Der Gerichtsthriller Primal Fear ist im Deutschen eher unter dem Titel Zwielicht bekannt. Richard Gere spielt den erfolgreichen und auch etwas selbstverliebten Strafverteidiger Martin Vail; im Gerichtssaal ungeschlagen, erklärt er sich bereit, gratis die Verteidigung des jungen Aaron Stamplers (Edward Norton in seiner ersten großen Kinorolle) zu übernehmen, eher aus Profilierungsabsicht als aus Großmut. Stampler, ein Straßenkind, soll den Erzbischof von Chicago, der Aaron einst bei sich aufnahm, grausam ermordet und verstümmelt haben. Die Staatsanwaltschaft und Vails Gegenspielerin, die Anwältin Jane Venable (Laura Linney), plädieren für die Todesstrafe. Vail, der weniger an der Wahrheit als an seinem Ruf interessiert ist, glaubt zu Beginn an einen leichten Fall, doch schon bald verliert er die Kontrolle, insbesondere über Aaron, der mit seinen schizophrenen Anwandlungen allmählich zum wahren Protagonist avanciert…
Dem Regisseur Gregory Hoblit gelang mit Primal Fear ein außerordentlich spannender Thriller mit einem Ende, das wohl zu den überraschendsten der Filmgeschichte gezählt werden darf. Richard Gere überzeugt als schmieriger Anwalt, noch bemerkenswerter ist aber Edward Nortons glaubhafte Darstellung des mal verstört-introvertierten, mal aggressiv-bösartigen Stampler, die ihm zu Recht eine Oscar-Nominierung einbrachte.
James Newton Howard untermalt den Film recht zurückhaltend, mit ruhiger, fast schon melancholischer Musik. Der Film lebt nicht von großangelegten, dramatischen Szenen, sondern von der permanenten, unterschwelligen Spannung, und so gibt es auch im Score keine längere, durchkomponierte Passage. Er ist vielmehr eine Ansammlung verschiedener musikalischer Motive und Ideen. Die einzelnen Cues sind relativ kurz, kaum einer dauert zwei Minuten; wobei diese musikalischen Momentaufnahmen die jeweilige Stimmung im Film sehr gut unterstützen.
Über zumeist synthetische Klangteppiche legt Howard einzelne Soloinstrumente, z.B. Englisch Horn, Klavier, Trompete, Harfe, an manchen Stellen auch mal E-Gitarre. Dadurch, dass die Solo- Blasinstrumente an einigen Stellen Glissandi einbauen, so z.B. in Track 21 „Love Hurts“, erinnert der Score manchmal an Modern Jazz. Außer in Track 6 „Chasing Alex“, der so ziemlich einzigen Action-Szene im Film (in der Vail den flüchtigen Aaron zu Fuß verfolgt) verwendet der Komponist so gut wie keine Percussion.
Highlights auf der CD sind Track 4 „The Murder Scene“, der sehr repräsentativ für den ganzen Score ist und zudem eine der wenigen vorantreibenden, größer orchestrierten Passagen bietet. Auch Track 8 „Cancao do Mar“, gesungen von Dulce Pontes ist ein Glanzpunkt und einigen sicher schon aus dem Trailer zu Der talentierte Mr. Ripley bekannt. Desweiteren finden sich u.a. noch das Lacrimosa aus Mozarts Requiem auf dem Album, sowie „Don’t deceive me“, gesungen von Johnny Otis.
Insgesamt erinnert die Filmmusik zu Primal Fear • Zwielicht an Scores wie The Sixth Sense oder den ruhigeren Passagen in Outbreak – Lautlose Killer, mitunter sind auch Anleihen an Howards TV-Musiken (z.B. Emergency Room) zu hören. Wer allerdings orchestrale Musik wie zu Waterworld oder Vertical Limit erwartet, wird wahrscheinlich eher negativ überrascht sein.
Die CD ist nicht zuletzt deshalb empfehlenswert, da das Booklet interessante Informationen zu Howard enthält, seine Vita und bisherige (Zeitpunkt 1996) Discographie.