenigen das so nicht stimmt, gehört der die eilige Evakuierung der Marsmissions-Crew auslösende gigantische Sandsturm. Zwar ist der Mars für riesige Staubstürme bekannt. Da der Druck der Mars-Gashülle aber weniger als 1 % der Erdatmosphäre (nur ca. 6 Millibar) beträgt, besitzen diese Stürme trotz eindrucksvoller Windgeschwindigkeiten „mangels Masse“ eine nur geringe Zerstörungskraft. Entsprechend könnte allerdings wiederum Watneys finale Flucht von der Marsoberfläche per gewichtsmäßig drastisch abgespeckter Raumkapsel, die, da sie auch keine Fenster mehr enthält, von ihm drolligerweise als „Cabrio“ bezeichnet wird, durchaus funktionieren. Weirs Buch kommt darüberhinaus auch im Faktencheck bei Experten sehr gut weg (siehe Anhang) und ist 2015 entsprechend zum Wissensbuch des Jahres gekürt worden.

Zwar mag der eine oder andere unmittelbar etwas darüber enttäuscht sein, dass in der Hörbuchversion nicht Simon Jäger, Matt Damons Synchronstimme seit 2007, liest. Doch erweist sich auch Richard Barenberg (geb. 1976) als sehr gute Wahl. Mit dem warmen, aber zugleich sehr differenzierten Ausdruck seiner weichen, angenehmen Stimme gelingt es ihm sehr überzeugend, dem Text Leben einzuhauchen. Erfreulicherweise ist die Hörbuchfassung ungekürzt. Derart kompetent vorgetragen bereitet nicht zuletzt die breit angelegte, besonders stark vom naturwissenschaftlichen Pfiff lebende Eröffnung, in welcher Mark Watneys findiger Überlebenskampf in den ersten Wochen nach der Evakuierung ausführlich geschildert wird, besonders viel Spaß.

Die Abenteuer des Mark Watney von 3D-Blu-ray

Das Doppel-BD-Set enthält eine 3D-Blu-ray, die neben dem Film in der 3D-Version nur mit ein paar 2D-Trailern aufwartet. Auf der zweiten Disc ist neben der 2D-Fassung auch das Bonusmaterial untergebracht.

Bild, Ton & Extras

Sowohl 2D- wie auch 3D-Version des Films rangieren annähernd auf Referenzniveau. Fast durchweg wird das sehr detailfreudige Bild von sehr guten bis exzellenten Werten für Schärfe, Kontrast, Schwarzwert und Farbe bestimmt. Nur in einzelnen, ganz kurzen Abschnitten wirkt es etwas softer, und hier und da ist kurzzeitig auch mal der Schwarzwert geringfügig zu hell. Infolge ihrer Kürze stechen derartige minimale Beeinträchtigungen aber kaum hervor, werden also kaum als störend registriert.

Die 3D-Präsentation zeigt zudem kaum Doppelkonturen und, wenn kurzzeitig doch mal, dann erfreulicherweise nur sehr dezent. Das bedeutet, dass die Augen kaum irritiert und ermüdet werden. Auch in Sachen Tiefenwirkung ist das Gezeigte äußerst überzeugend. Die geradezu atemberaubend aussehenden Mars-Panoramen entstanden zum Großteil im durch seinen roten Sandstein bereits von Natur aus sehr eindrucksvollen jordanischen Wadi Rum, das übrigens auch als Hintergrund für Lawrence von Arabien (1962) diente. Dass Ridley Scott Pop-Out-Effekte offenbar meidet wie der Teufel das Weihwasser, wird hier nun sicher nicht zum Manko. In einzelnen ausgewählten Momenten überzeugend platziert sind diese m.E. allerdings schon äußerst hilfreich dabei, die räumliche Illusion für den Zuschauer und damit die scheinbare Nähe zum Leinwandgeschehen nochmals deutlich zu verstärken.

Hinter dem oftmals praktisch perfekten Bildeindruck braucht sich auch die ebenfalls mit Sorgfalt und Professionalität gestaltete Surround-Tonkulisse nicht zu verstecken. Obwohl die deutsche DTS 5.1 Tonspur gegenüber dem in 7.1 HD Master Audio vorliegenden englischen Originalton rein technisch gesehen als abgespeckt gelten muss, gilt hierbei zugleich: Wer’s nicht weiß, den macht’s kaum heiß! Sie ist nämlich nicht nur in der Lage, sehr überzeugend im Raum platzierte kleine akustische Details sehr fein aufgelöst wiederzugeben. Sondern wo angebracht, agiert sie auch mit kraftvollen Effekten. Dank der ausgewogenen Klangbalance drohen im Klanggeschehen zudem weder die Musik noch die Dialoge unterzugehen.

Die Bonikollektion erscheint allerdings nur auf den allerersten Blick recht vielversprechend. Beim näheren Hinsehen fällt nicht nur auf, dass die meisten Features äußerst kurz sind, sondern es wird auch schnell deutlich, dass sich darunter leider nur wenig Gehaltvolles befindet, dafür umso mehr reine Werbung. Das mit Abstand Interessanteste sind die beiden Featuretten „Vom Buch zum Film“ (rund 10 Minuten) und „Besetzung & Kostümdesign“ (rund 14 Minuten). Der Rest hat nichts Nennenswertes zur Produktion und deren einzelnen Aspekten zu bieten. Dass es keinerlei 3D-Bonussegment gibt, überrascht insofern kaum mehr.

Fazit: Ridley Scotts Der Marsianer versteht es, nicht nur wegen seiner, insbesondere in 3D, grandiosen Flut opulenter Bilder, sondern auch dank seines intelligenten wissenschaftlich inspirierten Touches zu überzeugen. Erfreulicherweise ist die Handlung nicht mit einem unnötig bedeutungsschwangeren philosophischen Überbau überfrachtet. Dank der betont glaubwürdig-sachlichen und zugleich optimistischen Herangehensweise bekommt man hier einen besonders entspannten, dabei sehr unterhaltsamen und spannenden Blockbuster zu sehen. Die 3D-Blu-ray-Ausgabe ist technisch tadellos, bei den Boni allerdings arg flachbrüstig geraten.

Ridley Scotts gelungene Verfilmung macht zudem neugierig auf Andy Weirs noch mehr ins Detail gehende, mindestens ebenso faszinierende Buchvorlage, die zu Recht (!) als Wissensbuch des Jahres 2015 ausgezeichnet worden ist.

Weiterführende Links:

SPIEGEL-ONLINE: Faktencheck Der Marsianer: Viel Science und etwas Fiction

SCINEXX.de: Die Staubstürme: Wie realistisch ist das Sturmszenario?

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Originaltitel:
The Martian

Regisseur:
Scott, Ridley

Erschienen:
2016
Vertrieb:
20th Century Fox Home Entertainment
Kennung:
3D-BD-Set: 3D-BD & BD (Film + Bonus)
Zusatzinformationen:
USA 2015

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