The Kite Runner

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
16. Januar 2008
Abgelegt unter:
CD

Score

(4/6)

Drachenläufer, so der deutsche Verleihtitel, erzählt die Geschichte zweier ungleicher Freunde. Der Film vom Schweizer Hollywood-Emigranten Regisseur Marc Forster (Monster’s Ball, Finding Neverland) entstand nach dem Bestseller von Khaled Hosseini. Forster hat übrigens gegenwärtig den 22. Bond-Film in der Mache.

Die Erzählung über Freundschaft, Verrat, Schuld und späte Wiedergutmachung birgt seit 2003 für viele Leser des gleichnamigen Buches und jetzt auch für die Kinogänger Impressionen aus einem geheimnisvollen, geschundenen Land: Afghanistan. Dies ist ein uns fremder exotischer Ort mit Regionen von großer Schönheit, mit dem allerdings die meisten, dank der Kriegsberichte im TV, eher Tristes und Hoffnungslosigkeit verbinden. Drachenläufer beginnt sein Porträt zweier Kinder Anfang der 70er Jahre, vor der sowjetischen Invasion und dem gegenwärtigen Albtraum von Krieg und Terror, zu einer Zeit, als die afghanischen Jugendlichen noch Wettkämpfe mit bunten Drachen austragen durften.

Alberto Iglesias hat bislang in erster Linie mit seinem Landsmann, dem Regisseur Pedro Almodóvar zusammengearbeitet — siehe auch Volver (2006) sowie auf „Filmmusik 2000“ Hable con ella • Sprich mit ihr (2002) und The Constant Gardener • Der ewige Gärtner (2005).

Für Drachenläufer hat der Spanier eine äußerst subtile, aber trotzdem eindringliche Vertonung geschaffen, deren Reiz in den interessanten Spiegelungen afghanischer Musikkultur mitbegründet ist. Westliche sinfonische und orientalische Musikelemente werden miteinander derart geschickt verbunden, dass sich die klanglichen Ebenen elegant durchdringen. Dabei kommt neben einzelnen Ethno-Vokalisen für die Region der Filmhandlung charakteristisches Instrumentarium besonders ausgiebig zum Einsatz.

Überhaupt spielen die vielfältigen Klangfarben der Saiteninstrumente aus Ost und West eine besonders wichtige Rolle in einer insgesamt eher zurückhaltenden, niemals lärmenden Vertonung. Unter anderem sind zu hören: die exotische Oud (eine Knickhalslaute), der hackbrettähnliche Santur, die Rubab sowie die kretische Lyra. Ebenso fällt das insgesamt behutsam eingesetzte Schlagwerk auf — wiederum ein Mix aus Orient und Okzident —, das es bis auf den nervösen Track „Escape“ vermeidet, der insgesamt eher stillen Handlung musikalisch einen martialischen Stempel aufzudrücken. In Teilen tritt den Sounds natürlicher Instrumente noch unaufdringlich eingearbeitete Klangsynthetik hinzu. Die elegische und auch von Melancholie geprägte Tonschöpfung ist mit entsprechend konzipierten Arbeiten Mychael Dannas vergleichbar, besonders mit dem zusammen mit Bruder Jeff komponierten Green Dragon.

Von den 63 Minuten Gesamtspielzeit der CD entfallen knapp 45 auf die eigentliche Filmmusik. Bei den insgesamt fünf vertretenen Songs handelt es sich um Source-Cues, die unmittelbar auf den jeweiligen zeitlichen Abschnitt der Handlung atmosphärisch reflektieren. Dafür stehen z. B. die aus den 70er Jahren stammenden Songs des afghanischen Dichters und Pop-Interpreten Ahmad Zahir, der auch als „afghanische Nachtigall“ bezeichnet wurde. Ob man diese Einlagen allerdings generell als stimmige Ergänzung empfindet, ist sehr Geschmackssache. Für mich beeinträchtigten mindestens drei der Songs die Wirkung des Iglesias-Scores doch allzu nachhaltig. Meine Empfehlung daher: die Songs anfänglich sicherheitshalber komplett rausprogrammieren und nach späteren „Geschmackstests“ gegebenenfalls wieder einfügen. Darüber hinaus finden sich im Scoreanteil einige abseits des Films wenig eigenständige, stark atmosphärische Teile, z. B. „The Stadium“ oder „Escape“, die den individuellen Hörfluss ebenfalls beeinträchtigen können. Dafür ist „Kite Tournament“ das unmittelbar wohl auffälligste und auch ansprechendste Stück des CD-Albums, das schon etwas den Charakter eines Set-Pieces besitzt. Einzig das zu Beginn keltisch anmutende Flair überrascht hierbei ein wenig.

Alles in allem kann man sich ca. 35 Minuten Musik kompilieren, die dann ein sehr überzeugendes und gut fließendes Höralbum abgeben.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2007.

© aller Logos und Abbildungen bei den Rechteinhabern (All pictures, trademarks and logos are protected).

Komponist:
Iglesias, Alberto

Erschienen:
2007
Gesamtspielzeit:
62:47 Minuten
Sampler:
Universal Music
Kennung:
DG 477 7333

Weitere interessante Beiträge:

The Yakuza

The Yakuza

Voyage to the Bottom of the Sea

Voyage to the Bottom of the Sea

The Magical Music of Disney

The Magical Music of Disney

A Quiet Place

A Quiet Place

Cinemusic.de