Die Dornenvögel
Vielen ist sie noch gut in Erinnerung und wohl kaum jemand dürfte nicht zumindest von der 9-stündigen Mini-Serie Dornenvögel, einem der größten TV-Erfolge der 80er, gehört haben. Die zum ersten Mal 1983 ausgestrahlte, vierteilige Produktion fesselte damals und später ebenso in diversen Wiederholungen Millionen von Fernsehzuschauern. Handelt es sich hier doch nicht einfach um eine übliche Herz-Schmerzgeschichte, sondern um eine der besonderen Art. Der irische Geistliche Pater Ralph de Bricassart (Richard Chamberlain) bleibt ein Leben lang zwischen der Liebe zur jüngeren Meggie Carson (Rachel Ward) und seiner Karriere innerhalb des Klerus hin- und hergerissen. Neben der unerfüllten Affäre spiegeln sich aber auch die Zeitläufe zwischen 1920 und Anfang der 1960er wider.
Und neben dem durch Dornenvögel sehr beliebt gewordenen Richard Chamberlain (siehe auch Joy in the Morning) sind weitere Kinostars mit von der Partie: Jean Simmons, Christopher Plummer und Barbara Stanwyck, die vielen TV-Sehern auch als resolute Rancherin aus der TV-Westernserie Big Valley in Erinnerung sein dürfte.
Die romantische Filmmusik von Henry Mancini (1924-1994) ist jetzt, anlässlich des 10. Todestages Mancinis, erstmalig in einer Langfassung auf Tonträger erhältlich. Das nicht überteuerte Varèse-Doppel-CD-Album präsentiert rund zwei Stunden Musik in technisch sehr überzeugender Qualität. Mancinis Komposition basiert auf zwei sehr melodischen Hauptthemen mit Ohrwurmcharakter und außerdem einigen ebenfalls ansprechenden kleineren thematischen wie auch motivischen Gedanken. Neben manch hübscher Variation schimmert immer wieder auch ein wenig irisches Flair hindurch. In „Arrival at the Vatican“ bekommt die Musik kurzzeitig gar einen leichten Concerto-Grosso-Touch. Der Komponist verarbeitet sein eingängiges musikalisches Material light- und auch popsinfonisch. Natürlich sind die in der Musik unüberhörbaren Popeinflüsse und ebenso die gelegentlichen Keyboardeinwürfe zeitgebundene Attribute der frühen 80er, wobei besonders die Synthetik heutzutage recht altmodisch wirkt. Mitunter ist das Gebotene nicht mehr als recht nette aber schlichte Hintergrundmusik. Insofern hängt die Musik in einer Reihe von Tracks schon etwas durch. Für viele Käufer dürfte daher eine durch Programmieren auf etwa 70 bis 90 Minuten komprimierte und somit entschlackte individuelle Fassung auf längere Sicht wohl am besten funktionieren.
Unterm Strich ist diese Filmmusik solide gemacht, zugleich (meist) sehr unterhaltsam, mitunter auch mal richtig schön und klanglich gibt es ebenfalls nichts zu bemängeln. Umso ärgerlicher ist daher ein unerklärlicher Fehler in der Abmischung des ersten Tracks: Hier hat man offenbar die melodieführende irische Flöte (Tin-Whistle) schlichtweg vergessen! An dieser Stelle kann man die Adjektive ärgerlich und peinlich auch bei größtem Wohlwollen nicht vermeiden. (Allein mit Rücksicht auf Henry Mancinis schöne Musik gibts dafür bei der Albumwertung keinen Abschlag.) Wertungsmäßig schwankt das zu Hörende zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Sternen. Aus Sympathie für die grundsätzlich sehr willkommene Edition halte ich die Obergrenze von dreieinhalb Sternen im Sinne einer Albumwertung für noch vertretbar.
Etwas dürftig geraten sind allerdings auch die Booklet-Texte von Robert Townson und Jerry McCulley. Zwar sind einige nette Hintergrundinfos zur Entstehung der Mini-TV-Serie vertreten, zu Henry Mancini gibts aber leider nur eher allgemeine Informationen. Eine etwas eingehendere Auseinandersetzung mit der Musik (wie bei FSM, SAE und BYU Usus!) fehlt leider komplett. Dass auch der Name der Interpretin der Songversion (Abschlusstrack auf CD 2) schlichtweg fehlt, sei nur angemerkt. Zwar muss man hier den günstigen Preis (zwei CDs für den Preis von einer) entlastend anführen, aber alles in allem liefern Varèse-Produkte im Segment Spezialitäten leider eher selten eine überzeugende Performance. In der Regel werden die sehr hohen Standards auf vergleichbare Spezialitäten abonnierter anderer Labels meist allzu deutlich unterschritten.