The Terminal
Nach catch me if you can zeichnet (wie zu erwarten) Altmeister John Williams auch für Steven Spielbergs neuesten Film, The Terminal, verantwortlich. Im Film geht es um Viktor Navorski, der aufgrund eines Umsturzes in seinem Heimatland zum Staatenlosen und damit Gefangenen auf einem US-Flughafen wird. Als ein Vorbild für die Filmstory dürfte der Fall des Iraners Merhan Nasseri gedient haben, der seit 1988 auf dem Pariser Charles-de-Gaulle-Flughafen sein Dasein fristet.
Williams’ Musik erzeugt durch das immer wieder auftauchende Klarinettenthema für die Hauptfigur im Zusammenwirken mit dem Akkordeon (das beispielsweise in Russland Bajan genannt wird) zumindest einen — wenn auch sehr stilisierten — Hauch osteuropäischen Feelings. Wobei der Klarinette im Score (neben Klavier und begrenzt auch Akkordeon) eine besonders wichtige solistische Rolle zukommt, sie verschiedentlich quasi konzertierend eingesetzt wird. Das gilt besonders für die Präsentation des Hauptthemas im ersten Track, „The Tale Of Viktor Navorski“, das durch die ausladende Klarinettenkadenz ein Williams-typisches Konzertarrangement — mit einer Prise Prokofjew und vermutlich auch Rachmaninoffs „Sinfonischen Tänzen“ — sein dürfte. Die Interpretin ist übrigens Elmer Bernsteins Tochter Emily.
Und direkt im Anschluss folgt gleich nochmals ein reizendes Konzertstück: „Dinner with Amelie“ basiert auf einem weiteren prägnanten musikalischen Gedanken des Scores in Form eines breit angelegten, rund 8-minütigen sinfonisierten Tangos. Natürlich ist an dieser Stelle das bereits in Track eins dezent mitwirkende Akkordeon geradezu unverzichtbar. Dieses Instrument erhält im Score damit sogar ein wenig eine ambivalente Funktion. Und neben den Tango-Passagen gibt’s als Kontrast sehr romantisierende Einschübe zu hören, in denen das Thema des Tanzes ausgesprochen hübsch sinfonisch variiert wird. In Teilen fühlt man sich hier — und auch an weiteren Stellen, wie „Looking For Work“ — im Tonfall an die Scherzi in catch me if you can erinnert. Allerdings wird in The Terminal das Komödiantische (trotz gelegentlich leicht melancholischer Untertöne) insgesamt deutlich stärker betont. Insofern taugen an dieser Stelle auch Teile der Harry-Potter-Musiken als Bezugspunkte. Und der Chorsatz in „Gupta’s Deliverance“ erinnert stimmungsmäßig an „The Patronus Light“ aus Harry Potter und der Gefangene von Askaban.
Am Schluss von „Dinner with Amelie“ wird aber noch ein weiterer, betont romantischer musikalischer Gedanke, das delikate Liebesthema, vorgestellt. Diese recht breit ausschwingende Melodie wird in späteren Tracks, wie der „Fountain Scene“, breiter ausgespielt und erhält in den „Jazz Autographs“ durch entsprechende Begleitfiguren von Kontrabass und Piano einen bluesigen Touch. Letzteres ist zwar zweifellos standardisiert, aber wiederum nett geraten. Außerdem kommt an einigen Stellen der Filmmusik (z. B. in „A Legend Is Born“) ein Schuss gewohnter Williams-Americana zum Zuge. Diese Passagen stehen Vergleichbarem in The River (1984) oder auch in The Patriot (2002) nahe.
Nicht unterschlagen werden soll die sehr hübsch gefertigte Replik einer typisch und bombastisch klingenden Nationalhymne für das fiktive Krakozhia. Und ebenso ansprechend gehandhabt ist auch das in „The Wedding of Officer Torres“ eingearbeitete klassische Brautchor-Zitat aus Wagners „Lohengrin“.
Abgesehen von der Nationalhymne gibt es nur wenige Stellen im Score, in denen es lauter zugeht – das Tutti bleibt sogar nahezu komplett ausgespart. Überhaupt sorgt die Williams-typische, dieses Mal überwiegend besonders schlank ausgeführte, betont auf Ensemble-Wirkungen setzende Instrumentierung für diverse klangschöne und zugleich romantisierende Akzente. Dabei haben die ebenfalls geschickt eingesetzte Harfe und Celesta ein gewichtiges Wort mitzureden.
Alles in allem präsentiert The Terminal eine insgesamt inspiriert ausgeführte Filmmusik, die im Tonfall überwiegend eher leichtgewichtig — jedoch nicht banal —, dezent komödiantisch und mitunter auch ironisierend gehalten ist. Es handelt sich um eine Komposition, bei der die Themen weniger (groß) sinfonisch verarbeitet sind; um eine Komposition, die stilistisch charmant zwischen jüngeren, aber auch weiter zurück liegenden Arbeiten des Altmeisters pendelt. Der Käufer erhält ein sehr hörenswertes und unmittelbar eingängiges Album mit einer sehr unterhaltsamen Williams-Musik, welche einigen Hörcharme zu entwickeln vermag.
Über die gesamte Laufzeit kann man der CD einen Hauch Redundanz attestieren. So erscheint nicht allein das Hauptthema etwas (zu) häufig nahezu 1:1 wieder. Eventuell hätte man beim Albumschnitt durch leichtes Straffen — Aussparen von 5 bis 10 Minuten sehr ähnlichen Materials — den Hörfluss noch etwas verbessern können. Das bleibt letztlich aber auch eine Sache des individuellen Geschmacks. In jedem Fall verbleibt für diese mittlerweile 21. Zusammenarbeit von Regisseur und Komponist mit (fetten) vier Sternen eine eindeutige und satte Empfehlung.