The Snows of Kilimanjaro/Five Fingers

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
24. September 2001
Abgelegt unter:
CD

Score

(5.5/6)

Als im Oktober 1950 das CBS Symphony Orchestra aufgelöst wurde, dessen Leiter Bernard Herrmann war, traf dieser eine für seine weitere Karriere bedeutungsvolle Entscheidung. Er beschloss, Alfred Newmans Einladung nach Hollywood zu 20th Century Fox anzunehmen und übersiedelte nach Los Angeles. Er fand im von „Big Al“ souverän geführten, gut geölten Fox Music Department große kreative Freiheiten, die er zu nutzen und mit dem brillant disponierten Fox Orchestra umzusetzen wusste.

Bereits in den 40ern hatte der Komponist eine handvoll überaus bemerkenswerter Musiken für Fox-Filme geschaffen: Jane Eyre (1944), Hangover Square (1945), Anna and the King of Siam (1946) und The Ghost and Mrs. Muir (1947). Jetzt knüpfte er nahtlos an deren hohe Standards an und die kreativste Phase seines filmmusikalischen Schaffens begann. (Basisinformationen zu Bernard Herrmann in The 7th Voyage of Sinbad.)

Das jetzt vorliegende neueste Marco-Polo-Album aus dem Hause Morgan-Stromberg widmet sich den beiden 1952 entstandenen Filmkompositionen: The Snows of Kilimanjaro • Schnee am Kilimanjaro und 5 Fingers • Der Fall Cicero. Bernard Herrmann erweist sich auch bei den hier eingespielten Musiken nicht zuletzt als ein Meister der Instrumentierung und der klanggewordenen Stimmungen.

The Snows of Kilimanjaro ist ein immer wieder gesehener Gast im deutschen Fernsehen. Im arg melodramatisch-kitschig und recht spannungsarm geratenen Film nach der Hemingway-Vorlage geht es um einen todkranken Globetrotter (Gregory Peck) im afrikanischen Busch, bei dem im Fieberwahn die Stationen seines Lebens Revue passieren. Bereits während seiner letzten Lebensjahre in London hat Herrmann aus The Snows of Kilimanjaro eine knapp 11-minütige speziell bearbeitete Konzert-Suite eingespielt, durch die insbesondere der elegante, melancholische „Memory-Waltz“ sehr bekannt geworden ist. Die jetzt auf der Marco-Polo-CD vorliegende rund 37-minütige Suite enthält alles Wichtige der gesamten Musik in originaler Gestalt und kann damit als „substanziell vollständig“ bezeichnet werden. Auch hier gilt das schon oft Erlebte: Längere Fassungen sehr guter Filmkompositionen bieten beträchtlich mehr. Die wichtigsten Themen präsentiert der Komponist zwar schon in seiner Konzert-Suite, aber auch in der Langfassung vermag er den Zuhörer mit der Gestaltung seines musikalischen Materials in Bann zu ziehen. Bernard Herrmann setzte in dieser vielfach sehr nostalgisch klingenden Musik den Schwerpunkt auf breitere Themen gegenüber dem von ihm oft bevorzugten Arbeiten mit kurzen Motiven. Dies macht die Musik besonders ohrenfreundlich: sie fließt sehr gut und zählt damit zu den für den Hörer am leichtesten zu erschließenden Herrmann-Kompositionen.

In 5 Fingers • Der Fall Cicero geht es um einen spektakulären Fall von Weltkrieg-II-Spionage. Der Kammerdiener des britischen Botschafters in Ankara im Kriegsjahr 1944, Ulysses Diello, erhält von den Deutschen den Codenamen „Cicero“. Cicero verkaufte den Nazis essentielle Geheimdokumente, die erwartete Invasion an der französischen Küste betreffend. Allerdings setzten sich auf der Seite seiner Geschäftspartner diejenigen durch, die ein doppeltes Spiel vermuteten und ihn ihrerseits mit gefälschten Pfundnoten entlohnten. Cicero muss daher schließlich erkennen, dass, obwohl ihm die Flucht aus Ankara knapp gelungen ist, sein Traum von einer luxuriösen Existenz in Südamerika zerplatzt ist. Der auch atmosphärisch sehr dichte Film wurde von Regisseur Joseph L. Mankiewicz (Julius Cäsar, Cleopatra) an Original-Schauplätzen inszeniert. Er überzeugt auch heute noch, nicht zuletzt durch einen hervorragenden James Mason in der Titelrolle. Was zunächst detailverliebt und ruhig beginnt, wird im letzten Viertel, wenn Cicero mehr und mehr Gefahr läuft, vom fieberhaft ermittelnden britischen Geheimdienst als „Maulwurf“ enttarnt zu werden, wirkungsvoll zum temporeichen Finale gesteigert. Wie hier ein durchdachter, logischer Plot stilvoll auf- und ausgebaut und gegen Ende zur spannenden Verfolgungsjagd mit Schlusspointe geführt wird, davon könnte sich so mancher überdrehter Actionblockbuster unserer Tage mehr als nur eine Scheibe abschneiden.

In dieser überwiegend düster gehaltenen Komposition tritt Bernard Herrmanns Vorliebe für die musikalische Gestaltung seiner Tonschöpfungen mit kurzen Motiven deutlich hervor. Die stark atmosphärisch gehaltene Musik lässt schon manches von den späteren Arbeiten für Alfred Hitchcock vorausahnen. Beim Hören kommen insbesondere Vertigo und North by Northwest in den Sinn. Besonders beim geduldigen Einhören gewinnt die Musik an Ausdruckskraft, zeigt ihre kompositorische Dichte und Finesse. Es ist faszinierend, was Herrmann der einfachen Tonfolge, welche als Basismotiv des gesamten Scores fungiert, dank vielfältiger Variation und ausgefeilter Instrumentierung abzugewinnen vermag. Kontrast zur feinmotivischen Arbeit und zum typischen minimalistischen Ansatz bieten einige Exotismen für die Schauplätze der Handlung (Ankara und Südamerika) sowie das sehr lyrische, breite Liebes-Thema.

Die Marco-Polo-Edition präsentiert mit rund 30 Minuten die vollständige Musik, die Herrmann für 5 Fingers komponierte. Eine halbe Stunde Musik, die beim mehrfachen Hören zunehmend gewinnt und stark beeindruckt. Dies macht die erstmals abseits vom Film mögliche Begegnung mit dieser anfänglich etwas sperrigen Musik so erfreulich und stellt die nicht kommerziell bestimmte Vorgehensweise des superben Produktionsteams ein weiteres Mal unter Beweis. Eine hochwillkommene, mutige Veröffentlichung.

Die liebevolle und informative Ausstattung der Edition ist ja inzwischen edler Marco-Polo- und Morgan-Stromberg-Standard. Ganz besonders herausragend gearbeitet hat hier die Aufnahmetechnik. Insgesamt ist dieses neue Herrmann-Album zwar nicht ein Muss für die allerersten Shoppings in Sachen CDs für Herrmann-Einsteiger, aber doch für den, der in Sachen Herrmann nicht an der Oberfläche bleiben möchte.

Komponist:
Herrmann, Bernard

Erschienen:
2001
Gesamtspielzeit:
66:27| Minuten
Sampler:
Marco Polo
Kennung:
8.225168

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