Der 1970 geborene Neil Marshall zählt mittlerweile nicht mehr zu den Newcomer-Regisseuren des britischen Kinos. Mit dem Werwolf-Schocker Dog Soldiers (2002) lieferte er sein abendfüllendes Kinodebüt und landete mit einem weiteren Horrorfilm, The Descent (2005), bei Genrefans einen beachtlichen Erfolg. Sein Science-Fiction-Action-Thriller Doomsday (2008) blieb allerdings deutlich dahinter zurück und bleibt umstritten. Mit seinem neuesten Film Centurion löst sich Marshall vom Horrorgenre und produziert einen Actionfilm im historischen Gewand. Freilich erweist er sich auch hier erneut als ein Meister des umherspritzenden wie geronnenen Blutes. Die Handlung interpretiert fiktiv das von Mythen umrankte Schicksal der lange Zeit als verschollen geltenden IX. römischen Legion. Der Film entführt den Zuschauer ins Jahr 117 nach Christus, in eine Zeit, als das römische Imperium seine größte Ausdehnung besaß, an die im unwirtlichen Norden Britanniens gelegene, heftig umkämpfte Nordgrenze des Imperiums.
Centurio Quintus Dias (Michael Fassbender), Zentralfigur des Plots, fungiert zugleich als Off-Erzähler. Bei einem Überfall der Pikten auf einen befestigten Außenposten überlebt er als Einziger und gerät in Gefangenschaft. Es gelingt ihm die Flucht. Gerade als seine Verfolger ihn eingeholt haben, wird er von einer Vorausabteilung der auf dem Marsch befindlichen IX. Legion befreit und gerät anschließend in ein noch größeres militärisches Desaster. Die Legion wird in den Wäldern in schwere Kämpfe verwickelt und, ähnlich der Niederlage des Varus im Teutoburger Wald im Jahre 9 n. Chr., völlig aufgerieben. Hier wird das freilich Gladiator-typisch modern und durch den Einsatz von Feuerbällen übertrieben „hitzig“ inszeniert. Nur Quintus Dias und ein Häuflein Soldaten überleben. Sie versuchen zuerst, ihren Kommandeur aus den Händen des Gegners zu befreien und anschließend, sich zu den eigenen Linien im Süden durchzuschlagen.
Dabei passieren x-fach geläufige Situationen des Abenteuerunterhaltungskinos von gestern bis heute Revue, vom Western bis zum (Bond-)Thriller. Da gibt’s z. B. eine recht gut gemachte Actionsequenz gegen Ende des Films, wo sich die letzten Überlebenden des römischen Häufleins in einem verlassenen römischen Stützpunkt verschanzen und gegen ihre Verfolger verteidigen, ähnlich wie man es aus einigen Western der 40er und 50er Jahre gut kennt. Nach einer gut getricksten, aber in Wirklichkeit (man sieht es deutlicher in den Boni) gar nicht so großen Schlacht im Wald ist das, was folgt, eine zwar übliche, allerdings durchaus respektabel inszenierte Verfolgungsjagd, bei der nicht ganz „10 kleine Römerlein“ durch sehr urwüchsig erscheinendes Gelände gehetzt werden. Ihre Gegenspielerin ist die geradezu als Leinwanddämon inszenierte Etain (Olga Kurylenko), eine rachsüchtige Amazone, die, erfahren in der Menschenjagd, alles, was sich ihr in den Weg stellt, ohne ein Quantum Trost zu gewähren, zur Strecke bringt.
Sicher ist im Handlungsablauf manches ziemlich vorhersehbar, und anstelle eingehender Charakterstudien werden eher einige Stereotype bedient. Doch abgesehen von einigen Flapsigkeiten in punkto mitunter sarkastischen Landsknechtshumors ist das Handlungskonstrukt zumindest passabel. So sind die barbarischen wilden Pikten nicht einfach nur Wilde und die fanatische Rachsucht der wie besessen agierenden Etain hat ihre Gründe in einer tragischen Vorgeschichte. Und ebenso findet sich auch in der Gruppe der Versprengten ein sadistischer Bösewicht. Dieser ist nicht nur für den völlig unnötigen Tod des kleinen Sohnes des Piktenführers verantwortlich, was natürlich deren Rachsucht erheblich steigert, er geht auch über die Leichen seiner eigenen Kameraden. Und die zwischendurch von Centurio Quintus Dias abgegebenen, mitunter leicht philosophierenden Statements zur Situation der auf der Flucht befindlichen Gruppe sowie der Römer im Allgemeinen sind ebenfalls nicht dümmlich. Das reicht nun alles gewiss nicht aus für eine Bewertung in oberen Kategorien, aber um ein Produkt aus der Trashküche handelt es sich gewiss nicht. Immerhin wartet das actionbestimmte Spektakel mit solider Unterhaltungskost auf. Zu dem, was man Centurion besonders vorwerfen kann, gehören die äußerst heftig gestalteten Kampfszenen, bei denen mitunter zuviel Kunst- und CGI-Blut umherspritzt und auch so mancher Kopf nicht auf dem Rumpf verbleibt. Dank Staccato-Schnittfolgen geht das alles freilich immer sehr schnell vonstatten, so dass man zumindest nicht von Schwelgen in grausamen Details sprechen kann. Auf die Negativliste gehört auch die im Autopilotmodus erstellte musikalische Untermalung, die über arg schlichtes Zimmermannsplagiat nicht hinaus gelangt.
Dafür sticht etwas anderes positiv hervor: Diejenigen, die für die Ausstattung zuständig gewesen sind, haben sich nicht nur gut historisch beraten lassen, sie haben die Ratschläge erfreulicherweise auch weitgehend beherzigt. Was man hier an Ausrüstung der Legionäre und einzelnen Festungsbauten gezeigt bekommt, das ist von einer Qualität, die auch bei teureren Hollywoodschinken keineswegs selbstverständlich ist. Da kann man über einzelne Unstimmigkeiten dezent hinwegsehen, wie das völlig untypisch in einem Wald, noch dazu unbefestigt errichtete Nachtlager der auf dem Vormarsch befindlichen Legion, oder dass die Legionäre mit Langspeeren anstelle des Pilums kämpfen, dass der als Statthalter von Britannien eingeführte, Gnaeus Iulius Agricola, zur Zeit der Filmhandlung bereits seit über 20 Jahren tot war und ebenso, dass historische Quellen die Pikten als Bedrohung der Römer erstmalig im Jahr 297 überhaupt erwähnen. Auch die Pikten hinterlassen im Auftreten einen weitgehend überzeugenden Eindruck, und die dazu gewählten, zum Teil in ihrer Rauheit imposanten Landschaftspanoramen der schottischen Highlands runden die weitgehend stimmige Atmosphäre passend ab.
Centurion ist keine Großproduktion, sondern klar ein B-Movie. Entsprechend fehlen zwangsläufig ausgefeilte historische Stadtansichten, wie z. B. in Alexander, und die Masse der in einer frühen Szene auf dem Marsch zu sehenden IX. Legion ist natürlich nur getrickst. Aber von den Grenzen des Budgets wird nicht nur in der vorstehend genannten Szene durch Einsatz von Computertechnik recht geschickt abgelenkt. So sehen das Heerlager der IX. Legion wie auch das Dorf der Pikten sehr ansprechend aus, und das gilt auch für den sichtlich im Bau befindlichen (tatsächlich erst später, ab 122 erbauten) Hadrianswall im Finale.
Das Bild im korrekten Scope-Format erscheint bereits von DVD sehr knackig und von Blu-ray selbstverständlich noch ein entscheidendes Quäntchen knackiger. Es überzeugt auch durch seine dank eingesetztem Blau/Grau-Filter fast durchweg sehr kühlen Farben, die zum Filmdrama in rauer Landschaft für einen insgesamt stimmigen Look sorgen. Austattungsmäßig wartet die Blu-ray nicht mit zusätzlichen Kaufargumenten auf, beide Editionen sind also inhaltlich identisch. Was an Boni enthalten ist, stimmt bis auf den hier fehlenden Audio-Kommentar mit den britischen Ausgaben überein. Aufgewartet wird mit einem insgesamt ordentlichen Blick hinter die Kulissen der Dreharbeiten. Heimkinofans mit Topausstattung dürfte es zudem freuen: Der Ton steht nämlich von Blu-ray sowohl in Deutsch als auch in Englisch in DTS HD High Resolution 5.1 zur Verfügung.
Fazit: Regisseur Neil Marshalls Centurion ist gewiss keine große Entdeckung, aber durchaus unterhaltsam anzuschauen. Das in Teilen arg blutig gestaltete Sandalenepos verpackt seine Schwächen recht geschickt, indem es die im Zentrum der Handlung stehende Menschenjagd sehr temporeich und optisch stimmungsvoll inszeniert. Dabei überrascht der Film sogar mit einer in vielem ungewöhnlich sorgfältigen historischen Ausstattung. In vielem erinnert das Spektakel (sicher beabsichtigt) an King Arthur. Abgesehen von seinem insgesamt natürlich unübersehbar schmaleren Budget ist er seinem protzigeren Vorbild handlungsmäßig jedoch zumindest ein Stückchen überlegen und erhält deswegen auch die kleine Empfehlung.
Centurion ist ob seiner arg heftigen Gewaltmomente nichts für zart besaitete Gemüter (der FSK-18-Vermerk trifft zu), bietet aber ansonsten eine ordentlich gemachte Action-Unterhaltung ohne zusätzlichen Anspruch. Bild und Ton sind bereits von DVD sehr gut, und von Blu-ray reicht insbesondere der Bildeindruck recht dicht an die Referenzklasse heran.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2010.
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