The Travelling Executioner

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
11. Oktober 2002
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

Bei The Travelling Executioner (1970) handelt es sich wohl um einen der bizarrsten Filme, an dem Jerry Goldsmith beteiligt war. Die denkwürdige Filmhandlung erzählt die Geschichte des Jonas Candide (Stacy Keach), der im Jahr 1918 als mobiler Henker mit seinem elektrischen Stuhl durch die Lande tingelt und im Staatsauftrag Hinrichtungen vollstreckt. Als er versucht, eine verführerische Todeskandidatin mit dem bezeichnenden Namen Gundred Herzallerliebst (Mariana Hill) zu retten, wird er schließlich selber zum Mörder und Kandidaten für seine tödliche Maschinerie.

In einem Artikel der Los Angeles Times wurde der Film als „bloody awful“ bezeichnet. Eine Meinung, die offenbar vom Publikum in besonderem Maße geteilt wurde; bis heute hatte das produzierende Studio MGM nicht den Mut, The Travelling Executioner auf Video zu veröffentlichen …

Wesentlich überzeugender als der wohl nur obskure Film kommt die Filmmusik von Jerry Goldsmith daher. Eine leichtgewichtige Komposition, die in der Machart der zu The Ballad of Cable Hogue aus demselben Jahr ähnelt, aber noch ein Stück vielseitiger gearbeitet ist. Im Klangidiom steht die Komposition aber den frühen Goldsmith-Scores zu Studs Lonigan (1960) und in Teilen auch zu The List of Adrian Messenger • Die Totenliste (1963) näher. Neben Americana und Folk setzt Goldsmith in The Travelling Executioner auf Dixieland, Blues und arbeitet auch Gospel-Klänge ein. Wobei das Spiel einer kleinen Orgel der Musik nicht nur sakralen, sondern mitunter auch grotesken und zirkusähnlichen Charakter verleiht.

Im „Main Title“ wird das Hauptthema mit Harmonica, Posaune und Trompete in Dixieland-Jazziger Begleitung vorgestellt, wobei gegen Ende eine Orgel-dominierte Gospel-Passage der Musik einen sakralen Touch verleiht. Das Hauptthema erklingt – nur leicht variiert – in fast jedem Track der CD, wobei aber jeweils die Instrumentierung und die Begleitung geschickt verändert werden. Ein kleines Highlight ist hierbei „A New Client“, wo das Thema raffiniert in eine schmissige Parodie von Julius Fuçiks berühmtem Zirkusmarsch „Einzug der Gladiatoren“ eingearbeitet erklingt. In „The Fields of Ambrosia“ (gemeint ist damit das Paradies) begegnet dem Hörer ein ruhiges, von sanften Americana-Klängen mit religiösen Untertönen dominiertes Stück. Eines, das zwar einfach, aber keinesfalls (nur) banal ist und das in der erlesenen Schlichtheit des Volkstons zu den anrührendsten und schönsten Schöpfungen von Jerry Goldsmith zählt. In der Vergewaltigungsszene, „Unwelcome Visitor“, erklingt ein ganzes Arsenal atonaler Klangeffekte, spiegeln sich in etwa zeitgleiche Arbeiten zu Filmen wie Planet of the Apes und Mephisto Waltz wider.

Alles ist sehr frisch und luftig instrumentiert. Trotz der einfachen Struktur zeigt der Umgang mit dem musikalischen Material aber auch hier zweifelsfrei, dass ein in vielen Stilen souveräner Könner einfallsreich und vielseitig und ebenso liebe- als auch fantasievoll zu Werke gegangen ist. Das Album gerät so zu einem abwechslungsreichen Hörvergnügen besonderer Art.

Das schon zu The Ballad of Cable Hogue Angemerkte gilt für den Score zu The Travelling Executioner gleichermaßen: Ein sehr schöner Goldsmith, ein eher leichtgewichtiger Score, aber trotzdem kein Fliegengewicht. Neben dem in gewohnter Qualität gestalteten Booklet verdient der ausnehmend frische und transparente Klang der Aufnahme besondere Erwähnung.

The Travelling Executioner erschien bereits zuvor auszugsweise (zusammen mit The Stripper) auf dem Tsunami-Label. In dieser – gegenüber der jetzt vorliegenden FSM-Ausgabe merklich verhangener klingenden – Version hat mich die Musik allerdings auch nach erneutem Hören nicht in vergleichbarem Maße zu überzeugen vermocht. Interessant, wie stark mitunter allein die Klangqualität das Hörempfinden beeinflussen kann.

Erschienen:
2002
Gesamtspielzeit:
39:39 Minuten
Sampler:
FSM
Kennung:
Vol. 5 No. 6

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