Alexander
Schlachtenlenker und Reichsbegründer – Weltgeschichte in Cinemascope
zu Oliver Stones gewaltigem Filmepos
Was ist bloß los mit Oliver Stone? Jahrzehntelang sahen ihn viele als aufgeklärten streitbaren grundliberalen Intellektuellen, äußerst amerikakritisch – was vor allem in seinen erfolgreichen Frühwerken wie Wall Street und seiner hochgelobten – in Teilen vielleicht doch etwas überschätzten – Vietnamtrilogie zum Ausdruck kam. Und jetzt auf einmal: was ist da zu vernehmen? Der Meister erlaubt sich auf seiner Promotiontour für sein neuestes Werk ziemlich befremdliche Töne, was den Gegenstand seiner filmischen Verklärung angeht. Er sieht den makedonischen Königssohn als unerhört mutigen Einiger fast der ganzen, damals bekannten Welt und propagiert damit unverdrossen die blutige Diktatur eines Einzelnen als Herrschaftsideal für die gesamte Welt, wenn sie denn bloß von einem einigermaßen befähigten und natürlich starken Individuum zu ihrem Glück gezwungen werden könnte. Das heißt im Klartext nichts anderes als zum Teufel mit der unproduktiven Demokratie, die ja eigentlich auch eine griechische Erfindung ist, aber laut Stone einfach zu nichts Vernünftigem führt. Hat er den Verstand verloren? Hat er uns all die Jahre hinters Licht geführt und seine wahren Überzeugungen nur verschleiert oder will er uns einfach nur veräppeln? Hat er jeglichen kritischen Abstand zu seinem Filmstoff verloren, der ihn früher so ausgezeichnet hat?
Also stürzte ich mich am 3. Dezember 2004 für Cinemusic.de ins „Getümmel“ des Düsseldorfer UFA-Palastes am Hauptbahnhof. Ein verlorenes Häuflein von einem halben Dutzend leicht verwirrter Filmkritiker marschierte mit mir zusammen ein und irrte anfangs orientierungslos durchs Gemäuer, bis sich endlich ein bekittelter technischer Mitarbeiter unserer erbarmte und in Kino 6 schickt. Leider handelte es sich nur um das kleine Haus – das große wäre für uns paar Figuren wohl zuviel Aufwand gewesen. Mit Wehmut erinnere ich mich da an meine ersten Düsseldorfer Pressepremieren im schönen Savoy-Theater zur 70-mm-Erstaufführung etwa von Trumbulls Brainstorm, zu Joffes Mission oder zum letzten Bond mit Roger Moore. Das waren wirklich noch (Kino-)Ereignisse, die man anschließend mit üppigem Frühstücksbuffet und Diskussionen angemessen zu zelebrieren pflegte – da wurde der Kritiker vom spendablen Verleiher wenigstens noch anständig „umworben“. Heutzutage lässt sich zur immerhin größten Constantin-Präsentation des gesamten Kinojahres noch nicht mal ein Verleihvertreter sehen. Immerhin gabs einen Freidrink pro Nase und obendrauf ein äußerst bescheiden ausgestattetes Presseheft. Der Vorführer ließ uns dann auch noch rund 20 Minuten über die angesetzte Zeit hinaus warten und startete die Kopie mit auf linker Seite unvollständig geöffnetem Vorhang, so dass ich in erster Panik schon glaubte, das Epos sei noch nicht mal im Scope-Format aufgenommen.
Stone beginnt sein Werk mit einer netten Verbeugung vor der griechischen Kultur, indem er seine sämtlichen Schrifttitel in griechisch kyrillischer Schrift ablaufen lässt; der ahnungslose Zuschauer muss also bis zum Nachspann abwarten, um endlich zu erfahren, wer hier die Hauptrollen spielt. Da sind wir wenigen Privilegierten natürlich erheblich schlauer, denn wir haben einfach schon vorher nachgesehen und wussten daher bereits, dass Irlands neuer – Starrüpel Colin Farrell den Titelhelden gibt. Doch bis der zum ersten Mal zu sehen sein wird, vergeht eine ganze Weile, denn zunächst wird uns der künftige Welteroberer als schüchterner Knabe und Jüngling präsentiert. Stone eröffnet seinen Film mit Alexanders Tod ohne ihn direkt zu zeigen – ein gelungener Kunstgriff, wie ich finde. Man sieht nur seinen Siegelring vom schlaffen Finger zu Boden fallen – gefolgt vom in der Antike üblichen Wehklagen. Anschließend erfolgt der Auftritt von Sir Anthony Hopkins als gealterter Pharao Ptolemaios I. I.. Der einstige Kampf- und Weggefährte Alexanders diktiert hier in der historischen Bibliothek von Alexandria seinen Schreibern die Geschichte des Königs. Er fungiert somit den ganzen Film über als erzählerisches Bindeglied der einzelnen geschichtlichen Episoden – wobei ein toller Kameraschwenk über den Hafen von Alexandria (nicht allein visuell) die Brücke zu Cleopatra (1962) schlägt.
Angelina Jolie ist eindrucksvoll als intrigante, schlangenbeschwörende und mordlüsterne Mutter Olympias, die ihren Sohnemann wie einen persönlichen Schatz hütet und gegen jedermann verteidigt – dies vor allem gegen den bei Volltrunkenheit zu Tobsuchtsanfällen neigenden Gatten, König Philipp von Makedonien, der es erstaunlicherweise trotz der erwähnten Widrigkeiten geschafft hat, sein Land erfolgreich zu regieren und etliche Schlachten zu gewinnen. Nur von seinem Sohn hält er anscheinend nicht allzu viel. Stone Spezi Val Kilmer spielt ihn als Mischung aus Heimtücke und gelegentlicher Leutseligkeit. Alexanders Entwicklung wird in Acht-Jahres-Schritten vorgeführt. Während der kleine Junge noch vollkommen im Bann seiner alles beherrschenden Mutter steht, versucht sich der Jugendliche zusehends zu emanzipieren. Seine Leidenschaft für Pferde gipfelt in der Zähmung seines später weltberühmten Schlachtrosses Buzephalus; eine Tat, die ihn in der Achtung seines Vaters gewaltig steigen lässt. Jetzt wird es langsam Zeit für Colin Farrells ersten Auftritt. Sein Vater trägt sich nämlich mal wieder mit Heiratsabsichten, was Alexanders Position als Thronfolger ernsthaft gefährden könnte. Es kommt zu einem erbitterten Streit und Alexander überwirft sich anscheinend endgültig mit seinem Vater.
Kurz darauf leistet sich Regisseur und Drehbuchautor Stone einen gewaltigen Zeitsprung. Ohne überhaupt auf Alexanders Thronbesteigung einzugehen, wird der Zuschauer nach einer kurzen überbrückenden Schilderung des Chronisten hinauskatapultiert in die persische Wüste nach Gaugamela. Dort schickt sich der griechische Schlachtengott gerade an, seinen welthistorisch größten Sieg über die persische Armee des Großkönigs Dareios zu erringen. Diese Sequenz ist vom filmischen Schlachtenlenker Stone wahrhaft atemberaubend inszeniert. Zu Beginn macht er dabei visuell eine Anleihe beim Adlermythos aus Abel Gance klassischem Monumentalstummfilm Napoleon (1928). Ein königlich-griechischer Adler nimmt den Zuschauer mit auf den Rundflug über die scheinbar endlosen Reihen der gegnerischen Heere – aus wahrhafter Vogelperspektive sozusagen und unter dankenswerter Mithilfe ausgefeilter Computeranimationstechniken.
An der historischen Schlacht – wohl eine der größten der gesamten antiken Historie – sollen bis zu dreihunderttausend Krieger beteiligt gewesen sein. (In wieweit es sich bei Teilnehmerzahlen antiker Schlachten um schon damals übliche propagandistische Übertreibung handelt, ist zwar schwierig zu belegen. Zweifel sind durchaus erlaubt.) Um diesen Eindruck realistisch an den Zuschauer zu bringen, standen dem Regisseur gerade mal 1.400 wackere marokkanische Soldaten zur Verfügung, die sich jedoch wie von Zauberhand zu gewaltigen Armeen hochrechnen ließen. Was mit einem leistungsfähigen Computerprogramm und anschließender perfekter Schnitt- und Montagetechnik inzwischen im Filmgeschäft möglich ist, wird hier wieder einmal mehr als eindrucksvoll demonstriert.
Einen ganzen Akt lang lässt Stone seine Heere aufeinander prallen, zeigt dabei Kampfszenen von drastischstem Realismus: Etwa wenn die gefürchteten persischen Sichelstreitwagen durch die griechischen Reihen metzeln. Durch schnelle Schnitte wird dabei angenehm ein Schwelgen in Brutalität vermieden. Genauestens führt der Regisseur alle taktischen Bewegungen der einzelnen Heeresverbände in ihrem zeitlichen Ablauf vor Augen und spart auch nicht die schweren griechischen Verluste aus, die Alexanders ungestüme Angriffstaktik in den eigenen Reihen fordert. Er zeigt nicht nur den aktiven Teil der Schlacht, sondern auch ihr anschließendes schreckliches Ergebnis unter den verwundeten und sterbenden Kämpfern.
Alexander ist auf dem Gipfel seines Ruhmes angekommen, als er siegreich in die gegnerische Hauptstadt – das märchenhaft reiche Babylon einzieht – nicht erst jetzt ist die prachtvolle, historisch überaus sorgfältige Ausstattung bemerkenswert. Hier erreicht der Film eindeutig seinen optischen Höhepunkt. Der weitaus größte Teil seines Ausstattungsbudgets dürfte für diese Prunksequenz aufgewandt worden sein. Anschließend nimmt uns Regisseur Stone mit in den hohen Atlas, der hier für den Hindukusch doubeln muss, um Alexanders Verfolgung des geschlagenen Dareios vorzuführen. Der siegreiche Feldherr und gleichzeitige Entdecker steht vor den Toren Indiens, als Teile seiner makedonischen Kerntruppen ihm erstmals die Gefolgschaft verweigern.
Hier erreicht der Film meiner Meinung nach seine größte dramatische Dichte, nämlich als Alexander schlagartig erkennen muss, dass er sich auf seine Männer nicht mehr bedingungslos verlassen kann. Mit brutaler Härte wird er die aufkeimende Meuterei unterdrücken. Als ihm schließlich sogar die Ermordung seines Vaters Philipp vorgeworfen wird, an welcher seine ehrgeizige Mutter nicht ganz schuldlos gewesen sein dürfte, leistet sich unser Regisseur seinen nächsten großen dramaturgischen (Zeit-)Sprung – nur diesmal in die umgekehrte Richtung. Zum ersten und einzigen Mal im Film durchbricht er seine eigene Chronologie und springt im Zeitablauf 8 Jahre zurück, um die höchst dramatischen Ereignisse um die Ermordung Philipps von Makedonien zu schildern, die Alexander schließlich auf den Thron brachten.
Alexander setzt sich wie immer durch und zieht mit seinen Truppen nach Indien, findet neue Verbündete und neue Gegner, heiratet die persische Fürstentochter Roxanne und wird endgültig zum Entdecker und Forschungsreisenden, der sich neue Welten erschließt. Doch nicht alle heißen ihn Willkommen: Der indische Großkönig stellt sich ihm mit seiner Elefantenarmee entgegen. Zum ersten Mal müssen die Griechen im dichten Dschungel gegen Wesen kämpfen, die sie nie zuvor gesehen haben. Stone drehte diese Sequenz in einem thailändischen Nationalpark und wollte für seine Elefantenszenen ohne jegliche Computerunterstützung à la Herr der Ringe auskommen, was seiner Inszenierungskunst gewisse Grenzen setzte. Angeblich sind Pferde und Elefanten außerordentlich schwer aneinander zu gewöhnen, was vermutlich ein Grund dafür sein dürfte, warum so gut wie nie überzeugende Kampfszenen mit Kriegselefanten im Spielfilm zu sehen waren. Stone rettet sich so gut er kann mit extremen Großaufnahmen, blitzschnellen Schnitten, um die dramatische Wucht zu steigern und einem absoluten Zirkuskunststück als optischem Höhepunkt: wenn sich Alexanders Pferd und der Kriegselefant des indischen Lokalfürsten gegeneinander aufbäumen. Dabei wird Alexander durch einen gegnerischen Speer schwer verwundet, vom Pferd geschleudert und Regisseur Stone illustriert sein anschließendes Delirium mit einer bizarren Abfolge blutrot eingefärbter Negativaufnahmen – meines Erachtens ein etwas gewöhnungsbedürftiges und nicht sonderlich überzeugendes Mätzchen.
Mühsam von seiner Verwundung genesen befiehlt Alexander nun endlich den Rückzug nach Babylon und zwar – wie um seine Männer für fehlende Gefolgschaftstreue zu bestrafen – mitten durch die Wüste, wodurch er fast drei Viertel seines Heeres verliert, weit mehr als vorher in allen Schlachten zusammen.
Die Darstellung von Alexanders Privatleben im Film durch Regisseur Stone sorgte bereits für gewaltiges Rauschen im Blätterwald, allen voran im griechischen. Auch die deutsche Fernsehjournaille spöttelte: „Alexander und seine warmen Brüder ziehen mal wieder über den Hindukusch“. Die nationalstolzen Hellenen, vertreten durch Rudel kampfeslustiger Anwälte, warfen dem Film vor, durch einige eigentlich recht dezent gestaltete Szenen, in denen Alexanders bisexuelle Orientierung offensichtlich wird, ihren Nationalhelden verunglimpft zu haben. Sie erreichten tatsächlich, dass in allen griechischen Kopien des Films in einem Schriftvorspann behauptet werden muss, Stones Werk sei ein Produkt der Fiktion und beruhe nicht auf historischer Wahrheit. Die Herren scheinen von ihrer eigenen Geschichte herzlich wenig Ahnung zu haben. Alexander hatte mit allergrößter Wahrscheinlichkeit, zumindest mit seinem lebenslangen Jugendfreund Hephaistos, ein sexuelles Verhältnis. Er war aber auch den Damen nicht abgeneigt und gleich mit mehreren verheiratet. Im Film erlaubt sich seine Frischvermählte Roxanne – wohl nicht völlig grundlos – einen Eifersuchtsanfall, als sie Hephaistos in ihrem gemeinsamen Zelt vorfindet. Alexander küsst auch schon mal in spontaner Begeisterung indische Tempeltänzer auf den Mund, was von seinen neuen persischen und indischen Verbündeten mit einigem Abscheu beobachtet wird. In der hellenistischen und teilweise auch noch in der römischen Welt war die Liebe unter meist gesellschaftlich höher gestellten oder adligen Jungen allgemein üblich und gesellschaftlich voll akzeptiert. In den Bordellen konnten die Herren der Gesellschaft zwischen jungen Mädchen oder Knaben frei wählen und niemand fand etwas dabei, wenn ein Junge durch einen älteren Mann in die Liebe eingeführt wurde. Vielleicht sollten einige besonders emsige Griechen der Gegenwart sich die Vergangenheit ihrer Nation unter diesem Aspekt doch einmal etwas genauer betrachten.
Um Alexanders Tod ranken sich Legenden und Gerüchte. Von Vergiftung und Komplott war schon häufig die Rede. Im Film wird Alexanders Tod durch den Genuss verdorbenen Fleisches und/oder verseuchten Wassers verursacht. Sein Freund Hephaistos geht ihm im Tod voran. Von Schmerz überwältigt gelobt Alexander, ihm in Kürze zu folgen: eine Art Selbstmord aus Trauer? Wer weiß. Auch Stone legt sich nicht eindeutig fest und ergeht sich in Spekulationen.
Es ist nunmehr an Chronist Ptolemaios I., das geschichtliche Fazit zu ziehen. Er doziert ausführlich über Alexanders Wesen und Bedeutung und darüber, dass ihn zu seinen Lebzeiten wohl niemand wahrhaft verstanden hat. Seine Idee einer staatlichen Vereinigung von Europa und Asien war zumindest für seine griechischen Zeitgenossen einfach noch ihrer Zeit zu weit voraus. Ptolemaios I. führt dies nachhaltig vor Augen, indem er auch den blutigen Epilog nach Alexanders Tod nicht verschweigt. Fast seine ganze Familie (einschließlich seiner Frau Roxanne, seinem Sohn und schließlich sogar seiner Mutter Olympias) wurde von seinem Nachfolger umgebracht. Das Alexandrinische (Welt-)Reich zerfiel fast ebenso rasch wie es erschaffen worden war. Was hat Alexander also letztlich überhaupt bewirkt? Er siegte in allen Schlachten, in denen er jemals kämpfte, ist für den gewaltsamen Tod einiger hunderttausend durch Krieg verantwortlich, um seinen Traum einer geeinten Welt unter seiner Führung zu verwirklichen. Letztendlich musste er aber scheitern, weil das ganze Konzept seiner Herrschaft nur auf ihn selbst zugeschnitten war und er es in der ihm bemessenen knappen Zeit nicht vermochte, seine Vorstellungen seinen Mitmenschen erfolgreich zu vermitteln. Seine Vision blieb allerdings lebendig: In Form eines weitgespannten Wirtschaftsraums mit gesicherten Grenzen blieb er nicht nur Vorbild für das deutlich erfolgreichere römische Imperium
Eine Kunde war natürlich auch schon lange vor dem deutschen Filmstart bis zu uns gedrungen: Stones Film tat sich außerordentlich schwer an der amerikanischen Kinokasse, wo er am Startwochende gerade mal den 6. Chartplatz schaffte. Auch bei uns – so zumindest meine Prognose – wird er es nicht gerade leicht haben. Im Vergleich zu anderen großen historischen Blockbustern des Jahres, beispielsweise „Wolle“ Petersens Troja, der völlig geradlinig, konventionell chronologisch und als reine Abenteuerunterhaltung inszeniert sehr konsumgerecht ist, kommt Oliver Stones Epos im dramaturgischen Aufbau um einiges anspruchsvoller und komplizierter daher. Mit Erzählungen aus dem Off, chronologischen Brüchen, Umkehrungen, starken optischen Verfremdungseffekten und anderem Ungemach, das vermutlich schon brave Durchschnittsamis vom Filmbesuch ferngehalten hat, dürfte sich auch der deutsche Teenie ziemlich schwer tun. Wie sagte der Regisseur aber doch so schön: „Wenn die amerikanischen Teens das nicht verstehen, ist das ihre Sache“. Vielleicht ein etwas selbstgerechter Vorwurf von einem Mann, der schließlich einen superteuren Film verkaufen will und muss. Es wäre allerdings schon reichlich naiv gewesen, anzunehmen, dass der Regisseur solch kontroverser Filmwerke wie JFK oder Nixon sich damit begnügen würde, bei einem weiteren filmbiographischen Projekt, das ihm nach eigener Aussage beinahe lebenslang am Herzen lag, einen simpel konventionellen Streifen abzuliefern.
Um auf den Anfangsvorwurf zurückzukommen: verklärt und heroisiert Meister Stone seinen antiken Helden nun in unvertretbarer Weise? Ich denke, eher nicht. Natürlich ist seiner Inszenierung deutlich anzumerken, dass ihn Alexanders fast unglaubliche Geschichte ungeheuer fasziniert. Das ist natürlich aber auch die Mindestvoraussetzung, die ein Filmemacher mitbringen muss, der zudem noch sein eigener Drehbuchautor ist, um ein solch monumentales, komplexes und vielschichtiges Filmporträt, wie es die Lebensgeschichte von Alexander nun einmal darstellt, filmisch umsetzen und realisieren zu können.
Stone ist insgesamt ein wahrhaft wuchtiges und eindrucksvolles Filmwerk gelungen, das von seinen großartigen Hauptdarstellern mühelos getragen wird. Natürlich konnte hierbei niemand eine charakterliche Auslotung bis in die tiefsten Verästelungen der Psyche der Titelfigur wie bei Stones Präsidentenepen erwarten. Das waren schließlich auch Männer des 20. Jahrhunderts, über die zumindest biographisch nahezu alles Wesentliche bekannt sein dürfte. Einer Gestalt überzeugend filmisches Leben einzuhauchen, die vor fast zweieinhalbtausend Jahren gelebt hat, erfordert da schon eine etwas andere Herangehensweise. Alexander wird dabei aber erfreulicherweise nicht einfach verherrlicht, auch seine dunkle gewalttätige Seite wird nicht verschwiegen. Und was Oliver Stones etwas ausgefallene Art der Demokratiebetrachtung im genannten Interview betrifft, da möchte ich auch angesichts früher häufig unberechtigter Angriffe gegen ihn, den alten Provokateur, ausnahmsweise Gnade vor Recht ergehen und ihn dieses mal noch davonkommen lassen.
Last but not least fällt mir natürlich der 1955er Alexander der Große von Robert Rossen ein, den es in einer qualitativ guten und mittlerweile sehr preiswerten DVD in Deutschland zum ersten Mal in ungekürzter Fassung zu kaufen gibt. Selbst das öffentlich-rechtliche Fernsehen war bis jetzt nicht in der Lage, seinen Zuschauern etwas anderes als die 105-minütige Kurzfassung anzubieten, während die DVD immerhin eine halbe Stunde länger läuft. Beide Filme setzen teilweise ganz unterschiedliche Gewichtungen und können deshalb auch sehr gut nebeneinander bestehen. Ich jedenfalls wünsche Oliver Stone, der zweifellos einer der wenigen wirklich großen Filmemacher der jüngeren Vergangenheit ist und hoffentlich auch in Zukunft noch sein wird, eine erfreulichere Aufnahme seines ambitionierten Filmes durch sein deutsches Publikum, als er es durch das US-amerikanische erfahren hat.