Zeit zu leben und Zeit zu sterben

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
2. Oktober 2008
Abgelegt unter:
DVD

Film

(4.5/6)

Bild

(4.5/6)

Ton

(3/6)

Extras

(3.5/6)

DVD: Zeit zu leben und Zeit zu sterben

Der Roman „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“ entstand 1954 und stammt aus der Feder des besonders durch seinen Weltkrieg-I-Roman „Im Westen nichts Neues“ weltberühmt gewordenen Schriftstellers Erich Maria Remarque (1898-1970), der eigentlich Erich Paul Remark hieß. Die immer noch kursierende Behauptung, er sei Jude und heiße Kramer (das Ananym von Remarque) ist übrigens ein Relikt der NS-Propaganda. In „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“ schildert der Autor die fiktiven Erlebnisse des Landsers Ernst Graeber (in der Verfilmung John Gavin), der im Frühjahr 1944 auf Fronturlaub geht, die Schrecken des totalen Bombenkriegs in der Heimat erlebt und zurück an der Front schließlich fällt. Nicht allein die Schrecken des Krieges werden verdeutlicht, vielmehr wird auch die Frage nach Schuld und Mitschuld, u. a. an den Verbrechen der Wehrmacht, nach Tätern, Opfern, Mitläufertum, Verantwortlichkeit und zugleich nach dem Umgang mit der NS-Vergangenheit thematisiert. Außerdem stellt sich die Frage, wann das zum Mord wird, was man sonst Heldentum nennt.

Die ursprüngliche Absicht, besonders den Deutschen einen mahnenden Weltkrieg-II-Roman gegen die Adenauer-Restauration zu präsentieren, wurde durch einen heute nur noch peinlich anmutenden Fall von (anscheinend aus kommerziell motivierten Gründen erfolgter) Verlagszensur zumindest in Teilen konterkariert. Seinerzeit als brisant eingestufte Textpassagen wurden aus „Rücksichtnahme“ auf die Gemüter rechter Kriegsteilnehmer entweder geglättet oder komplett entfernt, der Schluss verändert und dadurch deutlich sinnentstellt. Erst seit 1989 ist „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“ auch für die deutschen Leser in der ursprünglichen Textfassung erhältlich.

Der aus Hamburg stammende Hans Detlef Sierk änderte nach seiner Emigration in die USA im Jahr 1937 seinen Namen in Douglas Sirk. Der ehemalige UFA-Regisseur ist in die Annalen Hollywoods als Meister des Melodrams eingegangen. Besonders fruchtbar waren für ihn die 1950er Jahre bei den Universal Studios, wo insbesondere Rock Hudson und Jane Wyman die Protagonisten seiner Verfilmungen verkörperten. Die 1958er Remarque-Adaption ist unter dem US-Titel A Time to Love and a Time to Die und dem nach der Erstaufführung auch entsprechend eingedeutschten Titel Zeit zu lieben und Zeit zu sterben geläufiger als unter dem Buchtitel.

Von Sirks mitunter zwar handwerklich geschickt inszenierten, in der Wirkung jedoch oftmals schwülstigen Ausflügen in die Welt des Melodrams (z. B. dem äußerst soapigen Magnificent Obsession • Die wunderbare Macht) hebt sich A Time to Love and a Time to Die äußerst positiv ab. Auch immerhin rund 50 Jahre nach der Uraufführung ist diese sehr einfühlsame Umsetzung des Remarque-Buches immer noch sehenswert. Der Autor arbeitete am Drehbuch mit und verkörpert selbst den in den Untergrund gegangenen ehemaligen Lehrer Paul Graebers, Professor Pohlmann. Eine erstklassige Riege namhafter deutscher Schauspieler sorgt zusätzlich für Glaubwürdigkeit in den verkörperten Charakteren: z. B. Dieter Borsche, Agnes Windeck und Barbara Rütting. Kurt Meisel als für die Zeit der Entstehung schon erschreckend zynischer KZ-Kommandant und Klaus Kinski als dämonischer Gestapo-Mann sind in den von ihnen verkörperten Charakteren zwar nicht frei von Klischees, aber dennoch beeindruckend. Und das gilt letztlich für den kompletten Film, der trotz eines unübersehbaren Quantums an Unterhaltungsanspruch und einem nicht ganz überzeugenden Schluss ein eindrucksvolles Abbild des Buches erzeugt. Nur ganz wenige Filme jener Zeit trauen sich vom Mythos des ehrbaren Landsers, der Anfang der 1960er Jahre von Paul Carell („Unternehmen Barbarossa“) nachhaltig zementiert worden ist, abzurücken und die Verbrechen der Wehrmacht an der Zivilbevölkerung während des Ostfeldzuges nicht nur nebenbei zu erwähnen, sondern in einigen recht eindringlichen Szenen zumindest anzudeuten.

Nicht vergessen werden darf die charmante Liselotte Pulver, die im Film zuerst Paul Graebers Freundin und schließlich seine Frau wird. Die Pulver bewährte sich hier als ernsthafte Schauspielerin. Sie agiert merklich abseits der mit ihrer Person geläufigeren Komödien-Klischees wie in Das Wirtshaus im Spessart (1958) oder in Die Zürcher Verlobung (1957). Zusammen mit ihrem Partner John Gavin wird die zarte Romanze so sehr subtil und glaubwürdig, frei von unnötigem Kitsch in Szene gesetzt. Recht stark sind aber auch die Szenen der heftigen Bombardements, welche die Zivilbevölkerung zermürben sollten. Das daraus resultierende Chaos und die materiellen Verluste vermögen letztlich selbst die zuerst so fanatisch linientreu wirkende Vorsteherin der NS-Frauenschaft, Frau Lieser, erkennbar zu verunsichern.

Ebenfalls erwähnt zu werden verdient Miklós Rózsas Filmmusik. Zwar darf man dem Altmeister beim quasi-„römischen“ Marsch für die in der Eröffnungsszene auf dem Rückzug befindlichen deutschen Truppen den Autopilotmodus attestieren. Darüber hinaus allerdings ist durchaus gediegener Rózsa vertreten. Neben einem in feinen Variationen verarbeiteten schwelgerischen Liebesthema findet sich für die tragischen Aspekte der Handlung Schroffes, das an die Klangwelten der Noir-Vertonungen des Komponisten erinnert. Der im Film wie Buch zu findende tröstende religiöse Bezug ist ebenso kompetent musikalisch gespiegelt. Alles in allem handelt es sich nicht um eine ganz große Rózsa-Filmmusik, aber um eine tadellos ausgeführte gehobene Routine-Komposition, bei der besonders das sehr inspirierte Liebesthema in Erinnerung bleibt.

Die DVD von Carol Media ist nur eine einer ganzen Reihe mit (nicht ausschließlich) Hollywood-Produktionen aus den goldenen Kinojahren. Der Film wird mit sehr sauberem, weitgehend scharfem und kontrastreichem Bild in guten Farben und im korrekten Scopeformat präsentiert. Auch der Mono-Ton (in Deutsch und Englisch, inklusive Untertiteln) ist nahezu untadelig, kommt recht frisch und fast durchweg klar herüber. Die Boni-Sektion fällt fast zwangsläufig eher bescheiden aus. Neben einem Trailer in mittlerer VHS-Qualität gibt es Infos zum Film und den Darstellern auf Texttafeln sowie eine werbende größere Trailerkollektion aus der Caroland-Reihe mit Filmklassikern.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum 3. Oktober 2008.

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Originaltitel:
Faschismus und Zweiter Weltkrieg im Spiegel ausgewählter Kinofilme, Teil XIV

Regisseur:
Sirk, Douglas

Erschienen:
2008
Vertrieb:
Carol Media
Kennung:
34014
Zusatzinformationen:
USA 1958

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