Die Handlung des 1947er Swashbuckler Captain from Castile • Der Hauptmann von Kastilien (Hauptdarsteller: Tyrone Power) spielt zur Zeit der spanischen Inquisition und der Eroberung Mexikos durch Hernando Cortez. Heutzutage wirkt die Filmstory – wie bei vielen Fox-Filmen dieser Ära – historisch fragwürdig und überhaupt recht banal; sie vermag daher kaum noch zu überzeugen. Allein die sorgfältige Ausstattung, eine Präsentation in guten Technicolor-Farben und auch Alfred Newmans schöner Score machen den Film noch interessant.
Das Conquistadoren-Abenteuer-Epos brauchte in jedem Fall eine groß angelegte romantische, emotionale Musikbegleitung, für die der legendäre Alfred Newman, Chef des 20th-Century-Fox-Music-Departments, genau der Richtige war (weitere Infos zu Alfred Newman in The Song of Bernadette und The Egyptian). Der den Film abschließende Marsch „Conquest“ ist üppig und glanzvoll orchestriert und dürfte seit Charles Gerhardts 70er-Jahre-Einspielung für das RCA-Album „The Classic Film Scores of Alfred Newman“ vielen Freunden der klassischen Hollywood-Musik unvergesslich sein. (Eine Schallplatten-Produktion der späten 40er Jahre diente übrigens schon damals als Demonstrationsobjekt für hohe Klangqualität.) Aber auch die übrige Musik zu Captain from Castile weist beträchtliche Qualitäten auf. Newman schuf für den Film eine seiner besten, in vielfältigen Orchester-Farben gehaltene Abenteuermusik: ein groß angelegter romantischer Score, dessen schöne einprägsame melodische Themen mit spanischen Rhythmen versehen sind und der dazu die klanglichen Möglichkeiten des französischen Impressionismus einsetzt. Dies alles ist zusammen mit zusätzlichen archaisierenden Klängen raffiniert zu einem schimmernden Amalgam verschmolzen. In den rund 75 Minuten wechseln klanglich breit und ausladend angelegte Passagen mit sparsam instrumentierten, meist lyrisch melodischen Teilen (Betonung der Holzbläser) ab. Die Musik zu der in Spanien beginnenden Filmhandlung enthält ein heroisches Thema für Pedro – den Hauptmann von Kastilien, der später sein Glück in Übersee suchen muss – mit typisch katalanischen Akkord-Folgen und ein von dunklen Harmonien geprägtes leidenschaftliches Liebesthema („Catana“). Newman hat sich hier wohl eingehender mit spanischer Musik beschäftigt, vergleichbar mit dem Engagement Miklós Rózsas für die Komposition zu El Cid (1961). In „Juan Tells of the New World“ erzeugt Newman eine geheimnisvoll glitzernde Klangvision Mexikos. Die den späteren Szenen in der Neuen Welt unterlegten Klänge heben sich merklich von den spanisch-exotisch gefärbten Musikteilen ab: Das Militärische der Cortez-Expedition kommt musikalisch ins Spiel, und die Begegnungen mit den Indios und mit Montezuma sind mit exotisch-primitiv wirkenden Rhythmen und Klängen unterlegt. Der bereits erwähnte heroische „Conquest“-Marsch bildet ein zwar in der Tendenz fragwürdiges, musikalisch allerdings mitreißend klangprächtiges Finale und dazu den Höhepunkt eines besonders kraftvollen, vitalen Abenteuer-Scores des Golden Age.
Es macht Spaß, diese für ihre Zeit in vielem beispielgebende Filmmusik jetzt erstmals (wohl annähernd) vollständig hören zu können. Dies gilt außerdem, weil diese Tsunami-Produktion erhebliche Fortschritte in der Bearbeitung des Ausgangs-Tonträgermaterials offeriert. Die vergleichbare – schon einige Jahre zurückliegende – Tsunami-Edition von The Song of Bernadette ist klanglich nur mit beträchtlichen Einschränkungen zu genießen; der weitgehend saubere Mono-Klang von Captain from Castile hingegen kommt ordentlich und auch recht transparent, rauscharm und frisch daher – zum Teil sind natürlich altersbedingte Qualitätsschwankungen und vereinzelt auch leichte Störungen hörbar, die mit Hilfe der eingesetzten elektronischen Restaurationstechnologie offenbar nicht korrigiert werden konnten.
Als Zugabe offeriert das CD-Doppelpack noch rund 30 Minuten Musik (einschließlich rund drei Minuten nicht verwendetem Musikmaterial) aus The Snake Pit • Die Schlangengrube (1948). Dieser Film thematisiert die Probleme bei der Behandlung psychischer Erkrankungen am Beispiel einer jungen Frau, die sich nach einem Nervenzusammenbruch einer Schocktherapie unterzieht. In dieser Newman-Komposition spielt Dissonanz eine größere Rolle als gewohnt: Fahle, geschickt instrumentierte Klänge symbolisieren den desolaten Gemütszustand der Hauptfigur und scharfe dissonante Akkorde des Blechs begleiten die – heutzutage nicht mehr übliche – Schock-Behandlung. Romantische Melodie fehlt aber auch hier nicht: Sobald es die Filmhandlung erlaubt, zaubert der Maestro betörend Schönes herbei. (Im Finale erklingt eine Melodie, die der Komponist in Prince of Foxes • In den Klauen des Borgia (1949) wiederverwendet hat.) Insgesamt ist die Musik zu The Snake Pit jedoch ein Kontrast-Programm zu den bekannteren, eher melodramatisch orientierten Filmmusiken Alfred Newmans und somit eine besonders wichtige Ergänzung im Sektor Filmmusik. (Erst sieben Jahre später schuf Leonard Rosenman für einen Film mit ähnlicher Thematik, The Cobweb • Die Verlorenen (1955), die erste konsequent zwölftönig angelegte Hollywood-Filmmusik.)
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