Regisseur Carol Reeds Film The Third Man • Der dritte Mann (1949), nach der gleichnamigen Erzählung von Graham Greene, ist zweifellos einer der größten Erfolge des British Cinema und machte auch seinen Regisseur weltweit bekannt. Reeds Film ist ein frühes Beispiel dafür, wie der überwältigende Erfolg eines insgesamt gut gemachten Leinwandproduktes manche Gemüter zu tiefgründigen Interpretationen anregt, die Bedeutungen hinter dem Filmgeschehen „entdecken“, von denen die Macher kaum etwas geahnt haben …
Zweifellos handelt es sich bei Der dritte Mann um einen raffiniert mit Licht und Schatten umgehenden Noir-Thriller. Durch das vom Zweiten Weltkrieg deutlich gezeichnete Nachkriegs-Wien erhält der Film für die im Schiebermilieu angesiedelte melodramatische Handlung zusätzliche Atmosphäre. Neben dem nüchternen, beeindruckend realistischen „Trümmer-Wien“ – eine besetzte und geteilte Stadt, als eben nicht inszeniert wirkende „Kulisse“ -, kommen die für die damalige Zeit noch eher ungewöhnlichen psychologischen Aspekte der Filmhandlung und eine geschickte Erzählstruktur: In Rückblenden werden die Ereignisse berichtet, die zur den Film eröffnenden Beerdigung von Harry Lime geführt haben. Und neben der ausgefeilten Kameraarbeit, die mit den Stilmitteln des Expressionismus eine Atmosphäre der latenten Bedrohung schafft, haben auch die sehr guten und markanten Darsteller, wie Orson Welles und Joseph Cotten, erheblichen Anteil an der guten Wirkung des Films.
Und zum „Kult“ um den „Dritten Mann“ gehört auch die musikalische Untermalung des Kaffeehausmusikers und Zither-Spielers Anton Karas, dessen melodisch-eingängiges, charmantes „Harry-Lime-Thema“ ebenso weltberühmt geworden ist. In Carol Reeds auf besonderen Realismus der Inszenierung Wert legenden Stil ist zweifellos auch die Karas-Musik ein wichtiger Mosaikstein. Deren, gewissermaßen den Ur-Charme des „Alten Wiens“ beschwörenden Zither-Klänge setzen einen scharfen Kontrast zum Trümmeralltag von 1945 und sind eine klangliche Vision „besserer Tage“ (man denke an die Eröffnung von „G’schichten aus dem Wienerwald“ von J. Strauss Sohn). Darin liegt – im Zusammenwirken mit den Filmbildern – der Reiz, davon gelöst aber auch die relative Belanglosigkeit begründet! Anton Karas’ Musik bleibt nämlich auch in den Spannungsmomenten ausschließlich allein netten, aber reinen Kaffeehaus-Unterhaltungsstandards verpflichtet. Außer dem mitunter (1:1) wiederkehrenden Harry-Lime-Thema, gibt es weder eine rein musikalische noch bildbezogene Dramaturgie. Gerade die jetzt vorliegende CD belegt dies und damit auch die „Ausnahme von der Regel“ die Karas’ Musik im Bereich Filmmusik bildet.
Analog zu Silvas Album zu John Barrys Quiller Memorandum sind zwischen die Karas-Stücke Dialog-Schnipsel (erfreulicherweise ebenfalls komplett herausprogrammierbar!) eingestreut. Darüber hinaus gibt’s als Bonus-Tracks noch (allerdings recht blasse) Orchester-Arrangements zweier der Karas Stücke, wobei eines natürlich das besagte Harry-Lime-Thema ist. Eine CD, die man nach den üblichen Cinemusic.de-Standards nur schwierig „richtig“ einordnen kann. Mir erscheint hier die „eingeschränkte Empfehlung“ sinnvoll.
Für manch einen mag diese „Komplettfassung“ exakt das lang gesuchte Souvenir zu Reeds Filmklassiker sein; alle übrigen sollten besser warten, bis das Harry-Lime-Thema auf einem weiteren Silva-Sampler auftaucht. Bei der unermüdlich weiter das hauseigene Repertoire verwurstenden Arbeitsweise der Silva-Albenmacher, ist das wohl eh nur eine Frage der Zeit.