Das Parfüm — Die Geschichte eines Mörders
Nach Dan Browns Romanverfilmung The Da Vinci Code steht mit Patrick Süskinds „Das Parfüm“ eine weitere Leinwandadaption eines Bestsellers (erschienen 1985) vor der Kino-Premiere. Dieses Mal versucht Produzent Bernd Eichinger von Constantin-Film zusammen mit dem aus Wuppertal stammenden Tom Tykwer (geboren 1965: Winterschläfer, Lola rennt Der Krieger und die Kaiserin, Heaven) mit einem im Frankreich des 18. Jahrhunderts spielenden Kostümstoff das Kinopublikum zu betören — als Buch derzeit übrigens die international mit Abstand erfolgreichste deutsche Romanpublikation überhaupt.
Im Zentrum der Filmhandlung steht Jean-Baptiste Grenouille (Ben Whishaw) der nicht nur einen außergewöhnlichen Geruchssinn besitzt. Grenouille ist schwer verhaltensgestört, autistisch veranlagt und daher unfähig zu Menschen ein normales Verhältnis zu entwickeln. Durch das vom meisterhaften Parfumeur Baldini (Dustin Hoffmann) Erlernte wird Grenouille letztlich verführt: Er entwickelt sich zum pathologisch Besessenen, ist fortan darauf fixiert, nicht nur naturgegebene Aromen zu kombinieren, sondern die humanoid-femininen Düfte der ihn faszinierenden Frauen zu konservieren. Dafür schreckt er bald auch vor Mord nicht zurück
Die an den Musikeinspielungen beteiligten Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle und auch der lettische Staatschor aus Riga verleihen dem Projekt (zweifellos beabsichtigt) auf den ersten Blick eine Aura hoher Kunst. Ein Eindruck, der einer akustischen Prüfung jedoch nicht standzuhalten vermag. Zwar bekommt man hier beträchtliche Spielzeit für’s Geld, aber über die Gesamtlaufzeit von rund 70 Minuten leider recht wenig musikalische Substanz geboten. Insgesamt handelt es sich klanglich um keine ausgefeilte, raffinierte „Duftkomposition“, welche die Sinne zu verführen vermag. Das von Regisseur Tom Tykwer beigesteuerte (quasi-)sinfonische Klang-Parfüm erweist sich beim eingehenderen Hören als ein sich zwar gewichtig gebendes, aber letztlich schwülstig und aufgeblasen wirkendes klangliches Gebräu. Klanglich fühlt man sich in den Vokalisen und den oftmals sakral anmutenden Chören an Produkte aus dem Hause Hans Zimmer (King Arthur, The Da Vinci Code) und im Melodischen an bescheidenere Einfälle James Horners erinnert. Der immer wieder aufscheinende impressionistische Klangrausch schielt zwar eindeutig auf Ravels „Daphnis und Cloe“; wirkt aber letztlich als eher simple Replik. Und die Spannungsmomente? Diese kommen in ihren Tremoli und einfachen Ostinati über allzu Geläufiges nicht hinaus. Ebenso fehlt dem Score ein angemessener musikalischer Reflex auf die Zeit des im vorrevolutionären Frankreich angesiedelten Kostüm-Stoffes leider nahezu völlig.
Die elektronischen Beiträge der Mitstreiter Tom Tykwers, Johnny Klimek und Reinhold Heil, kann ich allenfalls mit einem Achselzucken zur Kenntnis nehmen. Das Duo steht sowohl für Passables wie zu One Hour Photo aber auch für allein dürftige Soundmixturen wie zu Land of the Dead. Der zu Das Parfüm beigesteuerte Ambient-Touch liegt etwa auf der Mitte zwischen den vorstehend genannten Scores und führt eher zu einer zusätzlichen Verwässerung des ohnehin nicht umwerfenden Eindrucks. Die Themen sind zwar anhörbar, erweisen sich aber letztlich als recht banal. Der Orchestersatz bleibt wenig differenziert, ist eher blass und diffus — daran ändern auch einige ordentliche Passagen nichts. Und auch das die Musik prägende 6-tönige Basis-Motiv vermag infolge der insgesamt recht schlichten kompositorischen Gestaltung des Scores an der bescheidenen Gesamtsituation nicht viel zu retten. Endlose Ostinatofiguren mit minimalistischem Touch vermögen, zumindest abseits des Films, kaum zu fesseln, vielmehr zu ermüden — z. B. in Track 14, „Awaiting Execution“ an die Eröffnung in Herrmanns Vertigo • Aus dem Reich der Toten erinnernd oder lang gehaltene Akkorde einer Orgel in Track 11, „Grasse in Panic“.
Was die Produktwerbung verspricht, dass es der Musik gelänge, olfaktorische Reize sinnfällig in Musik umzusetzen, ist schlichtweg übertrieben. Das gilt auch für die blumigen Ankündigungen sinnbetörender Klanglandschaften, von der Flüchtigkeit der Düfte, die in atemberaubende Capriccios verwandelt würden und vom schieren Wahnsinn, der sich in gewaltigen Harmonien von halluzinatorischer Kraft offenbare. Nein sorry, zum Ganzen passen Attribute wie: zum einen „schlicht süßlich“ und zum anderen „bombastisch aber hohl“ schon eher. Dies alles bedeutet unterm Strich zwar nicht einfach schlecht oder grottig, aber es steht schon für einen abseits des Films eher blassen Höreindruck.
Zwar ist es grundsätzlich erfreulich, dass die Berliner Philharmoniker nach ihrem Engagement bei Deep Blue (2004) erneut zur Mitarbeit bei einem Filmprojekt bereit waren. Allerdings zeigt sich (auch) hier, dass große Namen allein eben nicht zwingend für ein hochkarätiges Gesamtergebnis stehen müssen. Hier waren die dieses Mal sogar unter ihrem Chefdirigenten Simon Rattle angetretenen Berliner Philharmoniker wohl allein schlichtweg unterfordert.