Sissi

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
24. August 2000
Abgelegt unter:
Special

Sissi und das Medium DVD

Der unter der Bezeichnung „Digital Versatile Disc“, DVD, 1998 auch in Deutschland eingeführte Datenträger in CD-Größe dürfte den Videomarkt in den nächsten Jahren revolutionieren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beim Bildtransfer, was zu vielfach enttäuschenden DVD-Produktionen geführt hat, ist das neue Medium inzwischen aus den Startschwierigkeiten heraus. Der überwiegende Teil der in der letzten Zeit auf DVD erschienenen Filme ist von sehr guter bis hervorragender Qualität. Besonders der visuelle Eindruck ist bei erstklassig produzierten Titeln geradezu atemberaubend: Das Bild erstrahlt gestochen scharf, überaus detailliert und in leuchtenden Farben. Die Brillanz der extrem rauscharmen Bilder und der absolut ruhigen Farbflächen überragt qualitativ nicht nur den Super-VHS-Standard, sondern auch die der allermeisten Fernsehausstrahlungen um Längen und erreicht damit annähernd Studioqualität – eine Verbesserung, die auch viele Konsumenten begeistern dürfte. Dass gute DVD-Player inzwischen preisgünstig geworden sind und zudem auch CDs abspielen, wird den Siegeszug des neuen Mediums nachhaltig fördern – denn wer legt sich jetzt noch einen „nur“-CD-Player zu?

Die Sissi-Edition auf DVD

1634Eine der bekanntesten und wohl auch verklärtesten Frauengestalten Europas ist die Kaiserin Elisabeth von Österreich, Sissi, die von ihrem Gemahl, dem Kaiser Franz Josef I., allerdings „Sisi“ genannt wurde. Die Historie beschreibt das Kaiserpaar in manchen wesentlichen Punkten anders, als die der Verklärung und der Förderung des Sissi-Mythos dienende Sissi-Filmtrilogie, die vom österreichischen Operettenfilm-Produzenten Ernst Marischka inszeniert wurde — siehe auch Die Fledermaus (1944-46). Vorbild für die Filmtrilogie war die Operette „Sissy“ (Text: Ernst und Hubert Marischka, Musik: Fritz Kreisler), die am 23. September 1932 im Theater an der Wien uraufgeführt wurde. Dass für die drei im Stil der Traumfabrik angelegten Sissi-Filme der historische Hintergrund im Wesentlichen nur Aufhänger ist, hat der großen Popularität der Filme bis heute kaum etwas anhaben können. Gleiches gilt für Bewertungen der Filmkritik, wie „Edelkitsch für schlichte Gemüter“. Die bereits im Uraufführungsjahr des ersten Films der Trilogie, 1955, von einem empörten österreichischen Kritiker formulierte Frage „Wann werden wir uns endlich einen derartigen Kitsch verbitten?“ ist ebenfalls bis heute ohne Resonanz geblieben.

Nun, ich bin ebenfalls der Meinung, dass die Filme nicht zu den großen Ereignissen der Kinogeschichte gehören, aber sie besitzen trotz ihres zweifellosen Trivialfilmcharakters für einen großen Zuschauerkreis soliden Unterhaltungswert. Herz-Schmerz-Geschichten stehen ja auch heute nach wie vor hoch im Kurs. Die alljährlich produzierten Fernseh-Schmonzetten à la Rosamunde Pilcher u.a. sind zwar zeitgemäßer, funktionieren aber nach vergleichbarem Grundkonzept. Auch hier wird die eher banale Handlung im Milieu des (modernen) Geld-Adels angesiedelt, dazu gibt’s eine möglichst luxuriöse Ausstattung sowie einen landschaftlich reizvollen Hintergrund…

Gerade die in vielem handwerklich gute Inszenierung und die für europäische Verhältnisse verschwenderisch plüschige Ausstattung geben den Sissi-Filmen ihren Reiz. Hinzu kommt natürlich auch noch Nostalgisches, z.B. der „Backfisch“ Romy Schneider, der durch den ersten Sissi-Film über Nacht zum Star wurde. Regisseur Ernst Marischka hatte Romy Schneider übrigens zuvor systematisch als „süßes, unschuldiges Mädel“ aufgebaut, in den Filmen Mädchenjahre einer Königin (1954) und Die Deutschmeister (1955).

Die für die häufigen Fernsehausstrahlungen eingesetzten Kopien wiesen deutliche, speziell farbliche Defekte auf. Bei der vorliegenden DVD-Edition sind die ehemals vorhandenen, zum Teil gravierenden Mängel anhand der allen DVDs beigefügten Kino-Trailer zu den drei Sissi-Filmen ansatzweise nachvollziehbar. Obwohl die präsentierten Trailer in relativ gutem Zustand sind, begegnet man auch hier, zum Teil von Szene zu Szene, deutlichen Farbverschiebungen und dem wohl bekanntesten Merkmal sich zersetzender Farbfilme: dem Rotstich. Partiell sieht man außerdem, dass die Veränderungen im Filmmaterial nicht allein zu farblichen Veränderungen, sondern auch zu einem deutlichen Schärfe- und Detailverlust führen können.

Im 100sten Todesjahr der österreichischen Kaiserin wurden die Filme daher einer grundlegenden Restauration unterzogen. Das existierende Original-Negativmaterial wies, neben ebenfalls alterbedingten Veränderungen, zum Teil auch starke mechanische Schäden auf – was nicht nur Perforationsmängel und defekte Einzelbilder, sondern auch merkliche Bildverluste bedeutete. Diese mussten mit Hilfe entsprechender Szenen aus gut erhaltenen Kinokopien soweit als möglich ausgeglichen werden. Mit Hilfe moderner Digitaltechnologie konnten Bildschäden überwiegend repariert und die Original-Farben weitgehend wiederhergestellt werden. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Nicht nur die farbliche Brillanz, der in dezent blaustichigem, zeit-typischem Agfacolor aufgenommenen Filme, sondern auch die Detailvielfalt der üppigen Interieurs und schönen Kostüme sind visuell jetzt erstmals seit langem wieder voll erfahrbar. Hier und da gibt es noch kleinere sichtbare Mängel, wie leichte Farbschwankungen, kleinere Bildbeschädigungen und speziell im letzten Viertel des ersten Films auch ein paar deutliche Bildsprünge. Dies sind jedoch Kleinigkeiten, die den positiven Gesamteindruck kaum beeinträchtigen.

Bei der ersten Fernsehausstrahlung der restaurierten Fassung durch Sat.1, ist mir eine deutliche Körnigkeit im Fernseh-Bild besonders störend aufgefallen. Das Bild der DVD ist hingegen erfreulicherweise bis auf einige wenige – etwas stärker angerauschte – kurze Sequenzen rauscharm, scharf und daher sehr angenehm anzusehen. Betrachtet man das Bild aus nächster Nähe, fallen allerdings in manchen Szenen kleine Artefakte auf. Diese machen sich jedoch beim normalen Seh-Abstand nicht mehr störend bemerkbar. Insgesamt ist der optische Eindruck deutlich besser, als der von der schon respektablen Fernsehausstrahlung und kann als gut bis sehr gut bezeichnet werden.

Nicht in gleichem Maße hat mich die Restauration der Töne überzeugen können. Zwar ist die Sprache weitgehend sauber und verzerrungsfrei, aber besonders im zweiten Film wirken leisere Musikeinsätze sehr gepresst und verschwommen. Alles in allem bleibt aber für den wohl nie besonders üppig gewesenen Film-Ton immerhin noch ein knappes Befriedigend.

Der schönen sinfonischen Filmmusik von Anton Profes wurde hingegen bis heute leider (noch?) überhaupt keine Aufmerksamkeit gewidmet. Schon ein wenig schade, die klassisch angelegte, von wagnerischer Leitmotivik durchsetzte, dazu sehr melodische Musik ist sicher auch unabhängig von den Filmen gut anhörbar. Besonders im Rahmen von Sissis 100sten Todesjahr, 1998, hätte auch eine CD, gegebenenfalls mit neueingespielten Suiten aus den drei Filmmusiken, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit viele Liebhaber gefunden. Allerdings dürfte das wohl noch längere Zeit anhaltende Publikumsinteresse an den Filmen auch jetzt noch ein Engagement in Sachen Filmmusik rechtfertigen.

An Zusatzmaterial bietet die DVD Sissi einen recht informativen, rund 25-minütigen Zusammenschnitt der TV-Dokumentation „Legende Romy Schneider“. Die DVD Sissi – Die junge Kaiserin präsentiert als Making-of eine originelle Fundsache. Bei ihren Recherchen stießen die Restauratoren auf bislang unbekanntes Schwarz-weiß-Filmmaterial, das Teile der Dreharbeiten zum zweiten Film zwar einfach, aber recht nett dokumentiert. Dazu fand sich ein Tonband mit einem begleitenden Kommentar von Romy Schneider. Ergänzt mit einigen Szenen der restaurierten Farbversion wurde hieraus ein rund 18-minütiges Video zusammengestellt, das man als eine Art Vorläufer der modernen Making-of’s ansehen kann. Die dritte DVD, Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin, bietet als Beigaben ausschließlich schriftliche Kurzbiografien über Romy Schneider und die Kaiserin Elisabeth.

Ein Buch zur Sissi-Film-Trilogie

1635Der großformatige Bildband des Burgschmiet-Verlages „Sissi – das Leben einer Kaiserin“ ist eine nette Ergänzung zur Filmtrilogie. Während im Zusatzmaterial der DVDs immerhin auch Kritisches abseits des Sissi-Mythos anklingt, fokussiert das Buch ausschließlich auf die Filmlegende. Ausführliche Inhaltsangaben zu jedem der drei Filme, werden im Anschluss durch ordentlich reproduzierte, teilweise allerdings etwas körnig geratene Filmfarbfoto-Serien ergänzt, die mit ausführlichen Bildlegenden versehen sind. In Ergänzung zur das Buch abschließenden Zeittafel, hätte ich mir noch ein Kapitel gewünscht, das zumindest schlaglichtartig Fiktion und Wahrheit der historischen Figuren und ihrer Darsteller beleuchtet – doch auch so, dürfte das Buch für Fans der Filmtrilogie ein Muss sein.

Fazit: Die Sissi-Film-Trilogie erstrahlt nach erfolgreicher Restauration speziell in der vorliegenden DVD-Version in neuem Glanz. Die Bilder beeindrucken durch üppige, satte Farben, weitgehende Rauscharmut und gute Auflösung der feinstrukturierten Interieurs und Kostüme. Das Bild zeigt aus kurzer Blickdistanz mitunter zwar kleine Artefakte, die sich jedoch beim normalen Sehabstand erfreulicherweise nicht bemerkbar machen – derartige Bildmängel sollten allerdings inzwischen nicht mehr vorkommen. Das nicht perfekte, aber trotzdem sehr ansprechende Bild erhält als Bewertung aber noch ein solides Gut. Das Zusatzmaterial ist, gemessen an dem von aktuellen Filmen, recht bescheiden, aber für das Alter der Filme akzeptabel und bietet auch ein paar kritische Akzente. Der Bildband „Sissi – Das Leben einer Kaiserin“ ist ein nettes, wenn auch vollkommen unkritisches Souvenir zum Mythos der Sissi-Film-Trilogie und der legendären österreichischen Kaiserin.

Die beiden Bilder sind dem besprochenen Buch, „Sissi – Das Leben einer Kaiserin″, entnommen.

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