This Island Earth

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
14. Juni 2006
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

MMM-Records strikes again!

Bereits im Jahr 2000 sind insgesamt drei Titel des Privat-Labels MMM (steht für Monstrous Movie Music) mit Science-Fiction-Filmmusiken der 40er und 50er Jahre auf Cinemusic.de vorgestellt worden. (Den entsprechenden Artikel finden Sie hier.) Um die bereits damals angekündigte Fortführung der Reihe ist es allerdings unerwartet lange Zeit still geblieben. Wie die Produktionsangaben der beiden jetzt erhältlichen Alben zeigen, waren die Einspielungen bereits seit Ende April 1998 im Kasten.

1795Allein David Schecter und seine Frau Kathleen Mayne stehen hinter MMM-Recordings und eben nicht eine finanzkräftige Organisation im Tonträgergeschäft. Auf persönliche Anfrage gewährte David Schecter einige Einblicke in die äußerst mühevolle und zeitraubende Detailarbeit, die diesen Veröffentlichungen vorausgegangen ist. Nicht ausschließlich die Rekonstruktion der Orchestermaterialien ist dabei entscheidend, vielmehr ist diese Jagd nach verlorenen Schätzen der B- und C-Filmmusik ein Job, bei dem man sich immer wieder auf unliebsame Überraschungen gefasst machen muss. Letzteres betrifft besonders das Abklären der Rechte mit dem jeweiligen Inhaber. Erschwerend wirkt sich dabei die Tatsache aus, dass in den Nachfolgern der ehemaligen Studios diejenigen im Aussterben begriffen sind, die abseits eines max. Profitinteresses so etwas wie Liebe für ihre alten Archivschätze besitzen. Derartige Projekte bedürfen der wohlwollenden Unterstützung von Seiten involvierter Dritter, sonst sind sie kaum finanzierbar.

Wie Schecter berichtete, tut man gut daran, sämtliche rechtliche Fragen einer Veröffentlichung zuvor minutiös abzuklären, hier nichts dem Zufall zu überlassen. Ansonsten laufe man Gefahr zur Beute für gierige Anwälte zu werden. Es gibt offenbar immer wieder Firmen, die grundsätzlich behaupten, an allem, was einen Film betrifft die Rechte zu besitzen, was sich anschließend als falsch herausstellt. Er schilderte dazu den besonders kuriosen Fall einer Firma, die anscheinend über rund 50 Jahre bei ASCAP als Rechteinhaber einer zur Veröffentlichung vorgesehenen Musik galt, es jedoch nicht war. Dafür wusste das nach mühevoller Recherche letztlich ermittelte Unternehmen wiederum nichts von seinem Glück, musste vielmehr ähnlich zeitaufwändig davon überzeugt werden, der richtige Ansprechpartner zu sein. Zwar gestaltet sich die Situation sicher nicht in jedem Einzelfall derart kompliziert, aber es gibt noch weitere Hemmnisse.

Der generell erhebliche (natürlich auch finanzielle) Aufwand bei der Vorbereitung einer Produktion und die schwierige Vermarktung des Endprodukts, werfen die Frage auf, ob man hier überhaupt eine reelle Chance hat, mehr als die Kosten wieder hereinzubekommen. David Schecter bejaht dies, wenn auch mit der Einschränkung, dass ein Ja als Antwort davon abhängt, wie man an dieser Stelle rechnet. Unterm Strich sei es mit etwas Glück schon möglich, einen Gewinn zu erwirtschaften, allerdings nicht, wenn man die persönlich aufgewendete Zeit in Form eines angemessenen Stundenlohnes ansetzt. Darin bestätigt sich das unterschwellig bereits Vermutete: Mit derartigen Liebhaberproduktionen in kleiner Auflage ist unter üblichen Bedingungen kein Reichtum zu erwerben. Da steckt (ähnlich wie bei FSM, SAE und Intrada) viel persönliche Liebe zum Metier und Engagement aus Freude an der Sache dahinter. Umso mehr Beachtung verdienen diese eindeutig mit einem Höchstmaß an Sorgfalt produzierten Einspielungen der Musiken zusammen mit den vortrefflich informativen Begleitheften. Möge daher dieser Artikel (zumindest ein wenig) Anteil daran haben, dass auch hierzulande vielleicht ein paar mehr dieser vorzüglichen Alben an den Mann (und/oder natürlich auch an die Frau) gebracht werden können.

1796Nach diesem Appell natürlich ein Blick auf das auch bei den aktuellen Alben 4 und 5 in vergleichbar exquisiter Qualität und Aufmachung Gebotene. Roy Webbs Mighty Joe Young • Panik um King Kong (1949) ist sowohl der titelgebende Score als zugleich auch die echte Perle des betreffenden Albums. In diesem nach King Kong (1933) und dem hierzulande bislang nicht gezeigten Son of Kong (1934) — Filmmusik in beiden Fällen von Max Steiner — bereits dritten Film um den wohl legendärsten Affen der Kinogeschichte, geht es eher sanft und kindgerecht zu. King Kong wird hier sogar zum Retter der Bewohner eines brennenden Kinderheimes. Heutzutage besitzt der Streifen überwiegend nostalgisches Interesse, ausgelöst durch die Stop-Motion-Sequenzen Ray Harryhausens. Roy Webbs Filmmusik ist auf dem Album in Form einer geschickt kompilierten repräsentativen Suite von rund 36 Minuten vertreten. Als Leitmotiv für King Kong verwendet der Komponist den berühmten Stephen Foster Song „Beautiful Dreamer“, der auch manchem jüngeren Filmmusikfreund aus Danny Elfmans Musik zu Batman geläufig sein dürfte. Hier gibt’s eine sehr unterhaltsame, dabei echt knuffig wirkende Filmmusik zu hören, die stilistisch partiell merklich bei den Musiken Steiners zu den beiden Vorläuferfilmen anknüpft. Roy Webb zählt wie Max Steiner zu den Veteranen des Golden Age. Diskografisch zählt sein Werk derzeit noch zu den überwiegend weißen Flecken auf der filmmusikalischen Landkarte. Insofern ist diese Erweiterung des Webb-Repertoires von besonders hohem Wert und überhaupt eine willkommene Ergänzung zum edlen Marco-Polo-Webb-Album aus der Morgan/Stromberg-Küche „Music for the Films of Val Lewton“.

Auch 20 Million Miles to Earth • Die Bestie aus dem Weltraum (1957) besitzt heutzutage primär durch die Special Effects von Ray Harryhausen noch ein gewisses nostalgisches und filmhistorisches Interesse. Umso bemerkenswerter ist die hier eingespielte, neben Originalkompositionen aus Library-Cues adaptierte und montierte Filmmusik. „Mischa Baklaleinikoff and the Columbia Pictures’ music library“ vermerkt dazu das Begleitheft und nennt als Urheber der einzelnen Cues insgesamt 18 Komponisten mit Namen wie George Duning, Frederick Hollander, Daniele Amfitheatrof, Werner Heymann, David Raksin und sogar Max Steiner. Dieses eklatant an die in der Stummfilmära übliche Vertonungspraxis erinnernde Verfahren, wird im Begleitheft detailliert erläutert — wobei jedes eingespielte Stück und sein Ursprung eingehend beleuchtet wird.

1797Im Rahmen des Adaptionsprozesses wurden die einzelnen Archiv-Stücke in der Regel in entsprechend angepasster Form neu eingespielt. Dazu finden sich im Heft diverse Abbildungen von Partiturseiten, auf denen Teile überklebt sind und zur jeweiligen Anwendung passende Modifikationen (auch das Einfügen eines eigenen neuen Themas) mit Rotstift eingetragen sind. Dabei war es auch durchaus üblich, dasselbe Stück nur leicht verändert mehrfach zu benutzen. Das bereits im Artikel aus dem Jahr 2000 zu den vorzüglichen Begleitheften Angemerkte, darf hier nochmals hervorgehoben werden. Neben liebevoller Ausstattung warten diese mit sorgfältig abgefassten Textbeiträgen auf, deren Informationsdichte schon die Bezeichnung „wissenschaftlich akribisch“ verdient. Dabei gibt es im gekonnt humoristisch gehaltenen Tonfall — „Liner Notes and bad Jokes by David Schecter“ sagt wohl genug — so manch Lustiges zu lesen, wie der sich hinter dem Begriff „fake sessions“ verbergende drollige Sachverhalt: nämlich hastig runtergespielte Library-Cues, die aufgrund einer Vereinbarung mit den Gewerkschaften so häufig (ein-)gespielt werden mussten, wie sie im Film zum Einsatz kamen. Dass dabei nicht mitgeschnitten wurde, ist fast schon selbstverständlich, oder?

Im vorliegenden Fall von 20 Million Miles to Earth wirkt das zu hörende Resultat derartigen Stückwerks insgesamt überraschend geschlossenen, vermag auch ohne Film zu überzeugen. Hier zeigt sich eben erneut, dass auch im Bereich der B- und C-Movies, trotz der oftmals lächerlich geringen Budgets (nicht allein für die Musik), nicht zwangsläufig schludrig gearbeitet worden ist. Am Schluss der CD gibt es dazu noch ein interessantes Bonbon, nämlich das schwebend-entrückte „Heaven“ von Frederick Hollander in der Originalfassung, wie er es für den Film Here comes Mr. Jordan (1941) komponierte.

Zwei kurze Zugabestücke, typisch klingende Vertreter der Gattung „Monstrous Movies“, erfüllen beim zweiten Album spezielle Funktionen. Der „Main Title“ aus War of the Satellites • Planet der toten Seelen (1958, Regie: Roger Corman, Musik: Walter Greene) bildet eine mit rund eineinhalb Minuten knappe aber im B/C-Movie-Sinne durchaus „bombastisch“ klingende Ouvertüre. Wiederum ein mit knapp 50 Sekunden sogar überaus kurzer „Main Title“, nämlich der aus Earth vs. the Flying Saucers • Fliegende Untertassen greifen an (1956, Musik: Mischa Bakaleinikoff), bildet das Interludium zwischen den beiden Protagonisten des Albums: dem vollständigen Score zu This Island Earth • Metaluna 4 antwortet nicht (1955) sowie einer rund 20-minütigen Suite aus The Day of the Triffids • Blumen des Schreckens (1962, Musik: Ron Goodwin).

Bei besagten Triffids handelt es sich um mutierte, aus Profitsucht gezüchtete Pflanzen, aus denen sich wertvolles Öl gewinnen lässt. Infolge einer globalen Katastrophe, bei der die Masse der Menschen erblindet, werden besagte Triffids, eine intelligente, keineswegs harmlose Spezies, die sich fortbewegen kann und einen gefährlichen Giftstachel besitzt, zur tödlichen Bedrohung für die zerfallende menschliche Zivilisation. John Wyndhams (1903 – 1969) intelligentes Science-Fiction-Untergangsszenario erschien bereits 1951. Der Sci-Fi-Roman hat also schon einige Lenze auf dem Buckel, ist aber auch heute noch spannend zu lesen, da er zeitlose, tiefgreifende gesellschaftliche Themen geschickt verarbeitet. Die von Ron Goodwin vertonte 1962er Filmversion ist allerdings allein schwach, umso spannender ist dafür die mehrteilige Hörspielfassung des WDR aus dem Jahr 1968 geraten. Goodwins Musik zur 1962er Verfilmung ist eine nette Fundsache aus den frühen Jahren seiner Tätigkeit als Filmkomponist. Sein Ausflug ins Science-Fiction-Genre besitzt einige recht nett gestaltete atmosphärische Momente sowie ein Goodwin-typisch melodisch-eingängiges Love-Theme.

1798Universals Metaluna 4 antwortet nicht zählt zusammen mit MGMs Forbidden Planet • Alarm im Weltall — ebenfalls 1955 produziert — zu den aufwändigsten und renommiertesten Vertretern des Science-Fiction-Genres der 1950er. Beide Filme belegen allerdings nicht erst heute, rund fünfzig Jahre nach ihrer Entstehung, den bekannten Satz, dass kaum etwas derart schnell überholt, naiv und antiquiert wirkt, wie das betont futuristische Gedanken- und Ideengut vergangener Tage. Kurioserweise erscheint im Rollentitel des Films kein credit für den Komponisten der Filmmusik. Der Begleittext erklärt dies: Immer, wenn mehr als nur ein Komponist an einer Vertonung beteiligt war, entfiel der Composer credit, vielmehr wurde allein Joseph Gershenson (Chef des Music Deparments) als musikalischer Leiter (Dirigent) genannt.

Der im Horror- und Science-Fiction-Film-Genre erfahrene Herman Stein hat den Löwenanteil der Musik komponiert. Außerdem waren Hans Salter und Henry Mancini beteiligt. Erstmalig ist diese Filmmusik zum bei Sci-Fi-Fans populären Streifen nun komplett auf Tonträger zugänglich und dazu im Textheft detailliert (Track für Track) sorgfältig dokumentiert. Beiträgen Steins auf Samplern vermochte ich bislang nicht allzu viel abzugewinnen, seine Musik zu Metaluna 4 antwortet nicht macht hingegen ein wirklich gutes Bild. Die Komposition ist thematisch-motivisch gut organisiert und außerdem von vielen ungewöhnlich raffinierten, zum Teil elektronischen Klangeffekten durchsetzt, die auf der Filmtonspur kaum entsprechend zur Geltung gekommen sein dürften. Alles in allem handelt es sich hierbei kompositorisch um den wohl farbigsten und besten musikalischen Beitrag der beiden vorliegenden Alben, bei der wiederum auch das für die (nicht nur) Universal Horror- und Sci-Fi-Filme berühmte Novachord — ein Vorläufer der modernen Synthesizer — zeigen darf, wozu es in der Lage ist.

Wertungsmäßig sind Kompilationen immer schwierig zu erfassen. Das gilt natürlich für einzelne Stücke in besonderem Maße. Wie auch bei den an anderer Stelle vorgestellten ersten drei Alben der Reihe kommt hier allein eine „Albumwertung“ in Betracht. Kompositorisch dürfte das Maximum bei vier Sternen erreicht sein. Trotzdem halte ich in Anbetracht des außerordentlich hohen Repertoirewerts der erstklassigen Editionen einen großzügigen Zuschlag auf volle fünf Sterne ausnahmsweise für vertretbar.

Dass das zu Hörende durchgehend authentisch wirkt, somit originelle und zugleich interessante Höralben abgibt, hängt natürlich entscheidend mit den spieltechnisch tadellosen Einspielungen des Slowakischen Radio Sinfonie Orchesters Bratislava unter der Leitung von Masatoshi Mitsumoto zusammen. Die Einspielungen erfolgten angenähert an die meist recht kleinen originalen Orchesterbesetzungen (zwischen 35 und etwa 50 Spielern), wobei höchstens die Streicher leicht verstärkt wurden, um die mit moderner Aufnahmetechnik eingefangene Musik nicht dünn klingen zu lassen. Außerdem hat man sich für konsequentes „close-miking“ entschieden, also mit vielen, dicht an den Instrumenten platzierten Mikrofonen gearbeitet, um die Klangbalance (z. B. das Hervorheben einzelner Soli) bei der Abmischung besser beeinflussen zu können.

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zu Pfingsten 2006.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Originaltitel:
and other alien invasion films

Komponist:
Diverse

Erschienen:
2006
Gesamtspielzeit:
60:12 Minuten
Sampler:
MMM
Kennung:
1954

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