The Manchurian Candidate

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
9. November 2004
Abgelegt unter:
CD

Jonathan Demmes neuer Thriller, The Manchurian Candidate • Der Manchurian Kandidat, ist ein Remake des gleichnamigen Films von John Frankenheimer aus dem Jahr 1962, der hierzulande unter dem Titel Botschafter der Angst gezeigt worden ist. Bei Frankenheimer geht es um einen im Koreakrieg der Gehirnwäsche unterzogenen Militär, der als dekorierter Held heimkehrt und nach Jahren als „Schläfer“ unter posthypnotischem Einfluss den Kommunisten als willenlose Mordmaschine helfen soll, Amerika, das „Bollwerk der Demokratie“, zu unterwandern und zu destabilisieren. Frankenheimers Thriller um die „fünfte Kolonne“ ist ein eindeutiges Hollywood-Produkt des Kalten Krieges; Demmes Neuaufguss hingegen verlegt die Gehirnwäsche in den ersten Golfkrieg und das Aktivieren des Schläfers in unsere Tage. Ob der Film als amerikanische Propagandawaffe im Dienste des internationalen Kampfes gegen den Terrorismus dienen soll, kann ab dem 11. November 2004 jeder selbst überprüfen.

Was Rachel Portman dem Hörer über rund 30 Album-Minuten zumutet, ist ein weitgehend konturloser Klangteppich, der an Hart’s War • Das Tribunal erinnert, allerdings ohne einigermaßen prägnantes Thema auskommen muss. Das praktisch ohne Höhepunkte und Steigerungen düster und bedrohlich endlos vor sich hin brodelnde klangliche Suspense-Gebräu tendiert in Teilen zur Collage, kann aber nicht wirklich als experimentell bezeichnet werden. Es gibt zwar ein (völlig blasses) Motiv, das jedoch keineswegs geschickt gebraucht wird. Endlose, blasse Ostinatifiguren der Streicher — ansonsten ist Portman offenbar nichts eingefallen — dienen allein dazu, die totale Langeweile zu forcieren. Auch der im Score nicht verankerte Titelsong „Fortunate Son“ von Wyclef Jean vermag daran nichts zu ändern. Mir wird nicht klar, wer abseits des Films nach Derartigem lechzen mag …

Wäre das nun alles, gäbe es keinen Grund, diesem Album wertungsmäßig ohne viel Federlesens mit (aus Pietät) max. einem halben Stern einen Platz recht knapp über der Talsenke anzuweisen. Da sind allerdings noch die ebenfalls rund 30 Minuten aus David Amrams Vertonung zum 1962er Film, die in übrigens sehr guter Stereo-Tonqualität präsentiert sind. Der Komponist meldet sich im Begleitheft mit einem Kommentar zu Wort, hat sich offenbar sehr darüber gefreut, dass nun, 42 Jahre nach dem ersten Film — und der längst vergriffenen, 1997 auf Premier Records erschienenen Komplett-Edition —, (zumindest) Highlights seiner Musik wieder auf Tonträger erhältlich sind: „Frank Sinatra and John Frankenheimer gave me the freedom to write the best music I could possibly create, with the understanding that the music should compliment the film, as well as being able to stand on its own.”

Dem letzteren seines Statements kann man, auch ohne den Film zu kennen, durchaus zustimmen. Teile der Musik sind als zeitgemäßer Cool Jazz konzipiert, wobei sich auf der jazzigen Ebene ebenfalls das Hauptthema der Musik spiegelt. Die übrigen Teile der Musik sind sinfonisch, dabei allerdings meist kammermusikalisch aufgelichtet und ensemblehaft gehalten. In den dissonanten Suspense-Passagen zeigen sich neben einem merklichen Herrmann-Touch modernistische Einflüsse à la Alban Berg und Leonard Rosenman. Die insgesamt eher kammermusikalisch gehaltene Komposition ist sehr geschickt und luftig instrumentiert, wobei das oftmals ungewöhnlich bis verfremdet eingesetzte Cembalo und auch die jazzigen Passagen auf Alex North verweisen.

Editorisch handelt es sich hier keineswegs um eine von der Grundidee schlechte Kopplung. Nein, im Gegenteil! Allerdings vermag hier allein der Musikanteil David Amrams zu überzeugen, für den eindeutig bis zu viereinhalb Sterne angesetzt werden können. Rachel Portmans Komposition hingegen ist nahezu unanhörbar. Aus diesem Grund versagt an dieser Stelle das Cinemusic.de-Wertungs-System komplett, da auch eine „Albumwertung“ hier keinen Sinn mehr macht. Insofern ist es bei allem grundsätzlichen Lob letztlich doch schade, dass Varèse von der 62er Musik nicht mehr auf der CD untergebracht hat.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Erschienen:
2004
Gesamtspielzeit:
61:08 Minuten
Sampler:
Varèse Sarabande
Kennung:
VSD-6603

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