Malcolm Arnold (geboren 1921) ist der letzte musikalische Vertreter des „Golden Age of British Cinema“. Bereits 1992 veröffentlichte das Chandos Label eine erste CD mit Film-Musik dieses versierten Komponisten (hierzu siehe auch „Klassische Britische Filmmusik, 1. Folge“). Rund acht Jahre später legt das Label jetzt die zweite filmmusikalische Kompilation auf CD vor. 1992 dirigierte Richard Hickox das London-Sinfonie-Orchestra, dieses Mal musiziert das BBC-Philharmonic-Orchestra unter Rumon Gamba. Neben den Einspielungen mit Werken von George Auric und Alan Rawsthorne ist dies das dritte „Chandos Movies“-Album unter diesem Dirigenten. Bei Rumon Gamba und den Mitgliedern des BBC-Philharmonic-Orchestra befindet sich erwartungsgemäß auch die Musik von Malcolm Arnold hörbar in guten Händen. Nicht alle zu den präsentierten Filmmusiken gehörenden Filme sind im deutschen Sprachraum gezeigt worden. Detaillierte Kenntnisse sind allerdings zum Genuss des vorliegenden Programms nicht unbedingt erforderlich. Malcolm Arnolds Film-Musik vermag auch dieses Mal getrennt von den Filmen zu überzeugen.
Das musikalische Programm beginnt mit der Kino-Overtüre zu The Roots of Heaven • Die Wurzeln des Himmels (1958), in dem es um die Jagd nach dem „weißen Gold“ geht. Arnolds Musik brilliert mit afrikanischen Rhythmen, einem musikalischen Echo der Elefantenrufe und auch mit romantischen Klängen neben einem Hauch von Jazz.
Der Dokumentarfilm Report on Steel (1951) ist in Deutschland wohl nicht gezeigt worden. Arnold formte aus Teilen seiner Musik eine sinfonische Studie mit dem Titel „Machines“. Seine energiegeladene Komposition erinnert mit ihren stampfenden, stählernen Rhythmen ein wenig an die experimentellen Ballett-Musiken Sergej Prokofjews aus den zwanziger Jahren.
In No Love for Johnny • Und morgen alles (1960) spielt Peter Finch einen jungen Labour-Abgeordneten, der rücksichtslos alles Private seiner politischen Laufbahn opfert. Mit einem lebendigen Marsch kontrastiert ein sehr romantisch-schwelgerisches Thema für eine Liebesaffäre, das in einer sehr verhalten klingenden Variante die Suite ausklingen lässt.
Ein Höhepunkt der CD ist zweifellos die Musik aus Arnolds letzter Leinwand-Komposition aus dem Jahr 1969, David Copperfield. Die präsentierte Zusammenstellung offeriert im Main-Title ein breites elegisch-melancholisches Thema von großer Schönheit, außerdem ein reizendes farbiges kleines Orchester-Scherzo sowie einen originellen Walzer für die Liebenden und ein für Arnold typisches klanglich prachtvolles Finale.
Ebenfalls reizvoll sind das witzig-slapstickhafte Scherzetto für Klarinette und Orchester aus You Know what Sailors are (1953); die Ballade für Klavier und Orchester aus Stolen Face (1952) zeigt Berührungspunkte mit den Klavierkonzerten Rachmaninoffs und erinnert auch an das in der gleichen Tradition stehende berühmte „Warschauer Konzert“ von Richard Addinsell.
Ein weiterer Höhepunkt dieses Programms ist die Suite aus der Film-Musik zum Lustspiel The Belles of St. Trinians • Die Schönen von St. Trinians (1954), in dem ein grotesk geführtes englisches Mädchenpensionat eine wichtige Rolle spielt. Arnolds – in vielem Schostakowitsch nahe Klangschöpfung ist sehr rhythmisch angelegt und dazu raffiniert orchestriert. Stabglocken und vielseitiges Schlagwerk spielen in der sehr humorvoll und auch skurril wirkenden Musik eine dominierende Rolle.
Aus der Filmmusik zu The Holy and Ivy (1952) arrangierte Christopher Palmer eine sehr stimmungsvoll und warm klingende Zusammenstellung von Weihnachtsliedern. Sie klingen vertraut, sind aber hörbar vom Arnold-Touch geprägt.
Als Finale erklingt ein Auszug der Musik zum Film The Captains Paradise • Der Schlüssel zum Paradise (1953), in dem Alec Guinness einen Kapitän spielt, der mit seinem Fährdampfer zwischen Gibraltar und Algier pendelt und der in beiden Häfen eine Frau hat. Das delikate Stück präsentiert ein von naturalistischem Meeresrauschen umrahmtes Thema für den Kapitän und eine mitreißende Tanz-Musik-Nummer.
Die zweite Chandos-CD-Kollektion mit Film-Musiken von Malcolm Arnold unterstreicht den hohen Rang dieses versierten Tonschöpfers. Rumon Gamba und das BBC-Philharmonic-Orchestra interpretieren die Musik mit viel Hingabe und wo nötig auch mit entsprechendem Drive. Nicht vergessen werden dürfen die auch für diese Edition sorgfältig ausgeführten Rekonstruktionsarbeiten von Phillip Lane. Die Aufnahmetechnik arbeitete hervorragend und das Booklet wurde ebenfalls sehr ansprechend und informativ gestaltet. Nicht nur Freunden britischer Film-Musik sei das schöne CD-Album wärmstens ans Herz gelegt.
Fazit: Auch die zweite Chandos-Kompilation mit Film-Musiken Malcolm Arnolds ist sehr gelungen. Arnold stellt auch im vorliegenden Programm unter Beweis, dass er in vielen Musik-Stilen zu Hause ist und über einen hohen Klangsinn verfügt. Die vorliegende Musik-Auswahl überzeugt nicht nur durch hörbare Inspiration, sondern zusätzlich durch orchestertechnische Raffinesse und immer wieder durch hinreißend schöne melodische Einfälle. Mit fast 80 Minuten Spieldauer bietet die CD eine Laufzeit, die der eines ehemaligen Doppel-LP-Albums entspricht – und wird damit auch preislich zum wahren Schnäppchen.
Wann wird uns Chandos die dritte (zweifellos lohnenswerte) CD-Zusammenstellung aus dem filmmusikalischen Œuvre dieses Meister der britischen Tonfilm-Musik vorlegen – etwa schon zum 80sten Geburtstag des Maestros in 2001?
Hier gibt es eine Übersicht der bisher besprochenen Chandos-Movies-CDs.
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