Siegfried Franz: Deutsche Filmkomponisten, Folge 3

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
16. Dezember 2006
Abgelegt unter:
Sampler

Score

(4/6)

Deutsche Filmkomponisten: Siegfried Franz

Die in unregelmäßiger und unchronologischer Folge erscheinende CD-Reihe „Deutsche Filmkomponisten“ von Bear Family Records hat Zuwachs bekommen. Die jetzt vorliegende 3. Folge der Reihe ist dem Komponisten Siegfried Franz (1913-1998) gewidmet. Die Ausstattung ist typisch, brilliert mit einem 68-seitigen Begleitheft, setzt in gewohnter Weise auf den Nostalgie-Effekt und ist mit üppigem Bildmaterial ausgestattet. Sohn Udo Franz hat darin einen unterhaltsamen und auch aufschlussreichen, partiell jedoch etwas verwirrend formulierten biografischen Begleittext über seinen Vater verfasst. In einer Art Anhang dazu sind außerdem „Anekdoten und Geschichten“ vertreten, die beim Lesen verschiedentlich zum Schmunzeln verleiten.

Siegfried Franz wurde offenbar in eine hochmusikalische Familie hineingeboren. Der Vater zog ihn mit Wagner auf und triezte den Heranwachsenden, indem er nicht nur Wagner’sche Leitmotive abfragte, sondern diese auch fehlerfrei auf dem Klavier vorgetragen erwartete. Nach dem Abitur besuchte der junge Mann sowohl die Meisterklasse für Klavier beim Pianisten Max von Pauer als auch die Kompositions- und Dirigentenklasse der Hochschule für Musik und Theater in seiner Geburtsstadt Mannheim. Im Februar 1939 trat er im Rahmen einer Konzertveranstaltung der Musikhochschule mit eigenen Klavierkompositionen erstmalig an die Öffentlichkeit. Nach dem Krieg ging er 1947 als Mitarbeiter zu Hans-Martin Majewski an das Altonaer Theater nach Hamburg. Die Bekanntschaft mit dem Kabarettisten Ossi Wagner wurde für ihn zur Eintrittskarte als freier Komponist beim Nordwestdeutschen Rundfunk, dem späteren NDR.

Franz ist in erster Linie dem Rundfunk treu geblieben, für den er mehr als 400 Hörspielmusiken komponierte. Später arbeitete er auch für das Fernsehen und steuerte für mehr als 200 Dokumentar- und Industriefilme Musik bei. Für das Kino sieht die Bilanz mit „nur“ 24 Spielfilmvertonungen zumindest mengenmäßig eher bescheiden aus. Auszüge aus insgesamt 18 dieser Vertonungen sind auf dem rund 78 Minuten umfassenden Sampler vereint. Den Reigen eröffnen drei Stücke aus dem 1954er Streifen Canaris. Hierbei handelt es sich nicht allein um die erste Kinovertonung des Komponisten, auch der damals noch unbekannte Freddy Quinn ist als Interpret zweier Gitarrenstücke mit von der Partie. Sieht man die rund 8-minütige Suite als repräsentativ an, dann scheint die Filmmusik allerdings weniger auf das menschliche Drama um die Titelfigur Admiral Canaris (O. E. Hasse), Chef der deutschen Abwehr von 1937 bis 1944 zu reflektieren, sondern in erster Linie als gepflegte, mitunter folkloristisch gefärbte Hintergrundmusik zu agieren. Zu den Drei Birken auf der Heide (1956) erklingt Musik mit nettem Zigeuner-Flair, das Franz nach eingehenderem Studium und in Zusammenarbeit mit einem Budapester Zigeunerorchester erarbeitete. Das Mädchen vom Moorhof (1958) wiederum zeigt ähnlich Rolf Wilhelms Arbeiten zum Björndal-Filmduo die Einflüsse norwegischer Folklore und überhaupt nordischen Tonfall.

Die wohl interessantesten Kompositionen des Albums sind die zu den folgenden drei Filmen: Nachts, wenn der Teufel kam (1957), in dem die Musik die Geschehnisse um einen Massenmörder im Hamburg des Jahres 1944 sarkastisch kommentiert, mit einer Art groteskem Marsch im Big-Band-Sound auf das Kommende einstimmt. Die Gerhart-Hauptmann-Verfilmung Dorothea Angermann (1958) wird mit einer für die Ära des deutschen Nachkriegsfilms überraschend modern gehaltenen Titelmusik eröffnet: Beim Hörer wird Spannung erzeugt, indem die dissonanten harmonischen Reibungen eines Themas reizvoll mit einem Klangfeld aus Streichern, Klavier und irritierenden Figuren der Holzbläser kontrastieren. Zum wiederum in Norwegen spielenden Das letzte Kapitel (1961) nach dem Roman von Knut Hamsun lieferte Franz eine dem ernsten Stoff entsprechende Musikuntermalung, die in ihren musikalischen Stimmungen ein Pendant zum Spannungsbogen des Dramas entwirft.

Von der slapstickhaft-komödiantischen Seite zeigt sich Franz im Heinz-Rühmann-Streifen Der Lügner (1961), und auch genretypische Karnevalsmusik, zum Teil mit Hmtata, ist zu finden: in Die Fastnachtsbeichte (1960). Der Komponist soll besagte mit den Worten dirigiert haben: „Kaum zu glauben, dass ich das geschrieben habe“. Das Album präsentiert daraus die collagehaft auf das Karnevalstreiben fokussierende Titelmusik und den charmanten „Viola-Walzer“. Und fast schon walzerselig klingt das Album aus, mit Die glücklichen Jahre der Thorwalds (1962). Darüber hinaus findet sich ebenfalls noch das eine oder andere durchaus ansprechende sinfonisch geprägte Stück, z. B. das recht elegant die betreffenden Metropolen charakterisierende „Wien-Budapest“ aus Frau Warrens Gewerbe (1959).

Im Albumschnitt besitzen allerdings die filmmusikalischen Auszüge mit besonders ausgeprägtem Hintergrund- und damit Unterhaltungsmusik-Charakter ein merkliches Übergewicht vor gekonnten, stärker dramatisch-sinfonisch auskomponierten Teilen. Dabei sind die hier recht breit vertretenen Source-Cues handwerklich solide gefertigt (nicht, wie in anderen Fällen, einfach nur bieder). Wenn Udo Franz seinen Vater im Begleithefttext locker zusammen mit Hans-Martin Majewski an die Spitze der Komponistengarde des deutschen Nachkriegsfilms setzt, dann ist das etwas, das mir zumindest allein anhand des hier zu hörenden Potpourris doch als etwas des Guten zu viel erscheint. Ich votiere daher zumindest derzeit für eine Einordnung etwas unterhalb seiner beiden führenden Zunftkollegen Hans-Martin Majewski und Rolf Wilhelm.

Unterm Strich ist damit auch die neue Ausgabe der „Deutsche(n) Filmkomponisten“ eine wertvolle Bereicherung der Reihe und natürlich ein gewohnt liebevoll produziertes Sammlerstück. Darüber hinaus ist das Album vielleicht auch Wegbereiter für willkommene weitere filmmusikalische Veröffentlichungen des Komponisten.

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2006.

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Komponist:
Franz, Siegfried

Erschienen:
2006
Gesamtspielzeit:
77:57 Minuten
Sampler:
Bear Family
Kennung:
BCD 16483 AR

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