The Thin Red Line

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
18. Oktober 2000
Abgelegt unter:
DVD

Film

(5/6)

Bild

(6/6)

Ton

(5/6)

Extras

(1/6)

Der Film

Terrence Malicks Film The Thin Red Line • Der schmale Grat (1998) markiert die nach Days of Heaven • In der Glut des Südens (1978) lang erwartete Rückkehr des Regisseurs auf den Regiestuhl. Das Drehbuch folgt dem zweiten Band, „The Thin Red Line“; deutscher Titel „Der tanzende Elefant“, der Kriegstrilogie von James Jones. Ungleich bekannter ist jedoch das erste Buch der Trilogie, der Weltbestseller „Verdammt in alle Ewigkeit“, dessen Ruhm durch die gelungene Verfilmung von Regisseur Fred Zinnemann From Here to Eternity • Verdammt in alle Ewigkeit (1953) weiter gesteigert worden ist. Der auch heute noch sehenswerte Film wird von der packenden Darstellung eines Burt Lancaster, Montgomery Clift, Ernest Borgnine und nicht zuletzt Frank Sinatra getragen. „Der tanzende Elefant“ wurde zum ersten Mal von Regisseur Andrew Marton bereits im Jahre 1963 verfilmt The Thin Red Line • Sieben Tage ohne Gnade – hierzulande ist diese Filmversion wenig bekannt geworden.

Eine Redensart aus dem amerikanischen Mittelwesten lieferte den Titel für das Buch von James Jones: „There’s only a thin red Line between the Sane and the Mad; Vernunft und Wahnsinn sind nur getrennt durch eine dünne rote Linie“. Geschildert wird die Geschichte vom Einsatz einer US-Schützenkompanie in der entscheidenden Schlacht um die von Japan besetzte Salomon-Insel Guadalcanal im Jahr 1942. Terrence Malicks Film zeigt das Schicksal von rund einem Dutzend Soldaten und gibt in Rückblenden und mit im Off formulierten, zum Teil philosophischen Gedanken und Betrachtungen Einblicke in die Gefühle der Figuren, ihre privaten Sorgen und Ängste. Ein Großteil der Außenaufnahmen erfolgte in Australien, einige wichtige Szenen wurden aber aus Gründen der Authentizität auf Guadalcanal selbst realisiert. Malicks Film-Opus ist eine lebensbejahende, bildgewaltige Meditation über die Schönheit der unberührten Natur, deren Verletzungen durch die Kriegsgräuel sich in den Traumata der handelnden Soldaten widerspiegeln – ansatzweise findet sich dies auch in Sergej Bondartschucks Film nach Leo Tolstois berühmtem Roman, Wojna i Mir • Krieg und Frieden (1965-67).

Die guten schauspielerischen Leistungen von z.B. Sean Penn, Adrien Brody, Ben Chaplin, George Cloony und nicht zuletzt von Nick Nolte und Jim Caviezel tragen einen sehenswerten Film. Ohne dem Kult um Regisseur Terrence Malick Vorschub leisten zu wollen: Dieser Kriegsfilm ist in vielem als außergewöhnlich und besonders eindrucksvoll zu bezeichnen. Dies wird allerdings nicht unbedingt nach nur einmaligem Anschauen des Filmes offensichtlich. Zu vieles ist in der Inszenierung, die vom klassischen Erzähl(Kino)-Stil stark abweicht, gegen den Strich gebürstet. Auch mir hat verstärkt die vorliegende DVD-Edition und damit eine zweite und dritte Begegnung mit dem Film den Weg zur oben formulierten Ansicht geebnet.

Zwar agieren hier Stars, aber ausgefeilte Charakterstudien oder eine Zentralfigur der Handlung gibt es nicht. Die erzählte Geschichte ist nur ein Rahmen, in dem ein widersprüchliches Kaleidoskop aus vielfältigen Eindrücken und damit ein vielschichtiges und komplexes Gesamtbild entsteht. Weder hebt der Film eine seiner Figuren gegenüber den anderen besonders hervor, noch erzählt er deren Geschichte zu Ende. Die Nichtlinearität und die damit verbundene Abkehr von gewohnten Kino-Standards machen den Film schwierig und erfordern im Prinzip eine Vorbereitung des Zuschauers. Der starke Gegensatz zwischen brutaler moderner Kriegsführung und unberührter Naturidylle, in der die Urbevölkerung mit ihrer Umgebung in Harmonie lebt, gerät zum wichtigen und bildwirksam gestalteten philosophischen Element dieses Films. Die für den einzelnen Soldaten bedrückende Unausweichlichkeit des Krieges und seine fatalen Auswirkungen, auch die privater Natur, werden überwiegend eindrucksvoll gestaltet.

Der Schmale Grat hat darüber hinaus ernstzunehmende Antikriegstendenz. Wie David Walsh in seinem Artikel zu diesem Film (in wsws.org/de) sehr überzeugend herausgearbeitet hat: „Auf was deutet der Ausdruck Anti-Krieg… hin? Nicht einfach darauf, dass man dagegen aufbegehrt, was mit einem selbst oder der Armee seines Landes geschieht, sondern darauf, dass man dagegen ist, was mit dem Feind geschieht und was man selbst mit den Feinden macht! …“ In diesem Sinne wird der Feind nicht nur als Mensch gezeigt – bekommt also „Gesicht“ –, sondern der Film zeigt in einer besonders bedrückenden Szene was enthemmte Sieger den Besiegten antun: Ein amerikanischer Soldat bricht inmitten traumatisierter Gefangener, toten Japanern Zähne als Souvenir heraus … In dieser und einigen anderen relativ kurzen und nicht Blockbuster-mäßig inszenierten, aber vergleichbar eindringlichen und erschütternden Szenen transportiert der Film seine Antikriegsbotschaft. Hierzu gehört auch, wie der Krieg in die Naturidylle hereinbricht: Die anfangs ohne jegliche Feindberührung vorrückende Einheit findet erste Kampfspuren in Form grässlich verstümmelter Leichen in einer ansonsten unberührt wirkenden Landschaft vor und wird so erstmalig mit der Kriegsrealität konfrontiert.

Der Film hebt sich von anderen Vertretern des Genres deutlich ab, z.B. von Spielbergs Saving Private Ryan • Der Soldat James Ryan. Sicher ist auch in Terrence Malicks Film nicht alles völlig überzeugend – der Film ist durch seine fortwährenden philosophischen Betrachtungen schon ein Stück überfrachtet –, vermeidet aber platte Klischees auf die Spielberg anscheinend nicht verzichten wollte: Hier meine ich z.B. den deutschen Soldaten, dem die amerikanische Einheit das Leben schenkt, ihn laufen lässt, und der ihr beim finalen Kampf um eine Brücke als fanatischer Schlächter wieder begegnet. Malicks Film verzichtet nahezu völlig auf Splatter-Effekte wie sie in Spielbergs Film in den ersten 25 Minuten in schon abstumpfender Häufigkeit geboten werden. In Der Schmale Grat wirkt der Krieg deswegen nicht weniger sinnlos und unmenschlich, aber die insgesamt eher leisen Bilder sind persönlicher und eindrucksvoller als das große Sterben auf Omaha-Beach in Spielbergs Film. Ich denke, dass Der Schmale Grat gerade durch die genannten Szenen auch nachhaltiger in Erinnerung bleiben wird.

Der Film auf DVD

Die Fox-DVD präsentiert den Film im korrekten Seitenverhältnis (1 : 2,35) in makelloser Bildqualität, wobei gute Schärfe und die zum Teil herrlichen Naturaufnahmen, in hervorragenden Farben und gut durchzeichnet, besonders hervorstechen.

Der Ton kann im Tonformat AC-3, 5.1 in deutsch, englisch und spanisch abgerufen werden. Sourround-Effekte werden eher dezent für das Erzeugen von Atmosphäre verwendet. Nur in den relativ sparsam eingesetzten Kampfszenen bekommt der ansonsten eher zurückhaltende und sehr stimmungsvolle Ton-Mix plötzlich Drive.

Während die Präsentation des Filmes positiv ausfällt, ist die Ausstattung mit Bonus-Material äußerst bescheiden. Neben dem in eher durchschnittlicher Qualität im Format 1 : 1,85 präsentierten englischen Kino-Trailer gibt es als zusätzliches Feature nur eine Reklame für eine RCA-CD mit melanesischen Gesängen – 11 der 26 Titel der Original-CD kann man sich komplett anhören.

Der interessante Film und seine technisch voll überzeugende Präsentation rechtfertigen jedoch eine klare Empfehlung.

Die CDs zum Film

Auf dem Label RCA-Victor sind insgesamt zwei CDs mit Musik zum Film erschienen: eine mit der Filmmusik von Hans Zimmer und eine zweite mit melanesischen Chören (inspired by the Movie), die mehr Souvenir-Charakter hat.

Bei der Musik von Hans Zimmer dürfte es sich wohl um die bislang subtilste Arbeit des Komponisten handeln. Abseits von martialischen Bläserklängen und Marschrhythmen, fokussiert der Komponist mit seiner von Streichern und Holzbläsern getragenen, sehr elegischen Tonschöpfung auf das Innere der Figuren. Die insgesamt ruhige Musik verströmt Einsamkeit und Melancholie und wirkt teilweise minimalistisch und meditativ, wodurch sie ein quälendes Gefühl von Unausweichlichkeit erzeugt. Elektronik wird relativ zurückhaltend verwendet, die zimmer-typischen Action-Passagen werden sogar konsequent gemieden. Im Film funktioniert die Komposition durchaus gut, vom Bild gelöst wirkt sie in Teilen aber doch etwas langatmig. Besonders schön sind die Tracks „Journey to the Line“, „Light“, „The Village“ und „Silence“. Partiell nähert sich der Komponist auch in dieser Klangschöpfung seinem oft nachgeeiferten Vorbild Richard Wagner und hier der nichtmartialischen Lohengrin-Harmonik.

Die andere CD enthält eine passable Zusammenstellung religiöser melanesischer Chorgesänge, die vom Produzenten-Team wohl als eine Art Souvenir auf Guadalcanal aufgenommen worden sind. Einige der insgesamt 26 Stücke sind als Symbol der Berührung der melanesischen mit der amerikanischen Kultur in den Film aufgenommen worden. Auf der Filmmusik-CD wird nur das dritte Stück „God yu tekkem laef blong mi“ zitiert.

Fazit: Terrence Malicks Kriegsfilm Der schmale Grat ist ein ungewöhnlich leiser und dabei doch eindrucksvoller Film, der seine Wirkung primär in eher kleinen Szenen entfaltet und dadurch seine Anti-Kriegs-Botschaft ehrlicher herüberbringt. Er bietet viele herrliche Naturstimmungen voller Poesie, aber zugleich eine nichtlineare Erzählstruktur, die ihn komplex und schwierig macht. Die im übrigen schlicht ausgestattete DVD präsentiert den Film in Bild und Ton nahezu perfekt. Gerade die DVD dürfte das ideale Medium sein, diesen wichtigen Antikriegs-Film in Ruhe zu studieren. Ein Opus, das deutlich andere Akzente setzt und eine im nachhinein beeindruckendere Botschaft transportiert als Spielbergs Der Soldat James Ryan. Der schmale Grat spart mit aufwändigen eher vordergründigen Bildern aus dem Schlachthaus, dafür erschüttern einige seiner unspektakulär inszenierten Szenen jedoch umso tiefer.

Von den beiden CDs zum Film ist besonders die mit Hans Zimmers ruhiger, ungewohnt subtiler Filmmusik interessant. Die CD mit einer Kollektion religiöser melanesischer Chöre dürfte primär für diejenigen Hörer von Interesse sein, denen das auch auf der Filmmusik-CD enthaltene Chor-Stück besonders gut gefallen hat.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Originaltitel:
Der schmale Grat

Regisseur:
Malick, Terrence

Erschienen:
2000
Vertrieb:
20th Century Fox
Kennung:
DVD 1425508
Zusatzinformationen:
USA 1999|USA 1999

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