Walt Disneys Cinderella
Die aktuelle 2012er Neuedition von Cinderella auf Blu-ray wird „hier“ vorgestellt.
Seit Bambi (1942) hatte Walt Disney ausschließlich episodenhafte abendfüllende Zeichentrickfilme produziert, wie Three Caballeros (1944), Make Mine Music (1946), Fun and Fancy Free (1947) und Melody Time (1948). Diese waren an der Kinokasse eher wenig erfolgreich und entsprechend gerieten die Disney Studios finanziell in eine schwierige Lage. Erst im Jahr 1948 begann sich Walt intensiv einem weiteren Projekt in „klassischer Tradition“ zu widmen, dessen erste Entwürfe bereits auf das Jahr 1922 zurückreichen: Gemeint ist die Filmadaption des bekannten Märchens vom Aschenputtel, das im angelsächsischen Sprachraum als „Cinderella“ geläufig ist — siehe auch Drei Haselnüsse für Aschenbrödel.
In der ausgiebigen Bonussektion der DVD-Special-Edition bekommt man übrigens den langen Weg zu Disneys Cinderella (1950) eindrucksvoll nachgezeichnet. Dabei ist auch die ebenfalls von Disney stammende, heutzutage einfach nur noch schlicht erscheinende „stumme“ Kurzfilmversion aus dem Jahr 1922 komplett zu sehen — produziert im Trickstudio von Kansas City „Laugh-O-Grams“.
Animationstechnisch zeigt die 1950er Cinderella zweifellos sehr solides Niveau und verfügt ebenso über eine Reihe sehr hübsch umgesetzter Einfälle. Von der herausragenden Brillanz der experimentellen Imagination von Pinocchio oder Bambi ist hier allerdings nichts zu spüren. Unterm Strich muss man Cinderella daher, trotz des unleugbaren Charmes, als eindeutig konventionell bezeichnen und damit als animationstechnischen Rückschritt ansehen. Abgesehen vom 1959er Dornröschen markiert Cinderella damit einen Wendepunkt in den abendfüllenden Disney-Cartoon-Produktionen: im Sinne eines langsam voranschreitenden, sich über mehr als drei Dekaden erstreckenden qualitativen Verfalls.
Die für die reifen Disney-Produktionen typischen Ingredienzien machen Disneys Aschenputtel-Variante trotz dieser Einschränkung sehens- und auch liebenswert: Gelungene Musik (darunter insgesamt sechs pfiffige Songs, beigesteuert von Oliver Wallace und Paul Smith), Charme sowie eine gehörige Portion Herzlichkeit und Wärme. Besonders reizvoll sind dabei die einzelnen Charaktere der Handlung gestaltet: z. B. die heimtückisch-böse Stiefmutter und ebenso der hinterhältige Kater Lucifer. Letztgenannter ist zugleich eine wichtige Figur in einer sehr geschickt implantierten Nebenhandlung: tut doch die unausstehliche Katze alles, um der mit Cinderella befreundeten Mäusepopulation im Hause das Leben schwer zu machen. Gerade die originell gestrickte Nebenlinie — bei der „Tom und Jerry“ augenzwinkernd grüßen lassen — sorgt für viel Situationskomik und hat mitunter auch Spannung im Gepäck: So, wenn die tapferen Mäuse Karli und Jack der im Turm eingesperrten Cinderella den Zimmerschlüssel bringen wollen, damit auch sie den berühmten Schuh aus Glas anprobieren kann. Und natürlich versucht der böse Lucifer dies zu vereiteln.
Ebenso hübsch und dabei disneytypisch umgesetzt ist die klassische Märchenstory an sich. Beispielsweise, wenn die gute Fee der unglücklichen Cinderella doch noch zum Besuch des großen Balls im Schloss verhilft. Dabei wird nicht nur Cinderellas Arbeitskleidung zum prächtigen Ballkleid: Zauberei verwandelt ebenso einen Kürbis in eine prächtige Kutsche, die Mäuse in rassige (Zug-)Pferde und macht aus dem alten Hofhund einen Pagen im Livree. Möglich wird’s durch den berühmt gewordenen Zauberspruch-Song „Bibbidi-Bobbidi-Boo“
Cinderella auf DVD:
Cinderella ist sowohl als Doppel-DVD-Special-Edition als auch zusammen mit Cinderella 2 als Triple-DVD-Set erhältlich.
Sorgfältig erfolgte Restauration des Cinderella-Films sorgt für ein prächtig detailliertes, scharfes und in leuchtenden Farben erstrahlendes, fast makelloses Bild. Und auch der englische (Mono-)Ton ist entsprechend aufgepeppt worden und erklingt überzeugend frisch und klar. Alternativ ist die englische Tonfassung (die deutsche ausschließlich) als „Disney Enhanced Home Theater Mix“ im AC3-5.1-Tonformat anwählbar. Erfreulicherweise handelt es sich dabei um eine durchaus akzeptable, behutsam verräumlichte Pseudo-Stereo-Version, die sparsam und nur dezent auf einzelne Effekte setzt.
Das umfangreiche Bonusmaterial enthält wohl alles, was selbst das Herz des absoluten Cinderella-Fans voll zufrieden stellen dürfte. Im Zentrum steht das rund 40-minütige Making Of „Von der Magd zur Prinzessin“, in dem alles Wichtige zur Entstehung des Films präsentiert wird. Außerdem gibt’s eine Kollektion mit insgesamt sechs Trailern, von der Erstaufführung bis heute. Eine ausführliche Bildergalerie mit Entwürfen zu Figuren, Kostümen, Storyboards gibt zusätzliche Einblicke, und letztlich doch nicht verwendete Songeinlagen, werden anhand von erhalten gebliebenen szenischen Entwürfen und Demo-Tonaufnahmen erläutert.
Zusätzliche wertvolle Akzente setzen ein Segment über Disneys Chefzeichner (ironisch als „Nine Old Men“ bezeichnet) sowie ein rund viertelstündiger Beitrag über „Die Kunst der Mary Blair“, eine weniger bekannte Zeichnerin, deren Einflüsse infolge außergewöhnlichen Umgangs mit Farben in den Disney-Produktionen der 40er und 50er Jahre deutlich gemacht wird.
Und wer mit alledem immer noch nicht genug hat, der findet eventuell noch Freude an den „Cinderella Stories“, in denen sich angeblich der Geist von Cinderella widerspiegeln soll. Es handelt sich dabei um für Europäer wohl überwiegend etwas kurios erscheinende Übertragungen der Märchenhandlung auf den amerikanischen Traum: hier in Form des Aufstiegs sozial Schwacher (Underdogs), die infolge sportlicher Höchstleistungen groß herauskamen. Und schließlich ist auch an die kleinen Zuschauer gedacht worden: Für jene gibt’s nämlich einige Spiele, Musikvideos sowie im DVD-Rom-Part ein „Design Studio“.
In den USA gilt der Film offenbar als ein ganz besonderes Schmankerl zum Weihnachtsfest. Aber sowohl dort als auch hierzulande dürfte er darüber hinaus (nicht nur) an Silvester für gute Laune sorgen. Die überzeugende DVD-Präsentation lädt vielleicht manchen dazu ein, diese These zu überprüfen.
Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2005.
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