The Blue Bird
20th Century Fox produzierte die symbolische Geschichte Maurice Maeterlincks im Kielwasser von MGMs Erfolgsfilm The Wizard of Oz (1939) – das Pendant zu MGMs Judy Garland verkörpert hier Shirley Temple. Die damit verbundenen Hoffnungen vermochte The Blue Bird (1940) allerdings nicht zu erfüllen. Offenbar erschien die Story um den besagten blauen Vogel – der als Sinnbild für das große Geheimnis der Dinge und des Glücks steht – dem damaligen Publikum als zu fantastisch und abstrakt. Den Weg in die deutschen Kinos hat der Film offenbar nicht gefunden und auch im Fernsehen scheint er hierzulande (wie überhaupt verschiedene Shirley-Temple-Produktionen) bislang ebenfalls noch nicht gezeigt worden zu sein.
Das wiederum überwiegend von Jon Burlingame mit kompetenten Texten versehene umfangreiche Booklet ist ebenso liebevoll mit zahlreichen schwarzweißen und farbigen Bildern versehen. Das grafisch besonders reizvoll gestaltete Schmuckstück wartet mit lesenswerten Infos zur recht verfahrenen Entstehungsgeschichte des Films auf und präsentiert die nacherzählte Handlung chronologisch zur Musik. Auch hier wären etwas detailliertere Anmerkungen zur Musik ein weiterer Pluspunkt gewesen. Gerade die präsentierten Farbbilder machen doch etwas neugierig, den anscheinend etwas skurrilen Film einmal zu begutachten, denn offenbar hat man der Produktion gerade in der farbtechnischen Gestaltung besondere Sorgfalt angedeihen lassen.
Die mit knapp über 79 Minuten beinahe randvolle CD enthält den fast vollständigen Score, der von klangtechnisch erstaunlich guten Lichtonmastern in klarem Mono transferiert worden ist. Sehr geringe Verzerrungsneigung geht einher mit beträchtlicher Frische und verhältnismäßig großer Transparenz des Klanges.
Für Big Al, der zu dieser Zeit gerade seinen Kontrakt als Generalmusikdirektor bei Fox unterzeichnet hatte, wurde der Score eine recht stressige, innerhalb von nur 10 Tagen zu erledigende Fleißarbeit. Mit der Konsequenz, dass Newman zwar wohl sämtliche Themen komponiert hat, aber größere Teile der Musik von seinen Kollegen ausführen und auch orchestrieren ließ. Unter diesen waren, neben anderen, David Raksin, Herbert Spencer, Conrad Salinger und neben Leo Arnaud natürlich Edward Powell. Musikalisch ist The Blue Bird vergleichbar mit der MGM-Konkurrenz (The Wizard of Oz) eher leichtgewichtig und musicalnah, drei Songs inklusive, angelegt. Auch hier begegnen dem Hörer neben dem besonders einprägsamen liedhaften Hauptthema eine ganze Reihe von Nebenthemen und Motiven, die zur – oftmals mickey-mousinghaften – Charakterisierung von Figuren und Handlungssituationen dienen. So eine stark impressionistisch gefärbte Klangfigur, die überzeugend einen flatternden, zwitschernden Vogel suggeriert. Mitunter geht’s dabei auch mal ganz schön ausgelassen zu, wobei neben Rummelplatz-Flair selbst ein quasi-bajuwarischer Jodler nicht fehlt.
Gegenüber den meisten späteren Arbeiten des Maestros erscheint das thematisch-motivische Material aber nur in leichten Varianten, wird überwiegend eher zitathaft und praktisch ohne Kontrapunkt verwendet. Das an ein Wiegenlied erinnernde, schöne Hauptthema hält den Score ansprechend zusammen. Es erscheint immer wieder in kaum veränderter Form, meist walzerhaft, in mehr oder weniger stark verändertem Klanggewand. Alles in allem ist es hier primär die verhältnismäßige Fülle sehr nett konzipierter musikalischen Gedanken, die der Musik eine gewisse Vielfalt und damit Reiz verschafft, kaum eine besonders ausgefeilte Verarbeitung. Und in „FatherTime/The Children Are Born“ erscheint das so genannte „America-Theme“. Diese markante, heroische Melodie entlehnte er aus seiner Partitur zu Young Mr. Lincoln (1939), um augenzwinkernd zu zeigen, dass es sich bei einem der besagten Kinder um Besagten handelt. Diesem Thema begegnet man übrigens zusammen mit einem weiteren thematischen Gedanken aus o. g. Track in A Man Called Peter (1955) wieder.
Innerhalb seiner Grenzen handelt es sich damit zweifellos um eine sehr charmante und im langen Albumschnitt überaus unterhaltsame, vielfach tänzerisch anmutende Newman-Musik; die sich etwas wie eine witzige Kreuzung aus The Wizard of Oz und dem „Nussknacker-Ballett“ ausnimmt. Eine Komposition, die wertungsmäßig etwa zwischen drei und maximal vier Sternen angesiedelt werden kann. Zusammen mit dem vorzüglichen Begleitheft und auch in Anbetracht der Rarität des Gebotenen, habe ich mich – im Sinne einer Albumwertung – für die Spitze des Machbaren und damit für vier Sterne entschieden.
Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2004.