Enigma

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
17. Januar 2002
Abgelegt unter:
CD

Score

(2/6)

John Barry: Enigma/Eternal Echoes/The Beyondness of Things

In Regisseur Michael Apteds Film Enigma • Enigma – Das Geheimnis, der am 24.01.2002 in den Kinos startet, geht es um die Entschlüsselung des Geheimcodes der legendären deutschen Chiffriermaschine im 2. Weltkrieg „Enigma“ (griechisch für „Rätsel“).

Die Musik, die der renommierte britische Filmkomponist John Barry für Apteds Film komponierte, ist weder ungewöhnlich noch bewährt solide, sondern eher langweilig. John Barry hat ja in seinen frühen Jahren mitunter durchaus pfiffige Thriller-Musiken komponiert. Hierfür stehen insbesondere die Kompositionen zu Ipcress File • Ipcress – streng geheim (1965) und The Quiller Memorandum • Das Quiller Memorandum: Gefahr aus dem Dunkel (1966). In Enigma hingegen bewegt er sich auf den äußerst ausgetretenen Pfaden, die er bereits in den 80er Jahren eingeschlagen und in den 90ern kaum noch ausgebaut hat: ein weitgehend standardisierter, glatter Einheitssound bestimmt die aus dieser Phase stammenden musikalischen Schöpfungen. Dieser besteht im wesentlichen aus einfachen Streicherharmonien mit schlichten Holzbläsersoli und/oder Klavier, wobei die dramatischeren Passagen und Spannungsmusiken aus recht banalen Ostinati aufgebaut sind.

Bei Enigma ist das als Basis fungierende Hauptthema eine eingängige aber doch arg farblose und zudem sehr banale Klaviermelodie über Streicherteppich. Diese dient auch als Basis für die in recht simplen Variationen abgeleiteten Nebenthemen. Am Ende der CD hat man das Hauptthema, dank häufiger Wiederholungen, zwar einigermaßen im Ohr, aber daneben nur einige blass gestaltete Spannungs-Cues und darüber hinaus nichts Interessantes zu Gehör bekommen. Das Ganze plätschert recht harmlos und, schlimmer, gänzlich ohne musikalischen Pfiff und Biss dahin und bleibt damit kraft- und spannungsarm.

Fazit daher: anhörbar, aber nur für Barryaner ein Pflichtkauf. Mit zwei Source-Tracks im historischen Antik-Sound der 40er sowie einem Fragment aus „Dives & Lazarus“ von Ralph Vaughan Williams verbleibt ein Score-Anteil von 47:49.

Mit dem English-Chamber Orchestra realisierte John Barry ein CD-Album mit speziell komponierten Musikstücken: „Eternal Echoes“. Die insgesamt 11 Stücke der CD sind laut Barrys Angaben eine Sammlung von Songs, die Erinnerungen und Träume seines Lebens widerspiegeln. Als Titel des Albums diente das gleichnamige Buch eines langjährigen Freundes, des irischen Poeten und Philosophen John O‘ Donohue. Um es gleich zu sagen: als umwerfend empfinde ich diese „Lieder ohne Worte“ nun nicht gerade. Laut Pressetext hat John Barry hier „seine intimsten Gedanken und Erinnerungen in Töne umgesetzt, es geht dabei neben Kleinigkeiten um viel Wichtigeres und Einschneidenderes: die Musik vermittelt einen seltenen Einblick in die Privatsphäre eines Komponisten, dessen Musik Teil unseres Lebens geworden ist“. Es wird zudem betont, „hier handelt es sich ausschließlich um Originalmusik, die keinerlei Soundtracks oder Musik für ein anderes Medium enthält“.

Nun, dafür klingt das Ganze jedoch allzu arg vertraut. Man fühlt sich die ganze Laufzeit über, permanent an irgendwelche Filmmusiken erinnert, ohne das einem dazu die exakten Filmtitel einfallen wollen. So erinnert z.B. das etwas melancholische vom Klavier getragene titelgebende Eröffnungsstück „Eternal Echoes“ ein wenig an Enigma, und „Slow Day“ weckt mit seinem Mundharmonika-Solo und dezent poppigem Rhythmus deutliche Erinnerungen an Midnight Cowboy. Allerdings, all das hat man bei John Barry bereits anderweitig deutlich raffinierter und auch inspirierter gehört. Davon abgesehen, sind die vielleicht etwas unbeabsichtigt zu filmischen Echos mutierten „Eternal Echoes“ – im Sinne von ordentlicher, dabei recht einfach gestrickter Unterhaltungsmusik – ganz nett anhörbar geraten.

Zum Charme von Liedkompositionen gehören breite, üppige, dabei sehr eingängige Melodien. Hier allerdings kann die melodische Inspiration bestenfalls als durchschnittlich bezeichnet werden. Wie schon die Filmmusik zu Enigma, stützt auch das Album „Eternal Echoes“ einmal mehr die These, dass die Zeit der großen John-Barry-Melodien (man denke nur an Robin and Marian) wohl endgültig vorüber ist. Der Name John Barry stand nie für komplexes Schreiben von Musik, aber was einstmals oft einfach auch sehr schön war, wirkt inzwischen weitgehend ausgelaugt und damit blass.

Resumé: ein passables Album zur Unterhaltung und auch als ansprechende Hintergrundmusik geeignet. Dafür allerdings, dass die Produktion mit recht üppig formuliertem Anspruch als „seriöses“ Konzert-Album ins Rennen geht, hinterlässt die recht schlichte Musik doch einen etwas faden Eindruck und provoziert nachhaltig Kopfschütteln. Für mich stehen hier Anspruch und Gebotenes absolut nicht in Einklang. Deshalb reicht es nicht für solide drei Sterne und die damit verbundene kleine Empfehlung. Mit einer Spieldauer von nicht einmal 45 Minuten ist der Zyklus „wortloser Lieder“ dazu recht knapp geraten.

Ähnlich nett, aber eben doch auch bescheiden ist der bereits 1998 erschienene Vorläufer der „Eternal Echoes“: Das Album „The Beyondness of Things“ gibt sich ähnlich anspruchsvoll. Im Booklet findet sich Philosophisches wie „For those who immerse themselves in what the fairy tale has to communicate, it becomes a deep, quiet pool which at first seems to reflect only our own image; but behind it we soon discover the inner turmoils of our soul – its depth, and ways to gain peace within ourselves and with the world, which is the reward of our struggles“ oder „I should believe only in a God who understood how to dance“.

Nun, auch hier gilt das schon zu „Eternal Echoes“ Geschriebene. Nette Unterhaltungsmusik, gelegentlich dezent melancholisch, aber insgesamt ohne Tiefgang, melodisch wenig inspiriert. Darüber hinaus sind sich die beiden CDs musikalisch und stilistisch derart ähnlich, dass man schon von völliger Austauschbarkeit sprechen muss. Ob hier die größere Lauflänge von immerhin rund 56 Minuten eine Aufwertung darstellt, liegt allein im Empfinden des Hörers.

Sowohl die Darbietung als auch die Aufnahmequalität sind bei allen drei Alben tadellos, die Ausstattung der Booklets befriedigend.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Barry, John

Erschienen:
2002
Gesamtspielzeit:
57:01 Minuten
Sampler:
Universal (Decca)
Kennung:
467 864-2

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