Bernard Herrmann at Fox Vol. 2/Garden of Evil/Citizen Kane
Nur wenige Wochen nach der ersten CD ist die Varèse-Kompilation „Bernard Herrmann at Fox, Vol. 2“ erschienen. Hier sind ebenfalls drei Filmkompositionen vertreten: dieses Mal zu Filmen, die Bernard Herrmann zwischen Oktober 1953 und November 1954 für 20th Century Fox komponierte, nämlich Garden of Evil • Der Garten des Bösen, King of the Khyber Rifles • Der Hauptmann von Peshawar und Prince of Players • König der Schauspieler.
Als Anfang der fünfziger Jahre das CBS-Symphony-Orchester in New York aufgelöst wurde, dessen Leiter Bernard Herrmann bis dahin war, übersiedelte dieser nach Los Angeles. Alfred Newman, Chef des 20th-Century-Fox-Musicdepartments und langjähriger Freund Herrmanns, gelang es, den charakterlich schwierigen Komponisten für die musikalische Illustration einer Reihe neuer Fox-Produktionen zu gewinnen. Herrmann hatte zwar schon zuvor für 20th-Century-Fox Jane Eyre, Hangover Square undThe Ghost and Mrs. Muir vertont, doch von Mitte 1951 bis Ende 1954 arbeitete er sogar ausschließlich für dieses Studio.
Hollywood befand sich in jener Zeit in einer schwierigen Phase des Umbruches und der Neuorientierung. Der lange Zeit belächelte „kleine Bruder Fernsehen“ war zu einer immer ernsteren Konkurrenz geworden. Den drastischen Besucherschwund in den Kinos versuchte man durch den Großeinsatz von Material und neuer Technik entgegenzuwirken. Zum einen sollten ausgefeilte und aufwendige Produktionen den gewünschten Effekt bringen; zum anderen setzte besonders die Fox auf das neue Breitwandverfahren CinemaScope mit 4-Kanal-Magnetton. Dass nicht gespart wurde, belegen auch die in dieser Phase recht zahlreich entstandenen hochkarätigen Filmkompositionen. Für Kino- und Filmmusikfreunde wurde diese Periode zur letzten Blüte der großen Kinosinfonik des „Golden Age“ – vor dessen unaufhaltsamen Niedergang. Ironischerweise wurde seinerzeit von keinem der erwähnten Filme Musik auf Tonträger veröffentlicht.
Alle drei vorliegenden Filmmusiken Herrmanns sind exzellent, Garden of Evil würde ich sogar zu Herrmanns Meisterwerken zählen. Der Film ist trotz einiger dramaturgischer Schwächen auch heute noch sehenswert: Es ist ein liebevoll fotografierter, ungewöhnlicher Western mit sehr reizvollen, geheimnisvollen, exotischen Landschaften und dazu psychologischen Elementen in einer Story um Gold und Habgier. Eine Gruppe Abenteurer (Gary Cooper, Richard Widmark und Cameron Mitchell) strandet an der südmexikanischen Küste und sieht sich gezwungen, in einem verschlafenen Städtchen die Instandsetzung des Schiffes abzuwarten. Dort lassen sie sich von Susan Hayward zu einer Rettungsexpedition anwerben: Ihr verletzter Gatte wartet in einer versteckten Goldmine in einem schwer zugänglichen, abgelegenen Tal, das die Indianer „den Garten des Bösen“ nennen und in dem sie alle Eindringlinge töten.
Volles Blech und grosses Schlagwerk leiten mit einem typisch Herrmannschen, fanfarenähnlichen Schicksals-Motiv das Drama ein. Tom-Tom-Rhythmen und eine dem Rauschen des Windes ähnliche geheimnisvolle Klangfigur der Flöten suggerieren drohende Gefahr durch die, noch unsichtbaren, aber von Anfang an beobachtenden Indianer. Brachiale Schlagwerkattacken begleiten den finalen Höhepunkt, wenn die dezimierte Gruppe verzweifelt versucht, einen rettenden Pass zu erreichen. Die Musik suggeriert deutlich mehr Gewalt als der Film damals zeigen durfte. Eine durchgehend beeindruckende Herrmann-Musik von großer Farbigkeit und dramatischer Wucht!
King of the Khyber Rifles ist ein koloniales Swashbuckler-Movie in der Tradition von Lives of a Bengal Lancer und Charge of the Light Brigade. Die Hauptrolle spielt hier Tyrone Power: das Pendant zu Warners Errol Flynn bei 20th-Century-Fox. Der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Indien spielende Abenteuerfilm handelt vom Kampf britischer Kolonialtruppen gegen aufständische Bergstämme. Wie auch Garden of Evil ist King of the Khyber Rifles sehr schön fotografiert: Die Story ist allerdings doch recht routiniert, und von einzelnen Passagen abgesehen wenig mitreißend. Den musikalischen Kontrapunkt zur blassen Filmhandlung bildet die gekonnte, in den Actionszenen stark rhythmisch akzentuierte und mit leicht ethnischem Touch versehene Musikbegleitung von Bernard Herrmann. In seiner Komposition zu Battle of Neretva (1968) griff der Komponist das hier in Sachen Actionmusiken Erprobte noch einmal auf. Die präsentierte Suite ist leider etwas sehr kurz geraten: Kurioserweise fehlt auch ein Höhepunkt der Partitur, das von Charles Gerhardt im Rahmen seiner Classic-Film-Score Serie eingespielte Stück „Attack on the Mountain Stronghold“.
Den Film Prince of Players habe ich bislang nicht sehen können. Die in diesem Film dargestellte Chronik des im 19. Jahrhundert bedeutenden Shakespeare-Darstellers Edwin Booth – dargestellt von Richard Burton – und seines Bruders John, der Präsident Lincoln ermordete, wurde von der Kritik zwar besonders gelobt, war aber kommerziell der erste Flop eines Breitwand-Opus. Herrmanns Musik verbindet das Theaterfeeling Shakespearescher Königsdramen mit der familiären Tragödie. Neben quasi-höfischen Fanfaren findet sich Herrmanns typische – hier mehr melodisch orientierte – romantisch-melancholische, farbig instrumentierte Musik mit psychologisierenden Untertönen.
Mehrteilige Rezension:
Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu: