Planet Erde
Nach dem erfolgreichen Projekt The Blue Planet • Unser Blauer Planet (2001) hat Alastair Fothergill für die BBC eine weitere, vergleichbar episch angelegte Naturdoku produziert: Planet Earth • Planet Erde. Wie der Titel schon sagt, geht es dieses Mal um ein umfassendes, globales Porträt unseres Heimatplaneten. Bei klarer Strukturierung in bestimmte Themengebiete, wie Berg-, Wasser- und Höhlen- sowie Wüstenwelten, wird dabei das Interessanteste des jeweiligen Lebensraumes gezeigt. Dass ein derartig großer Rundumschlag in Sachen „globaler Perspektive“ nicht allzu detailverliebt sein kann, liegt in der Natur der Sache. Wer tiefere Einblicke z. B. in die Lebensgewohnheiten der gezeigten Spezies erwartet, der liegt hier falsch. Planet Erde geht es vielmehr darum, einen Gesamtüberblick zu geben und das Gezeigte in Form einer High-Tech-Wissenschaftsshow, möglichst auf atemberaubende und ungewöhnliche Art und Weise, zu präsentieren.
Neben modernster Kamera-HDTV-Technik spielen Satellitenaufnahmen eine gewichtige Rolle, eine Vorstellung von den zum Teil gewaltigen Ausmaßen bestimmter Gegebenheiten zu vermitteln, z. B. einen Eindruck vom längsten Fluss der Welt, dem Amazonas. Zusammen mit den spektakulären Weitwinkelaufnahmen verleiht dies dem Gezeigten einen faszinierend monumentalen und zugleich epischen Touch von dem, was Mutter Erde an Grandiosem zu bieten hat. Etwas, das in vergleichbar ambitionierten Naturfilmprojekten früherer Jahre, wie Serengeti darf nicht sterben (1959), noch schlichtweg undenkbar war.
Von den insgesamt elf Folgen der Serie sind die ersten fünf im September und Oktober 2006 in der ARD gezeigt worden. Entsprechend hat Polyband zur „ersten Staffel“ bereits im September ein Doppel-DVD-Set auf den Markt gebracht. Beim Bild und ebenso beim Ton gibt es nichts Entscheidendes zu bemängeln: Das mit HDTV-Technologie anstelle herkömmlichen Filmmaterials Erstellte zeigt durchweg sehr scharfe, rauscharme, oftmals brillante Bilder, die sowohl bei Kontrast, Detailliertheit als auch Farben überzeugen. Dabei zieht auch der Ton (in Deutsch und Englisch) mit. Zwar ist er „nur“ 4-kanalig (als Dolby-Stereo-2.0) vorhanden, zählt aber in seiner perfekten Mischung aus natürlichen Umgebungsgeräuschen und der Musik zum Besten, was derartige TV-Produktionen bislang aufgefahren haben.
Auf den ersten Blick etwas mager erscheint die Sektion Bonusmaterialien, die einzig mit einem rund 14-minütigen Segment „Interview mit Alastair Fothergill“ aufwartet. Besagtes Segment entspricht allerdings mehr einem ausführlichen Produktions-Trailer, wie man ihn bereits in den Goldenen Kinotagen kannte. Fothergill zeigt und erläutert die Machart einiger nur dank modernster Filmtechniken möglich gewordenen Höhepunkte der Serie. Neben Ultrahochgeschwindigkeitsfotografie erlaubte eine fernsteuerbare Heligimbal-Kamera den Einsatz extrem starker Teleobjektive aus der Luft, vom Hubschrauber. So wurden erstmalig Zooms möglich, wie man sie von Spionageflugzeugen und -satelliten im militärischen Bereich kennt.
Aufgrund des großen Abstands zum Objekt ist es damit erstmals möglich, das Verhalten von Tieren zu beobachten, ohne die jeweilige Spezies (durch ungewollte Störungen, wie Fluggeräusche etc.) zu beeinflussen. Derartiges Observieren erlaubte es z. B., den bislang nur ganz vereinzelt und aus großer Entfernung fotografisch fixierten Schneeleoparden fast hautnah, sogar bei der Jagd, zu beobachten. Ähnlich faszinierend sind die Bilder vom Angriff eines ausgehungerten Eisbären auf ausgewachsene Walrosse. Und die mit 40-facher Geschwindigkeit gedrehte Attacke eines weißen Hais auf eine Robbe lässt, wie nie zuvor gesehen, die Mischung aus enormer Kraft sowie raffinierter Technik dieses faszinierenden Räubers und Jägers der Ozeane erkennen. Der Beitrag funktioniert entsprechend vorzüglich als Produktwerbung wie auch als neugierig machender Einstieg zur Serie.
Dass die ARD darauf bestand, die jeweils 50-minütigen Original-Episoden in das hierzulande übliche Doku-Schema von einer Dreiviertelstunde zu pressen, ist unglücklich. Mit den so zwangsläufig erforderlichen Kürzungen geht im Internet einige Verwirrung in den Infos einher. Zur Original-Brutto-Lauflänge von 60 Minuten pro Folge entfallen nämlich jeweils zehn Minuten auf so genannte „Diaries“, die als eine Art (Mini-)Making-Of gedacht sind. Entsprechend sind die Schnitte bei der jeweiligen Episode relativ geringfügig, betragen jeweils nur etwa dreieinhalb Minuten (siehe dazu auch Pompeji — Der letzte Tag). Aus lizenzrechtlichen Gründen war Polyband gezwungen, die ARD-Fassungen 1:1 zu übernehmen. Auf Anfrage hat Polyband mitgeteilt, dass man in Verhandlungen mit der BBC stehe und die Chancen gut stünden, die zur ersten Staffel fehlenden Diaries zusammen mit denen zu den sechs Folgen der zweiten Sendestaffel 2007 nachreichen zu können.
Das Buch zur Serie ist beim Verlag Frederking & Thaler erschienen. Der auf edlem Kunstdruckpapier sorgfältig gestaltete Band fügt sich nahtlos in die Reihe vergleichbar vorzüglicher Publikationen zu Dokumentarserien ein. Das Gesehene zu reflektieren, indem man darüber noch einmal in Ruhe liest und auch stöbert, das sind die bewährten „klassischen“ Möglichkeiten eines guten Begleitbuches, die trotz DVD, Heimcomputer und Internet auch weiterhin unschlagbar bleiben.
Nach den CD-Alben zu The Blue Planet und Deep Blue ist zur neuen Naturdoku — dieses Mal bei EMI — sogar ein Doppelalbum mit recht üppiger Spielzeit erschienen. Was über die rund zweieinviertel Stunden Musik zu hören ist, ist in der Konzeption sehr ähnlich zu den beiden vorstehend genannten Musiken. Insofern sind weite Teile der Feststellungen von Marko Ikonic hier ebenso zutreffend.
Wie in The Blue Planet wird auch hier stärker motivisch als mit breiter angelegten Themen agiert. Eine weitere Parallele zeigt sich in den synthetischen Einschüben, die hier nicht ausschließlich zu Bildern aus der Tiefsee zum Einsatz kommen. Hier handelt es sich ebenfalls nicht um die stärksten Momente in der Musik, sondern eher um passable Routine. In Teilen des Folkloristischen erinnern der Duduk sowie einige der Vokalisen dieses Mal besonders deutlich an die Zimmer-Schmiede. Und in der Episode Shallow Seas sind auch an The Blue Planet erinnernde maritime Klänge vertreten. Beim enormen Musikbedarf, sämtliche Folgen sind praktisch durchgehend mit Musik versehen, ist das Vertonen einer derartigen Serie natürlich auch eine Fleißarbeit, die ohne partielle Schematisierungen und auch Wiederholungen kaum auskommt. Von einem schlichten Déjà-vu kann aber unterm Strich nicht die Rede sein. Vielmehr entsteht beim Albumschnitt, montiert aus musikalischen Highlights der insgesamt elf Folgen, insgesamt ein sehr positives Gesamtbild. Zwar wird kein unmittelbar zum Mitsummen einladender musikalischer Gedanke ohrenfällig und verschiedene der synthetischen Passagen sind eher entbehrlich, aber das ist letztlich auch Geschmackssache.
Nach den rund 134 Albumminuten resultiert der Eindruck eines alles in allem recht abwechslungsreichen musikalischen Flusses, der neben manch wirkungsvoll majestätisch klingender Passage zwischendrin ebenso mit mancherlei intimer gestalteten Momenten überzeugt. So in den gelungen auskomponierten, mitunter quasi konzertierend wirkenden Soli-Passagen von Trompete, Violine und Klavier. Damit ist das EMI-Doppel-CD-Album zu Planet Erde vielleicht nicht gerade das ultimative musikalische Porträt unseres Planeten, ein sehr respektables Höralbum ist es zweifellos. Daran haben sowohl das akkurate Spiel des BBC-Concert-Orchestras unter der Leitung des Komponisten als auch eine exzellente Tontechnik ihren Anteil.
Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2006.
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