Moulin Rouge (John Huston, 1953)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
7. August 2022
Abgelegt unter:
Blu-Ray, Sehen

Film

(5.0/6)

Bild

(5.5/6)

Ton

(3.5/6)

Extras

(5.0/6)

Moulin Rouge: John Hustons bemerkenswerte filmische Studie über den berühmten Maler und Grafiker des Post-Impressionismus, Henri de Toulouse-Lautrec

Der auf der gleichnamigen Romanvorlage von Pierre La Mure beruhende Film ist eine liebevolle und ambitionierte Hommage, aber beileibe kein realitätsnahes Portrait des Malers Toulouse-Lautrec (1864–1901), was für den kunstbegeisterten Regisseur John Huston (1906–1987), der in Paris Malerei studiert hatte, wohl eh nicht im Fokus lag. Huston, der zusammen mit Anthony Veiller auch das Drehbuch verfasste, war immer von Schicksalen und Figuren fasziniert in denen er Parallelen zu sich und seiner eigenen Biografie zu erkennen vermochte. Neben der Projektion wichtiger Teile des eindrucksvollen Werks, welches in ausgiebigen Einschüben gezeigt wird, ging es dem Regisseur daher vielmehr um das zweifellos in vielem besonders Tragische im Leben des Künstlers. Und so inszenierte Huston eine Art pathologischen Musterfall des verkrüppelten und dem Alkohol verfallenen Genies: seinen Aufstieg, aber auch die unaufhaltsame Zerstörung im Rahmen einer visuell opulent inszenierten und überaus soliden Leinwandunterhaltung. Etwas unglücklich sind freilich die unnötig vielen historischen Ungenauigkeiten, welche sich das Drehbuch gestattet. Dass Toulouse-Lautrecs infolge einer Erbkrankheit verursachte Kleinwüchsigkeit durch die seinerzeit noch üblichen inzestuösen Eheschließungen innerhalb der Familie ausgelöst war, wird zumindest angedeutet. Der im Film gezeigte fatale Sturz auf einer großen Treppe im elterlichen Schloss und daraus resultierende schlecht verheilende Brüche als eigentlicher Auslöser seiner körperlichen Einschränkungen ist hingegen frei erfunden.

Besonders spektakulär ist die so opulente wie ausladendende Eröffnung des Films. In recht deftigen Szenen wird das frivole Pariser Nachtleben in der Pariser Sündenmeile Montmartre und dort natürlich im berühmten Varieté „Moulin Rouge“ zur Zeit der sogenannten Belle Époque, um das Jahr 1890, in faszinierenden Bildeindrücken elegant und raffiniert zugleich auf die Leinwand gebracht. Inspiriert ist die prachtvolle Bilderflut von den berühmt gewordenen Plakatmotiven, die Toulouse-Lautrec für das Vergnügungs-Etablissement entworfen hat. Über rund 20 Minuten bekommt der Zuschauer aber nicht bloß ein außerordentliches visuelles Feuerwerk geboten. Denn wie Toulouse-Lautrec, gespielt von dem heutzutage nur noch wenig geläufigen, aus Puerto Rico stammenden US-Amerikaner José Ferrer (1912–1992), hierzu Skizzen des prallen Lebens um sich herum anfertigt, das ist einfach brillant in Szene gesetzt. Dies kann man dann auch im weiteren Verlauf der Handlung noch an zusätzlichen Stellen ähnlich faszinierend beobachten. Die Zeichnungen stammen übrigens vom Designer der edlen Kostüme Marcel Vertès, der Teile seiner Ausbildung auch durch den Verkauf gefälschter Toulouse-Loutrec-Skizzen finanziert haben soll.

Für Ferrer, der neben Toulouse-Lautrec auch dessen Vater verkörpert, waren die Dreharbeiten anstrengend bis qualvoll. Um den überaus kleinwüchsigen Maler (etwa 1,52 m) überzeugend darzustellen, musste kräftig getrickst werden: So musste Ferrer in einer Art Spezialkorsett mit nach hinten hochgebundenen, verdrehten Beinen auf den Knien laufen, was durch den für Toulouse-Lautrec bezeichnenden Krückstock durchweg besonders überzeugt. Wenn sich am Schluss der brillanten Eröffnungssequenz das Moulin Rouge leert, die Lichter teilweise gelöscht werden und die Reinigungsfrauen ihren Dienst aufnehmen, wird dem Zuschauer zum ersten Mal eindrucksvoll gezeigt, wie extrem kleinwüchsig der Künstler war, der sich im Anschluss auf eine Wanderung durch das nächtliche Paris begibt.

Das auf die mitreißende Eröffnung folgende Biopic ist recht konventionell gehalten. Insbesondere die Schilderung der (fiktiven) schon selbst-quälerischen Affäre zu einer rücksichtslosen Prostituierten (Colette Marchand) ist teilweise schon etwas arg sentimental geraten. Immerhin ist dabei aber nicht nur die Schokoladenseite von Paris zu sehen, auch die Vergessenen und Verlorenen der Gesellschaft, also die Schattenseite der Belle Époque, werden in einer Szene unübersehbar ins Bild gerückt. Besonders zu faszinieren vermögen jedoch die diversen dazwischen eingeschobenen Momente, etwa die bemerkenswerte Szene wo Toulouse-Lautrec als einer der Pioniere des künstlerischen Plakatdrucks dabei mithilft, das Lithografie-Verfahren für den Druck seiner eigenwillig modernen Entwürfe, hier des berühmten Moulin-Rouge-Plakates von 1891, entscheidend zu verbessern.

Vergleichbar interessant wird es, wenn das Malerische erneut ins Zentrum der Handlung gerückt wird. Beispielsweise wenn Toulouse-Lautrec außerhalb des Moulin Rouge skizzierend seine Umgebung beobachtet, und auch die verschiedentlich dazu präsentierten Werke des Malers halten den Zuschauer bei der Stange. Ebenfalls im Gedächtnis verbleiben die oftmals zynisch-bissigen Einwürfe und Kommentare des Künstler-Gnoms, etwa wenn er gegenüber seinem Vater harsch mit den Adelsprivilegien abrechnet oder wenn er eine empörte Betrachterin eines, ihr über die Maßen gewagt und unmoralisch erscheinenden Bildes in zwar wohl gewählten, aber schneidend formulierten Worten derart bestimmt abkanzelt, dass es ihr die Sprache verschlägt. Eine originelle Randnotiz bilden darüber hinaus auch die zwei kleinen Gastauftritte zweier späterer Hammer-(Dracula)-Ikonen: eines sehr jungen und noch nicht so hohlwangigen Peter Cushing und von Christopher Lee, der hier ebenso ungewohnt zu sehen ist, nämlich ausgeprägt bärtig.

Trost und Melancholie liegen über dem Finale. Toulouse-Lautrec liegt fiebernd auf dem Sterbebett im elterlichen Schloss und bekommt von seinem gerührten Vater noch die glückliche Nachricht übermittelt, dass der Louvre ihn durch die Ausstellung seiner Werke ehre. Anschließend erweisen auch die schillernden Figuren aus dem Moulin Rouge dem Sterbenden letzte Referenz, indem sie sich von ihm in einer anmutigen Traumszene verabschieden.

Nicht bloß in der eindrucksvollen, großen Eröffnungssequenz wird besonders markant deutlich, wie sehr der Regisseur darum bemüht war, die Dramaturgie in Bildkomposition und Farbgebung dem der Malereien und Lithografien von Toulouse-Lautrec und damit dem Malstil des Postimpressionismus anzunähern. Das lieferte ein Vorbild für den von MGM wenige Jahre später produzierten, vergleichbar eindrucksvollen Lust for Life *  Vincent Van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft (1956, Regie: Vincente Minelli, Musik: Miklós Rózsa), der allerdings nicht mehr auf Drei-Streifen-Technicolor-Filmmaterial aufgenommen worden ist. Dieser ist dabei insgesamt ein gutes Stück faktenbasierter umgesetzt. Produkte eines in erster Linie üppigen und niveauvollen Unterhaltungskinos sind letztlich beide.

Hustons Film ist zu einem Technicolor-Farbenrausch der ganz besonderen Art geraten. Für das absolut bemerkenswerte Gesamtergebnis war nicht zuletzt die Geschicklichkeit der beiden Kameraleute entscheidend, des als besonders innovativ geltenden britischen Kameramannes Oswald Morris sowie des herausragenden Fotografen Eliot Elisofon, der im Vorspann als „Special Colour Consultant“ genannt wird. Eliot Elisofon war einer der ersten, der sich für die gezielte Veränderung der Farbwerte von Bildern einsetzte. Bei Moulin Rouge ist entsprechend ausgiebig mit diversen Farb- und Weichzeichnerfiltern und auch farbigem Licht bei der Beleuchtung experimentiert worden, um die jeweilig gewünschte Stimmung zu erhalten. Hierdurch erscheint das Bild partiell diffuser, was auch für die Übergänge sowohl der gedeckteren als auch der kräftigeren Farben gilt. Mit Hilfe des gezielten Einsatzes von Licht in Kombination mit Weichzeichner- und farbigen Filtern konnten Effekte erzielt werden, die impressionistische Malerei nachbilden. Daraus resultieren u.a. Lichthöfe, die eine gewünschte Überstrahlung ausbilden, meist in Form eines Ringes um eine Lichtquelle, oder Spitzlicht, das dazu dient, Objekte plastischer darzustellen oder auch durch punktuelle Lichtreflexe optische Hervorhebungen an einzelnen Stellen eines Motivs zu erzeugen. Hinzu kommt das dezente Filmkorn, welches den stilisierten Bildern hier noch zusätzlich einen geradezu pointilistischen Touch verleiht.

Mitentscheidend für das außergewöhnliche Gesamtergebnis war dabei aber auch die Mitwirkung von Technicolor bezüglich der Justage des zur Herstellung der Kopien eingesetzten Technicolor-Druck-Prozesses. Fortwährend findet man hierzu das vom Regisseur Verbreitete, nämlich dass Technicolor sich anfänglich quer gegen den von ihm beabsichtigten Look gestellt hätte, was impliziert, dass derartige Experimente geradezu gegen so etwas wie eine starre Firmenphilosophie verstoßen hätten. Ähnliches kursiert zu Moby Dick (1956): Auch hier habe Huston sich gegen die Farbberater von Technicolor durchgesetzt. Je länger ich mich mit diesen Dingen befasse, umso mehr erscheinen mir diese und ähnliche kursierende Behauptungen als zunehmend fragwürdig. Ich tendiere mittlerweile dazu, insbesondere dieses gebetsmühlenartig wiederholte, Technicolor stehe in erster Linie für übertriebene (Bonbon-)Buntheit in der farbtechnischen Gestaltung, wo selbst so mancher Restaurator am liebsten die Farbsättigung zurücknehmen würde, bei den Klischees einzureihen. Vergleichbar ist dies mit der ebenfalls noch anzutreffenden, aber längst als falsch entlarvten Behauptung, die Masse der Hollywoodfilme der so genannten goldenen Kinojahre (etwa von 1933 bis 1960) seien mehrheitlich allzu üppig, geradezu von „wall-to-wall“, mit Musik unterlegt worden.

Dass John Huston es in seinen Schilderungen mit der Wahrheit nicht immer allzu genau nahm ist ja nicht neu. Er galt als hochbegabt und hatte sich, bevor er ins Regiefach wechselte, als ein vorzüglicher Schreiber von Drehbüchern für Warner Brothers längst einen Namen gemacht. Das war damals noch absolut unüblich. Der erste, der ihm hierbei zuvorgekommen ist, war Preston Sturges. Huston galt aber ebenso als betont exzentrischer Liebhaber des Bizarren wie auch als ein angeberischer Erzähler aufgebauschter Geschichten. Dass er auch seine Rolle bei Moulin Rouge und Moby Dick gegenüber den Technikern von Technicolor im Interesse des eigenen Mythos beträchtlich übersteigert haben mag, ist zumindest nicht unwahrscheinlich. Im Anhang, „Zu einem Technicolor-Klischee“, gestatte ich mir hierzu noch etwas weiter auszuholen. Dass Pablo Picasso Teile der Dreharbeiten insgeheim beobachtet habe, stammt auch von ihm und ist ebenfalls nicht anderweitig belegbar. Ob nun wahr oder nicht, dies ist in jedem Fall eine interessante und zumindest nicht abwegige Anekdote der Entstehungsgeschichte zu Moulin Rouge.

Moulin Rouge wurde u.a. für einen Oscar als bester Film des Jahres 1952 nominiert. Ebenfalls nominiert wurden John Huston als bester Regisseur, José Ferrer als bester Hauptdarsteller und die Newcomerin Colette Marchand als beste Nebendarstellerin. Ferrer hatte zwei Jahre zuvor den Oscar für Cyrano de Bergerac *  Der letzte Musketier (1950, Regie: Michael Gordon, Musik: Dimitri Tiomkin) bekommen. Dieses Mal verlor er allerdings gegen Gary Cooper in High Noon. Oscars erhielt der Film nur in den Kategorien Bestes Kostümdesign (Marcel Vertès) und Bestes Setdesign (Paul Sheriff & Marcel Vertès). Dass das Kameradesign und damit die außergewöhnliche Farbdramaturgie durch die Juroren der Academy unberücksichtigt blieb, ist schon erstaunlich. Aufgrund des großen Erfolgs an den Kinokassen konnte Huston seine eigene Produktionsgesellschaft gründen: Moulin-Pictures. Ein Teil des Erlöses diente späterhin der Finanzierung von Moby Dick (1956).

Die Filmmusik zu Moulin Rouge stammt vom französischen Komponisten Georges Auric (1899–1983) – zu Auric und auch dem an dieser Stelle besonders passenden Chandos-Auric-Sampler geht’s hier. Zum Hit wurde daraus das „Lied von Moulin Rouge“ welches im Film „It’s April Again“ lautet (interpretiert von Muriel Smith, die der Cheftänzerin und Sängerin im Moulin Rouge – Zsa Zsa Gabor – lippensychron die Stimme lieh). Der dazu ebenfalls angegebene Titel „Where Is Your Heart“ basiert auf einer anderen Textfassung, die im Film nicht verwendet wird. Der Song ist allerdings eben nicht ein speziell für Hustons Film komponiertes Stück, sondern vielmehr eine Adaption des Auric-Songs „Le long de la Seine“. Das verhinderte übrigens, das Lied bei den Oscar-Nominierungen zu berücksichtigen. In den Charts regierten seinerzeit zwei grundsätzlich recht eng verwandte Cover-Versionen: in den USA von Percy Faith mit seinem Orchester, und das Mantovani-Pendant übernahm diese Position in Großbritannien. Auf youtube kann man sich neben der rein instrumentalen auch eine weitere Percy-Faith-Version mit Felicia Sanders Gesang anhören, bemerkenswerterweise getextet auf „Where Is Your Heart“.

Im Jahr 1949 war Huston unabhängiger Produzent geworden und Moulin Rouge entstand damit nicht unter der Ägide eines der Hollywood-Mogulen sondern für United Artists und ist in Europa produziert worden. Das gilt übrigens auch für den zwar völlig anders gelagerten, aber farbtechnisch im Resultat ebenso außergewöhnlichen Moby Dick, bei dem wiederum Oswald Morris hinter der Kamera stand. Große Teile beider Filme entstanden in den englischen Shepperton- und Elstree-Studios. Auch die jeweilige Filmmusik wurde in England eingespielt, und an dieser Stelle merkt man deutlich, wie merklich blasser und enger der Monosound im Vergleich zu zeitgleichen US-Einspielungen der großen Hollywood-Studios ist. In noch ausgeprägterem Maße gilt dies übrigens für Philipp Saintons Moby-Dick-Musik, welche im Gegensatz zum Rest der ansonsten recht frisch klingenden Tonspur geradezu extrem hallig und blechern klingt.

Huston zeichnete übrigens noch ein weiteres Mal für eine vergleichbar dramatische Verwendung von Farbe im Kinofilm verantwortlich: in Reflections in a Golden Eye *  Spiegelbild im goldenen Auge (1967). Neben Aldo Tonti war dabei auch wiederum Kameramann Oswald Morris beteiligt, der jedoch in den Credits ungenannt bleibt. Bemerkenswert ist hierzu, dass der ursprünglich bis auf die in der Finalszene zurückkehrenden normalen Farben in einem fahlen, flirrenden Goldton überstrahlte, extrem eigenwillig verfremdete Farblook des Films bei Kritik und Publikum komplett floppte. Derart heftig, dass die von Warner als spezielle „Gold-Kopie“ in New York an den Start gegangene Version bereits nach nur 10 Tagen abgesetzt und durch eine durchgehend konventionelle Farbkopie ersetzt worden ist – diese Neufassung ist meines Wissens bislang auch ausschließlich in den hiesigen TV-Ausstrahlungen zum Einsatz gekommen. Als „Gold-Kopie“ war Spiegelbild im goldenen Auge seitdem nur noch ganz vereinzelt auf Festivals zu sehen.

Last but not least: Baz Luhrmanns gleichnamiges Filmmusical aus dem Jahr 2001 hat mit John Hustons Moulin Rouge rein gar nichts zu tun und taugt daher kaum zur Gegenüberstellung, es sei denn man mag Äpfel mit Birnen vergleichen. Ein Double-Feature mit Vincent Van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft ist an dieser Stelle in ganz erheblichem Maß reizvoller.

Moulin Rouge in HD auf BD

Der im Jahr 1990 von Martin Scorsese ins Leben gerufenen „Film Foundation“ verdankt der Liebhaber des klassischen Kinos bislang mehr als 850 Filmrestaurationen. Nun ist dort auch Moulin Rouge, ausgehend vom Original-Negativ, einer 4K-Restauration unterzogen worden, und das erstklassig aussehende Resultat wurde bereits im Jahr 2019 auf den Filmfestspielen in Cannes vorgestellt. Von STUDIOCANAL ist diese Fassung nun auch auf Blu-ray und auf DVD erhältlich. Die Blu-ray-Veröffentlichung enthält die BD in blauer Amaray-Box.

Bild und Ton

Das HD-Bild von Hustons Liebeserklärung an die Kunst im Allgemeinen und die von Henri de Toulouse-Lautrec im Besonderen wird im korrekten Akademie-Format (1: 1,37) präsentiert und sieht praktisch tadellos aus. Infolge des in Teilen ausgiebigen Einsatzes diverser Filtertechniken sowie von farbigem Licht, aber auch der zusätzlich dank gezielten Lichteinsatzes verursachten Überstrahlungseffekte, etwa Lichthöfe (s.o.), sind in diesen Passagen neben den Farben unausweichlich partiell mehr oder weniger sowohl der Schwarzwert als auch die Schärfe beeinflusst. Das führt im Ergebnis dann zu den gewollten diffusen Übergängen an Konturen und häufiger auch zu einem merklichen Grauschleier in schwarzen Bildteilen. Als Teil eines durchdachten Gesamtkonzepts ist dies hier aber eben nicht als Beeinträchtigung zu werten, sondern führt vielmehr zu einem eindrucksvollen Gesamtergebnis. Hinzu kommt die speziell angepasste, eigenwillige Farbpalette welche manchen Bildeindrücken zusätzlich ganz speziellen Reiz vermittelt. Trotz der mitunter massiv eingesetzten Mittel zur Stilisierung erscheint das Bild der restaurierten Version in besonderem Maße frisch und zugleich frei von Störungen.

Auch der Mono-Ton ist insbesondere im Dialog- und Geräuschmix sehr klar, sauber und präsent sowie frei von Verzerrungen. Nur die Musik schwächelt dezent, klingt merklich enger und technisch antiquierter aufgenommen (s.o.) als der Rest. Zusammen mit der englischen Original-Fassung ist sowohl die deutsche als auch die französische Sprachversion (letztere im separat wählbaren französischsprachigen Menü) vertreten. Alle drei Sprachversionen liegen übriges qualitativ auf vergleichbarem, äußerst solidem Niveau.

Extras

Bei der Boni-Ausstattung weicht die STUDIOCANAL-Ausgabe von der originalen US-Criterion-Collection-Version komplett ab, deren Beigaben allerdings eher peripher mit Hustons Film zu tun haben. Stattdessen sind hier zwei sehr informative, neu in HD produzierte, jeweils rund 30-minütige Dokus (in Französisch mit deutschen Untertiteln) zum Thema vertreten: „Moulin Rouge, die Anziehung der Körper“ & „John Huston, ein Portrait von Michel Ciment“, die interessante Einblicke hinter die Kulissen der Produktion vermitteln.

 

ANHANG: Zu einem Technicolor-Klischee

Drei-Farben-Technicolor war ab 1932 das erste wirklich überzeugende (!) Farbfilmverfahren, das neben einer weitgehend natürlichen Farbgebung auch von Anfang an mit eindrucksvoller Farbsättigung aufwarten konnte. Dabei bildet nicht zuletzt das satte Technicolor-Rot einen wahrlich strahlenden Eye-catcher-Moment, der viele Betrachter zu begeistern vermag. Das beim Kopierprozess (Technicolor-Druck) grundsätzliche Arbeiten mit den drei systemimmanenten Farbauszügen gestattete es, dabei in besonderem Maße auf die Bildgestaltung der Kopien (Dichte, Kontrast und Farbgebung) gestalterischen Einfluss zu nehmen. Davon ist zum Beispiel beim Welterfolg Gone with the Wind *  Vom Winde verweht (1939) zur farbtechnischen Ausgestaltung der diversen, mit Bedacht bis in Details sorgfältig komponierten Stimmungen entscheidend Gebrauch gemacht worden. Dieser Film wird übrigens, abgesehen von eher sparsam eingesetzten farblich betonteren Objekten, z.B. Scarlett O’Haras aus einem Vorhang genähtes grünes Kleid oder dem berühmten blutroten Sonnenuntergang im Finale des 1. Filmteils, eindeutig von (selbstverständlich edelst anmutenden) gedeckteren Farben und Pastelltönen dominiert. Die 1961, als Selznick den Film längst an MGM verkauft hatte, auf Metrocolor gezogenen Wiederaufführungskopien waren zwar gegenüber denen von Technicolor erheblich preisgünstiger, dafür jedoch – zumindest bei Übertragung eines Technicolor-Originals auf den Metrocolor-Farbprozess – in der resultierenden bescheidenen Farbgüte schlichtweg eine herbe Enttäuschung. Nicht wenige Zuschauer haben dadurch diesen Filmklassiker nicht bloß qualitativ unzureichend gesehen, sondern (zumindest temporär) wohl auch falsch verinnerlicht.

Der erste in Drei-Farben-Technicolor produzierte abendfüllende Spielfilm Becky Sharp (1935) erweist sich dabei in seiner besonders sorgfältigen farblichen Ausgestaltung zweifellos als ein Demonstrationsobjekt, das sämtliche zu diesem frühen Zeitpunkt (das Filmmaterial war noch zu wenig lichtempfindlich, um Außenaufnahmen zu gestatten) bereits machbaren Register zieht. Einzelnen betont farbenfreudigen Sequenzen stehen diverse gegenüber in denen Pastelltöne und markante Muster in Bekleidung und Dekor dominieren, wobei Farbe, Licht, Schatten und Dekor jeweils eine elegant ausbalancierte künstlerische Einheit bilden. Darüber hinaus hat der zwangsläufig ausschließlich im Studio aufgenommene, theatermäßig und statisch wirkende Film allerdings wenig zu bieten.

Damit vermochten die Produkte der deutschen Agfacolor-Konkurrenz bis in die frühen 1940er Jahre noch nicht gleichzuziehen. Und da, wo späterhin das noch fortlaufend verbesserte Agfacolor oder auch seine diversen Nachfolger zu Werke gegangen sind, bleibt in der farblichen Gestaltung doch die Neigung unübersehbar, das anvisierte Publikum bis in die frühen 1960er Jahre in aller Regel ebenfalls mit betont farbenfrohen, auf ihre Art vergleichbar märchenhaften Bildern zu unterhalten.

Als Paradebeispiele für das Bonbon-bunte bei Technicolorfilmen, das verschiedentlich auch gern als farblich kitschig bezeichnet wird, wären zu nennen der m.E. allerdings vielmehr zauberhafte The Wizard of Oz *  Der Zauberer von Oz (1939), das ebenso reizende Märchen aus 1001 Nacht The Thief of Bagdad * Der Dieb von Bagdad (1940) und auch Robin Hood * Robin Hood – König der Vagabunden (1938), aber, zumindest in Teilen, auch edle Musicalproduktionen wie Meet Me in St. Louis (1944), The Pirate (1948) oder Singin in the Rain * Du sollst mein Glücksstern sein (1952). Beispiele für zweifellos eindringliche und charakteristische, insgesamt aber eher zurückhaltende farbliche Vielfalt finden sich aber im Drei-Farben-Technicolor-Katalog jener Jahre ebenso, neben dem bereits erwähnten Vom Winde verweht etwa For whom the Bell tolls * Wem die Stunde schlägt (1943), Ivanhoe (1952), The black Rose * Die schwarze Rose (1950), The Yearling * Die Wildnis ruft (1946) mit seinen eindrucksvoll eingefangenen Naturstimmungen und ebenso die beiden Errol-Flynn-Filme The Adventures of Don Juan * Die Abenteuer des Don Juan (1948) & The Private Lifes of Elizabeth and Essex * Günstling einer Königin (1939). Letztgenannter beginnt zwar in strahlend leuchtenden Farben, wenn Essex als siegreicher Feldherr in London einzieht. Aber bereits im daran anschließenden, ebenfalls noch betont farbenprächtig ausgestalteten Empfang im Thronsaal werden die Konfliktlinien zwischen den titelgebenden Protagonisten deutlich. Im weiteren Verlauf der tödlich endenden Handlung bleiben die Bilder zwar dank der opulenten Kostüme stets prachtvoll, aber die anfängliche, optimistische Buntheit wird immer mehr zurückgenommen und kehrt nicht mehr zurück. Zu keinem der vorstehend genannten Filme habe ich bisher irgendwelche Hinweise dafür gefunden dass es auch nur im Ansatz Zusammenstöße mit der „Technicolor-Philosophie“ gegeben habe.

Während die heutzutage auf klassischem Filmmaterial eingesetzten Mehrschichtfarbsysteme sich in den Resultaten längst nur noch äußerst geringfügig unterscheiden, sah dies in den 1950er und 1960er Jahren noch merklich anders aus. Das Markante und Reizvolle von Drei-Farben-Technicolor liegt in der Kombination von kräftigeren Farbwirkungen und dem – insbesondere während der ersten beiden Dekaden – ausgeprägten Gemälde-Touch, der aus dem Zusammenwirken mit der von der Malerei inspirierten Bildkomposition resultierte. Und dafür steht auch Moulin Rouge geradezu exemplarisch. Der bereits genannte Lust for Life Vincent Van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft bildet hierzu dank seiner ebenfalls äußerst sorgfältigen Kameraarbeit von Frederick A. Young ein interessantes Pendant. Der Look von Moulin Rouge wurde dabei nicht einfach kopiert, und es wurde – ebenso unübersehbar – eben nicht auf Technicolor- sondern auf Mehrschichtfarbmaterial (Metrocolor) aufgenommen. Als Moulin Rouge in die Kinos kam neigte sich im Übrigen die echte (Drei-Farben-)Technicolor-Ära (1935–1955) bereits ihrem Ende zu. Die mit drei SW-Filmrollen bestückten, gigantischen und schweren Spezialkameras (liebevoll als „das Scheunentor“ bezeichnet) kamen nach Ladykillers (1955, Regie: Alexander Mackendrick, Musik: Tristram Cary) praktisch nicht mehr zum Einsatz. Wegen der herausragenden Langzeitstabilität der Kopien wurde der Technicolor-Druckprozess im westlichen Lager aber noch über rund zweieinhalb Dekaden im großen Stil zum Ziehen von hochwertigen Vorführkopien („Print by Technicolor“) der nun ausschließlich auf Mehrschichtfarbfilmmaterial aufgenommenen Filmproduktionen genutzt.

Weiterhin Interessantes führt dazu Filmrestaurator Robert Harris im Home Theater Forum an, was die Situation aber freilich auch noch ein Stück verkompliziert. Es ist nämlich offenbar so, dass Technicolorkopien bis in die Mitte der 1950er Jahre noch einen merklich anderen, farblich dezent gedämpften und auch von einem sanften Goldton geprägten warmen Look besaßen. Das entspricht nicht dem, was erst späterhin im kollektiven Gedächtnis mit Drei-Farben-Technicolor untrennbar verknüpft worden ist. Insbesondere Natalie Kalmus, der besonders berühmte Name, wenn es um die Farbberatung ging, wollte offenbar zumindest in dieser frühen Phase ausdrücklich einen eher gemäßigten, zurückhaltenden Einsatz der Farben. Das widerspricht so mancher Darstellung in der gerade ihr unterstellt worden ist, stets für mindestens einen leuchtenden, geradezu ins Auge stechenden, Farbfleck im Bild gesorgt zu haben. Im Laufe der Zeit entwickelten und veränderten sich die produzierten Filme und die Ästhetik der Farbgestaltung, hin zu der „übertrieben“ leuchtenden Farbgebung bei Wiederaufführungskopien.

Das belegen auch gut erhaltene Uraufführungskopien, etwa zu The Private Lifes of Elizabeth and Essex, die sich von der punktuell (!) geradezu atemberaubenden Farbenglut der HD-Restauration von 2021 (s.o.) erhältlich als Warner Archive (code-free US-BD) deutlich unterscheiden. Ein weiteres angeführtes Beispiel ist Duel in the Sun * Duell in der Sonne (1948), von dem eine Wiederaufführungskopie aus dem Jahr 1954 ebenfalls noch den erwähnten warmen Look mit einer farblich sanft entsättigten Farbenpracht zeigte, im Gegensatz zu den erheblich leuchtenderen Farben einer Wiederaufführungskopie aus dem Jahr 1968 – ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Heutzutage, wo farbtechnisch längst praktisch „alles“ machbar ist, wird im Übrigen ja beim Color-Grading auch häufiger mit ähnlicher Bonbonhaftigkeit wie in den o.g. Filmen gearbeitet. Wenn aber etwa in Bibi & Tina – Mädchen gegen Jungs alles derart mit viel zu viel an Gelb aufgemotzt worden ist, so, dass etwa der sommerliche Rasen auf dem gespielt wird, vor lauter „Herbststimmung“ kaum mehr grün auszusehen vermag und die Gesichter geradezu ungesund „vergilbt“ aussehen, dann ist das in meinen Augen keine Innovation, sondern schlichtweg Murks von einer Sorte, die mir bei Technicolor bislang noch nicht untergekommen ist. Dass dabei der Himmel interessanterweise noch in solidem Blau (also ohne den eigentlich zu erwartenden Grünstich) abgebildet erscheint ist allerdings schon ein Beleg für die enormen Gestaltungsmöglichkeiten der heutigen digitalen Technik.

„Das Lexikon der Filmbegriffe“ vermerkt zu „Farbentsättigung“ neben Hustons Moby-Dick-Mär für meinen Geschmack allzu bestimmend: „Farben haben Einfluss auf die emotionale Wirkung von Filmen; gerade entsättigte Farbtöne wirken verdichtet und versöhnlicher für das Auge als Bilder mit gesteigerter Farbsättigung.“ Zweifellos können abhängig vom Sujet und der damit verknüpften Dramaturgie auch Pastellfarben sowie entsättigte Farbtöne durchaus vollauf befriedigende Reize entfalten. Allerdings weder bei Der Dieb von Bagdad noch dem Zauberer von Oz haben meine Augen eine derart „versöhnliche“ Geste bislang vermisst, im Gegenteil: Derart brillant komponierte, farbenfrohe Kinobilder habe ich vielmehr immer besonders gemocht.

Zum Gewinnspiel (abgeschlossen am 01.09.2022)

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Originaltitel:
Moulin Rouge

Erschienen:
2022-04
Land:
Deutschland
Vertrieb:
STUDIOCANAL

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