Operation Walküre

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
10. Februar 2009
Abgelegt unter:
CD

Score

(4/6)

Operation Walküre: Kommentar zu Film und Filmmusik

Bislang war das Stauffenberg-Attentat auf Adolf Hitler, am 20. Juli 1944, ein Thema, das — abseits von TV-Produktionen — ausschließlich hierzulande Regisseure zur Umsetzung für die große Leinwand gereizt hat: Es geschah am 20. Juli (1955, Regie: G. W. Pabst; alternativer Titel Aufstand gegen Hitler) und im selben Jahr, ja sogar nur 48 Stunden nach dem vorstehend Genannten gestartet: Der 20. Juli (1955, Regie: Falk Harnack). Mit Regisseur Bryan Singers Valkyrie • Operation Walküre wird dem deutschen Widerstand jetzt erstmalig aus der Sicht eines ausländischen Teams im Rahmen eines Kinofilms ein Denkmal gesetzt.

Nachdem es lange im Vorfeld des mehrfach verschobenen Kinostarts viel Negatives, oftmals reine Polemik, zu lesen gab, wurde der Tonfall in den Tagen vor dem deutschen Kinostart nicht nur zunehmend sachlicher, sondern interessanterweise das zu Hörende auch sukzessive positiver. Tom Cruise, Darsteller der Zentralfigur Claus Schenk Graf von Stauffenberg, ist zugleich Produzent des Films, aber auch führendes Mitglied bei Scientology. Letzteres liefert zwangsläufig genügend Angriffsfläche. Davon einmal abgesehen kommt er dem echten Stauffenberg nicht nur visuell erstaunlich nahe, er schlägt sich auch als dessen Darsteller beachtlich, liefert in weiten Teilen ein durchaus glaubhaftes, eindringliches Porträt der Figur. Flankiert wird Cruise dabei von einer sehr guten Schauspielergarde mit Darstellern wie Kenneth Branagh, Bill Nighy, Thomas Kretschmann, Terence Stamp und Christian Berkel. Mit von der Partie ist übrigens auch Stauffenberg-Enkel Philipp von Schulthess, der hier sein Kinodebüt gibt.

Ein paar Dinge kann man gegen Singers Film ins Feld führen. Ganz besonders, dass der zweifellos tapfere Stauffenberg vorgeschichts- und damit vorbehaltlos — wenn auch recht unpathetisch — zum Helden gemacht wird. Die Filmhandlung beginnt am 7. April 1943, wo Stauffenberg, damals bereits Teil der Anti-Hitler-Koalition, im Rahmen einer desaströs endenden Rückzugsoperation des schwer angeschlagenen Afrika-Korps’ in der tunesischen Wüste schwer verwundet wurde. Komplett ausgeblendet bleibt damit sein problematischer Werdegang, welcher den späterhin in vielem Geläuterten als Hitler-Befürworter und Nutznießer des braunen Regimes zeigen müsste. Neben der elitären Herkunft als Spross des preußischen Adels stand er als Jünger des Dichters Stefan George rassistischer Herrenmenschenideologie nahe. Aber auch Stauffenbergs sämtliche, ideologisch sehr verschiedene Mitverschwörer taugen nicht wirklich zur Verklärung. Alle hatten sich über die Jahre mehr oder weniger mitschuldig gemacht. Wobei sich unter ihnen auch eindeutige Täter befanden, solche, die zwischenzeitlich kalte Füße bekommen hatten, als sie die Augen vor der sich abzeichnenden Niederlage nicht mehr verschließen konnten, wie der für die miserable Behandlung und damit den massenhaften Tod sowjetischer Kriegsgefangener verantwortliche Generalquartiermeister Eduard Wagner. Das Stauffenberg-Attentat und Walküre bleiben eine mutige Tat, es war aber weder eine Stunde der Makellosen noch eine der Demokraten.

Immerhin war die Aktion vom 20. Juli 1944 die größte, die jemals gegen den Diktator stattgefunden hat. Die Ermordung Hitlers sollte der Auftakt eines groß angelegten Umsturzes, zum Auslöser von „Operation Walküre“ werden. „Walküre“ bezeichnet dabei eine „Geheime Kommandosache“ der Nazis, dafür gedacht, Aufstände und Unruhen im Innern mit Hilfe des Ersatzheeres niederzuwerfen. Diesen Plan hatte man zuvor ebenso heimlich und geschickt zur Dienstanweisung für einen Staatsstreich umfunktioniert.

Was auf die Nachricht vom Anschlag auf den Führer in der Wolfsschanze am Mittag des 20. Juli 1944 folgte, war in vielem zu unentschlossen und halbherzig, teilweise wirkt es gar dilettantisch — zum einen, weil sich unter den Verschwörern zu wenige Fachleute befanden, und zum anderen, weil ihre Zahl letztlich doch zu klein war. Auch war der modifizierte Walküreplan entscheidend auf den Tod Hitlers abgestimmt. Als die Walkürebefehle endlich den Bendlerblock verließen war es schon (zu) spät (s. u.). Sie kollidierten in zunehmendem Maße mit den widersprechenden Meldungen aus der Wolfschanze. Mit entscheidend waren aber auch die weniger geläufigen Vorfälle eine knappe Woche zuvor, am 15. Juli 1944: Auch da war nämlich Stauffenberg bereits mit der Bombe in der Wolfsschanze gewesen, aber das Attentat konnte nicht stattfinden. Stauffenberg gelang es nur knapp, seine Mitverschwörer telefonisch darüber in Kenntnis zu setzen. Diese konnten mit äußersten Mühen den bereits angelaufenen Walküre-Alarm stoppen und als Übung vertuschen.

Das ist übrigens etwas, was in den verschiedenen Dokumentationen und Dokumentarspielen entweder gar nicht, nur unvollständig und/oder derart am Rande platziert wird, dass es kaum seiner Bedeutung entsprechend vom Zuschauer wahrgenommen wird. Der 20. Juli war übrigens nach dem 11. und dem 15. Juli bereits der dritte von Stauffenberg in kürzester Zeit unternommene Versuch, Hitler in die Luft zu sprengen.

Entsprechend wurde am 20. Juli Walküre nicht vor dem späten Nachmittag ausgelöst, erst als Stauffenberg zurück im Bendlerblock angelangt die Dinge selbst in die Hand nahm. Aber nicht allein die Kommunikationsverbindungen der Wolfschanze konnten nur kurzzeitig unterbrochen werden. Auch der Rundfunk sendete ungehindert weiter und selbst Goebbels blieb in der Lage, den linientreuen Major Remer (Thomas Kretschmann, jüngst als „Seewolf“ auf ProSieben), Kommandeur des Wachbatallions Großdeutschland, per Telefon mit Hitler zu verbinden. Derartige Pannen in Kombination mit eher zögerlichem Handeln summierten sich und ließen die Aktion schließlich fehlschlagen. Was geschehen wäre, hätte der Putsch Erfolg gehabt, bleibt Spekulation. Die ersten Reaktionen der Alliierten waren vernichtend. So bemerkte Winston Churchill am 2. August 1944 vor dem Unterhaus: „Die höchsten Persönlichkeiten im Deutschen Reich morden einander oder versuchen dieses, während die von Rache erfüllten Armeen ihren Ring immer enger schließen. Diese Vorgänge in Deutschland sind Zeichen einer inneren Erkrankung.“ Erst 1946 fiel sein Urteil deutlich anders aus. „In Deutschland lebte eine Opposition, die durch ihre Opfer und eine entnervende internationale Politik immer schwächer wurde, aber zu dem Edelsten und Größten gehört, was in der politischen Geschichte aller Völker je hervorgebracht wurde. Diese Männer kämpften ohne eine Hilfe von innen oder außen — einzig getrieben von der Unruhe ihres Gewissens. So lange sie lebten, waren sie für uns unsichtbar und unerkennbar, weil sie sich tarnen mussten. Aber an den Toten ist der Widerstand sichtbar geworden.“

Die unmittelbar im Anschluss an den 20. Juli eingeleiteten Untersuchungen führten zu Ergebnissen, welche die hohen Naziführer und Hitler überraschten, ja entsetzten. Sie bestätigten keineswegs die bis heute zum Thema Widerstand im Dritten Reich kurioserweise immer noch weit verbreitete Beurteilung Hitlers in seiner knappen Rundfunkrede am Abend desselben Tages als einer „ganz kleinen Clique ehrgeiziger Offiziere“. Sie förderten vielmehr immer weitere Verdächtige aus allen Kreisen und Schichten der Bevölkerung zutage. Die geplante propagandistische Auswertung der „Abrechnung mit den Verrätern“ geriet so schon bald in eine Sackgasse. Bereits am 17. August untersagte Hitler jede weitere Berichterstattung.

Alles, was man sich bislang zum Thema „20. Juli 1944“ ansehen konnte, ist visuell spartanisch (z. B. die beiden o. g. 50er-Jahre-Verfilmungen) bis bescheiden gehalten. Singers Operation Walküre macht aus dem Stoff erstmalig einen groß angelegten Film, einen, bei dem in der detailfreudigen Ausstattung sichtlich nicht gespart werden musste. Regisseur Bryan Singer ist nicht zuletzt durch seine Comic-Realverfilmungen X-Men (2000), X-Men 2 (2003) und Superman Returns (2006) geläufig. Und ganz vereinzelt schimmert auch mal ein bisschen von deren Ästhetik durch, so wenn das Wachbatallion die verhaftete SS vor einem Wald leuchtend roter NS-Fahnen mit schwarzen Hakenkreuzen auf weißem Grund zusammentreibt.

David Bamber als Adolf Hitler ist nur punktuell ein wenig dämonisch in Szene gesetzt, freilich ohne dass es dabei nach Schwefel riecht. Überwiegend wirkt er als (vermutlich infolge Parkinson-Erkrankung) bereits merklich schlurfender und zittriger Führer sehr überzeugend. Udo Schenk als Hitler in Joe Baiers vielfach gelobter 2004er TV-Verfilmung Stauffenberg schneidet weniger gut ab, wirkt merklich klischierter. Singer lässt Hitler nach dem Attentat überhaupt nicht mehr in Erscheinung treten. Vermutlich wollte der Regisseur einem Klischeeverdacht von vornherein aus dem Wege gehen, indem er dem Zuschauer den Auftritt eines fanatisch erregt schreienden Führers erspart, der die Verräter hängen sehen will wie Vieh. Im ganzen PR-Rummel bleibt Hitler-Darsteller David Bamber übrigens erstaunlicherweise praktisch komplett ausgeblendet. Im deutschen Presseheft wird er sogar nur in den Credits erwähnt, ist nicht ein einziges Mal abgebildet: Ob das ein typisch deutsches Phänomen ist?

Dafür konzentriert sich Singers Film nun auf die Verschwörer im Bendlerblock. Ohne zu dick aufzutragen, bringt der Regisseur dabei die extreme Anspannung dieser Stunden recht glaubhaft herüber. Er vermittelt sowohl den kurzen erhabenen Moment, wenn „Walküre“ in Fahrt kommt und die Putschisten noch guter Hoffnung sind, als auch ihre Verzweiflung und Niedergeschlagenheit, als sich das Scheitern abzeichnet. Kurz angerissen werden auch die Nachwirkungen. Die das Recht verhöhnenden Volksgerichtshofprozesse unter dem berüchtigten Roland Freisler und die bestialische Hinrichtung vieler der Verurteilten: qualvoll langsames Erdrosseln durch Aufhängen mit Klavierdraht an Fleischerhaken.

Bryan Singer hat nicht verhehlt, dass Valkyrie keine reine Geschichtsstunde, sondern in erster Linie eine spannende Kinounterhaltung sein soll. Anvisiert sind hier nicht die Älteren, sondern das junge Publikum der Popcornkino- und Videospiel-Ära. Und so reiht sich Operation Walküre denn auch ein in die Reihe der für diese jugendliche Zielgruppe gemachten, derzeit im Trend liegenden Aufarbeitungen von Themen der Zeitgeschichte: Paul Verhoevens Drama über den holländischen Widerstand Zwartboek • Black Book (2006), der zu diesem Thema die dänische Seite betrachtende Flammen & Citronen • Tage des Zorns (2008, Regie: Ole Christian Madsen) und ebenso Der Baader Meinhof Komplex (2008, Regie: Uli Edel).

Das Konzept, Zeitgeschichte im Gewand eines temporeichen Polit-Thrillers als rasante „Unterhaltung“ zu präsentieren, dürfte die in den verarbeiteten Themen ohnehin innewohnende Polarisierung bei einem Teil des Publikums noch verstärken. Darf man Derartiges überhaupt entsprechend emotional und reißerisch aufbereitet präsentieren oder muss man es nicht vielmehr im Sinne eines eher nüchternen, betont sachlichen Dokumentarspiels angehen? Das ist nur eine von vielen Fragen, die man hierzu kontrovers diskutieren kann.

Jeder der vorstehend genannten Filme hat zweifellos seine Schwächen, zählt nicht in die Kategorie der Meisterwerke, ist aber trotzdem durchaus sehenswert. So gilt m. E. eben auch, dass Kino letztlich immer (zeitgemäßes) Erzählkino sein muss, wenn es überhaupt in der Lage sein soll, eine möglichst breite Klientel anzusprechen. Bei allen mit den Regeln des Erzählkinos verbundenen Einschränkungen wie den berühmt-berüchtigten Leinwandklischees kann ein solches, im Detail zwangsläufig nicht stimmiges, Kinoprodukt aber eben doch auch Anregung sein, sich mit den Hintergründen eingehender zu beschäftigen, also beispielsweise mit Hilfe von Spezialliteratur tiefer in die Materie einzusteigen. Und da liegt auch eine Chance für Bryan Singers sehr sorgfältig recherchierten und ebenso sorgfältig ausgestatteten Film über den 20. Juli 1944: Hierzulande bringt ein weiterer Film über das Hitler-Attentat in Anbetracht diverser Dokumentationen zum Thema kaum mehr grundlegend neue Erkenntnisse. Für das internationale, besonders das US-Publikum ist der deutsche Widerstand gegen Hitler jedoch erst einmal ein bislang kaum wahrgenommenes Kapitel in der Geschichte des Dritten Reiches. Wenn Valkyrie da partiell Abhilfe verschafft, so ist das zumindest nicht verkehrt.

Alles in allem ist Bryan Singers Operation Walküre ein wirklich guter, engagierter, sein Thema weitgehend sachlich angehender und zugleich überwiegend subtiler Film geworden. Einer, der sowohl einige markante Punkte und Personen in der umfangreichen und breit gefächerten Vorgeschichte des 20. Juli 1944 beleuchtet (wie Henning von Tresckow), als auch die zum Verständnis so bedeutenden Ereignisse des 15. Juli mit dem bereits ausgelösten Walküre-Alarm (s. o.) nicht vorenthält. Letzteres ist etwas, das selbst in Guido Knopps aktuellem TV-Zweiteiler Stauffenberg — Die wahre Geschichte unglücklicherweise unter den Tisch fällt. Darüber hinaus hat Singers Film m. E. erfreulich wenig „Hollywood-Typisches“ im Gepäck; deutlich weniger als ihm von einigen attestiert wird. So bleibt die Frage, wieso Valkyrie eigentlich derart lange auf einen Kinostart warten musste.

Die Filmmusik von John Ottman als Varèse-Album

John Ottman ist nicht allein quasi der Hauskomponist Bryan Singers, er hat (nicht nur) bei Operation Walküre auch als Cutter mitgearbeitet. Ottman hat hier das Sinfonieorchester besonders im schweren Blech stark abgespeckt: Der verschiedentlich besonders wuchtig (mitunter zu aufdringlich) eingesetzten großen Trommel stehen in erster Linie die Streicher zur Seite. Dieses Mal wandelt er musikalisch eindeutig auf den Spuren von John Powells Action-Ästhetik à la Die Bourne Identität (2002). Das Vertonungskonzept beruht in erster Linie auf pulsierenden Klangflächen, durchsetzt mit zum Teil ausgeprägt synthetischer Rhythmustextur. Entsprechend geht es zumeist eher unterschwellig und unscheinbar, mit eher brodelnd oder bohrend wirkenden Klangmustern zur Sache. Hin und wieder drängt sich das klangliche Geschehen infolge massiven Einsatzes des Schlagwerks auch mal brachial ins Bewusstsein. Thematisches findet sich hingegen nur vereinzelt. Am meisten störend wirkt jedoch der schlichtweg fehlende „rote Faden“ in Ottmans Klangschöpfung. Entsprechend dürftig ist über sehr weite Strecken der Höreindruck, den derartige, primär atmosphärische, kompositorisch jedoch eher schlichte Klänge beim Hörer hinterlassen. Inwieweit die allzu heutig wirkenden synthetischen Einschübe zum historischen Stoff überhaupt noch als einigermaßen passend durchgehen können, nicht vielmehr als anachronistisch angesehen werden müssen, mag jeder für sich entscheiden.

Sicher, eine von breitmelodischen Themen geprägte Filmkomposition wird zu diesem Thema wohl kaum jemand erwarten. Allerdings ist John Ottman, bei aller durchaus vorhandenen Sympathie, nun einmal unüberhörbar kein Jerry Goldsmith. Goldsmith war zumindest in seiner Glanzzeit durchaus in der Lage, selbst in einer nicht schlichtweg gefällig daherkommenden Thrillerkomposition mit einem musikalischen Spannungsbogen aufzuwarten, der auch für sich genommen in der Lage ist, den Hörer zu fesseln, z. B. in Capricorn One (1978).

Immerhin bietet das nicht filmchronologisch geschnittene Höralbum eine Reihe auch ohne die zugehörigen Filmbilder recht ansprechender Stücke. Zu Beginn erklingt die recht erhabene Abspannmusik („They’ll Remember You“), eine sehr reizvolle Adaption von Goethes Gedicht „Wanderers Nachtlied II“, gesetzt für Chor mit Streicherbegleitung — sehr überzeugend interpretiert vom Rundfunkchor Berlin. Dabei und auch beim in der Eröffnung ein wenig auf Rachmaninoff verweisenden, elegischen „Midnight Waltz“ für Klavier und Orchester (Track 6) war übrigens der beim Projekt als Orchestrator mitwirkende Lior Rosner beteiligt.

Den Marika-Rökk-Song „Für eine Nacht voller Seligkeit“ gibt’s als Source Music im Offizierscasino. Er wird recht ansprechend neu interpretiert von Katharine Mehrling in „The Officer’s Club“ (Track 10).

„Seconds Lost“, „I am Sorry“ sowie das den Abspann vorbereitende melancholische Streicher-Adagio mit dezentem Lohengrin-Touch „Long Live Sacred Germany“ (Track 18) bilden im insgesamt eher unspektakulären musikalischen Ablauf angenehme lyrische Ruhepunkte.

Alles in allem ist Varèses CD-Album zu Valkyrie zwar nicht schlichtweg schlecht. Es bietet aber zuviel reine Funktionsmusik, die ohne den Film kein Eigenleben besitzt, um noch eine „kleine Empfehlung“ in der Bewertung zu rechtfertigen. Kratzt man alles „Anhörbare“ zusammen, kann man sich immerhin ein ordentliches Klang-Souvenir zum Film von etwa 20 bis 30 Minuten Laufzeit erstellen. Mein „großer“ Programmiervorschlag: 1, 2, 6, 8, 10, 13, 16, 17, 18.

ANHANG

Eine kleine Auswahl weiterführender Links und Publikationen:

Der deutsche Widerstand gegen die NS-Diktatur hatte es im jungen Nachkriegsdeutschland besonders schwer. Galten die Männer des 20. Juli doch noch lange Zeit vielen Deutschen schlicht als Verräter. Von Anfang an gab es zwar eine, allerdings wenig beachtete, über den 20. Juli hinausgehende Widerstandsgeschichtsschreibung. Der vom Braunschweiger Generalstaatsanwalt Fritz Bauer initiierte Prozess gegen den auf das übelste hetzerisch tätigen ehemaligen Kommandeur des Berliner Wachregiments (s. o.) Otto Ernst Remer im Jahr 1952 war nicht in der Lage, über Stauffenberg und seine Helfer hinausgehend Widerständler zu rehabilitieren. Der Remer-Prozess trug entsprechend dazu bei, dass der „20. Juli“ bis heute geradezu das zentrale Widerstandssymbol geblieben ist. Immerhin begründete er ein langsames Umdenken, das in den Jahrzehnten danach, im Zusammengehen mit einem zunehmend weiter gefassten Widerstandsbegriff — besonders im Umfeld des 60. Jahrestages — geradezu zu einer Vielzahl von Veröffentlichungen geführt hat.

1. Sehr lesenswert zum Thema „20. Juli“ ist der zugehörige Wikipedia-Artikel. Im Link-Anhang dieses Artikels findet sich die kurz danach gehaltene Rede Himmlers, am 3. August 1944 auf der Gauleitertagung in Posen — abgedruckt in „Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte“ (Heft 4, 1953). Auch wenn es sich hier um Propaganda handelt, belegt der — mit die Feststellungen Himmlers kritisch betrachtenden, enorm aufschlussreichen Kommentaren versehene — Redetext in seinem völlig verblendeten Tenor eindrucksvoll, in welch eklatantem Ausmaß die Größen des Dritten Reiches offenbar die Realität längst verdrängt hatten.

2. Interessante historische Tondokumente finden sich auf „Nationalsozialismus.de“.

31433. Die beiden 1955er Verfilmungen Es geschah am 20. Juli und Der 20. Juli führten zu einer hitzigen öffentlichen Auseinandersetzung, in die sich sowohl die Nachkommen der Attentäter des 20. Juli als auch die Politik einmengten. Die 2004er Broschüre des Deutschen Filminstituts/Deutschen Filmmuseums „2 x 20. Juli“ zeichnet den Diskurs detailliert nach. Sie präsentiert die Filme im Spannungsfeld zwischen der Legitimationspolitik des jungen Nachkriegsdeutschlands und der unter den Bundesdeutschen noch nachwirkenden Nazi-Propaganda, der weit verbreiteten Ablehnung der Attentäter als Verräter. In den Printmedien sorgte „Der Skandal“ um die zum Produzentenkrieg dramatisierte Doppelverfilmung für Schlagzeilen und manch groteske Blüte, wie den Strafantrag des Ex-Nazi-Offiziers Remer (vgl. o.), der sich verunglimpft sah. Von Regisseur Falk Harnack wurde übrigens bereits damals betont, sein Film sei „vor allem für die Jugend“.

4. Wer tiefer in die Geschichte des Deutschen Widerstands eindringen möchte, findet in Joachim Fests 1994 erschienenem Buch „Staatsstreich: Der lange Weg zum 20. Juli“ ein fesselnd zu lesendes Standardwerk, das einen guten Einstieg in die Materie ermöglicht. Während der Autor in seiner berühmten Hitler-Biografie die Opposition gegen das System der Nazi-Diktatur nur streift, geht er in dieser eingehenden Betrachtung über das Symbol Stauffenberg hinaus. Allerdings beschränkt er sich — wie sein Titel schon andeutet — dabei im Wesentlichen auf den Widerstand im konservativen adligen und bürgerlichen wie militärischen Lager.

5. Die 1977 begründete „Schwarze Reihe“ des Fischer Taschenbuch Verlages ist auf dem hiesigen Markt derzeit die älteste und umfassendste Buchreihe mit Analysen zur NS-Ära. Darunter finden sich auch bemerkenswerte Titel zum Thema Widerstand gegen Hitler: Gerd R. Ueberschärs „Stauffenberg und das Attentat vom 20. Juli 1944“ erschien erstmalig 2004 und konzentriert sich auf die am Anschlag eng Beteiligten. Besonders bemerkenswert sind dabei die Kapitel „Der 20. Juli und die Volksstimmung“ sowie das den Band abschließende „Die Rezeption des 20. Juli 1944 und der Militäropposition gegen Hitler nach 1945“. Sehr gut lesbar, sachlich, präzise und, da auf jüngste Quellen zurückgreifend, besonders aktuell: Das sind zu dieser Veröffentlichung passende Attribute.
Das gilt ebenso für Ueberschärs detailreiche Übersichtsdarstellung „Für ein anderes Deutschland. Der deutsche Widerstand gegen den NS-Staat 1933-1945“ (2006). Der hier zugrunde gelegte modern-pluralistische und damit besonders weit gefasste Widerstandsbegriff geht über die traditionelle Sicht auf die „aktiven“ Kreise in Adel, Bürgertum und Wehrmacht besonders weit hinaus. Ueberschär plädiert dabei für eine nüchterne, das Individuum nicht zur Lichtgestalt stilisierende Betrachtung. In einem knappen Epilog zur Rezeptions- und Streitgeschichte des Widerstandes werden zusätzlich einige aktuelle Kontroversen in der wissenschaftlichen Debatte erläutert und mit weiterführender Literatur abgerundet.
Der Historiker Wolfram Wette hat sich u. a. eingehend mit dem so genannten „Rettungswiderstand“ beschäftigt, einem bislang noch relativ neuen Terrain der Geschichtsforschung, zu dem es bislang nur vereinzelte Berichte gab. Es geht dabei um das Handeln einzelner, die, obwohl sie im NS-Staat Funktion besaßen, sich verbrecherischen Aufträgen widersetzten. „Retter in Uniform“ (2002) und der Folgeband „Zivilcourage“ (2004) präsentieren dazu packende und zugleich nachdenklich stimmende Schicksale. Dabei geht es um Menschen wie den Hauptmann Wilm Hosenfeld, dessen Handeln Roman Polanski in Der Pianist (2002) aufgegriffen hat. Nicht verschwiegen wird, wie schwierig Rekonstruktion und Beurteilung der Geschehnisse anhand der zur Verfügung stehenden Quellen sind. Wer hierzu einen ersten Eindruck gewinnen möchte, der sichte den Beitrag Wettes „Zivilcourage unter extremen Bedingungen“ (aus Freiburger Rundbrief 1/2004).

6. Wer noch eine weitere lesenswerte Stimme zum Thema einbeziehen mag, sei auf „Rote Kapellen — Kreisauer Kreise — Schwarze Kapellen“ (Karl Heinz Roth/Angelika Ebbinghaus (Hrsg.), verwiesen. Der Titel des 2004er Bandes bezieht sich auf die Gestapo-Terminologie bei der Klassifizierung des Widerstandes gegen das NS-Regime. Die Veröffentlichung betrachtet das oppositionelle Spektrum in großer Breite und ist in den Interpretationen zweifellos ausgeprägt linksorientiert, sie ist dabei aber ebenso klar um Sachlichkeit bemüht. Zu den vorstehend genannten Publikationen bildet dieses Buch eine interessante Ergänzung, da es in Teilen (besonders zu Joachim Fest) klare Gegenposition bezieht. Der Beginn eines ernsthaften bürgerlichen Widerstands wird entgegen den meisten landläufigen Betrachtungen nicht bereits in die zweite Hälfte der 30er Jahre datiert, sondern als Zeitraum für das Ende der „regimeloyalen Opposition“ gar erst 1942/43 markiert. Auch wenn man nicht jede Schlussfolgerung als völlig überzeugend zu bezeichnen vermag, liefert der Band doch so manche scharfsinnige und damit wertvolle Anregung für die Debatte. Essenziell und mitprägend für die Sichtweisen sind die Befragungen von Augen- und Zeitzeugen. Eigene Kapitel widmen sich den Tätern unter den Widerständlern, dem Widerstand der kleinen Leute im faschistischen Alltag und auch der Streitgeschichte nach 1945 sowie der Diffamierung der „Roten Kapelle“ während des Kalten Krieges.

Fazit: Das gewachsene Interesse, den Widerstand gegen Hitler nicht auf die Offiziere des 20. Juli zu beschränken, ist längst im Kino angekommen. Nach Margarethe von Trottas Rosenstraße (2003), Niko von Glasows Edelweißpiraten (2005) und Marc Rothemunds Sophie Scholl — Die letzten Tage (2005) haben gute Deutsche der NS-Ära auch weiterhin Kinokonjunktur: Nach Operation Walküre geht im April 2009 mit Florian Gallenbergers John Rabe die Geschichte eines nahezu Vergessenen über die Leinwände, der während des Massakers von Nanking (1937-38) offenbar rund eine Viertelmillion Chinesen vor den Japanern rettete.

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Komponist:
Ottman, John

Erschienen:
2008
Gesamtspielzeit:
63:27 Minuten
Sampler:
Varèse Sarabande
Kennung:
VSD-6937

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