Seit Looney Tunes: Back in Action (2003) war es geraume Zeit recht still um Regisseur Joe Dante. Mit The Hole — Wovor hast Du Angst? meldet er sich jetzt im Kinovollprogramm wieder zurück und nimmt den Zuschauer dabei mit auf eine kleine Zeitreise. Es geht zurück in die 1970er und 1980er, wo Dante mit in ihrer rückwärtsgewandten Machart heutzutage fast schon familienfreundlich erscheinenden Horror-Filmen wie Piranhas (1978) und Horror-Komödien wie Gremlins — Kleine Monster (1984) oder auch The Burbs — Meine teuflischen Nachbarn (1989) besonders erfolgreich war.
Und relativ prompt stellt sich auch bei The Hole das Grauen ein im trauten Heim — nicht zu verwechseln mit dem 2001er The Hole — Gefangen in der Dunkelkeit. Dieses Mal dient eine beschauliche US-Kleinstadt als Hintergrund, in die eine Mutter (Susan Thompson) mit ihren beiden Söhnen, dem kleinen Lucas (Nathan Gamble) und dem halbwüchsigen Dane (Chris Massoglia), umzieht. Zusammen mit der hübschen Julie (Haley Bennett) aus der Nachbarschaft stoßen die beiden Jungen im Keller ihrer neuen Heimstatt auf eine mit sechs Schlössern verriegelte massive Bodenluke, unter der sich ein scheinbar abgrundtiefes „Schwarzes Loch“ auftut — hiermit ist freilich kein „Schwarzes Loch“ als astronomisches Objekt gemeint. Die Neugier des Trios bleibt, wie zu erwarten, nicht folgenlos. Die größten Phobien der Drei, resultierend aus ihren individuellen traumatischen Erfahrungen, nehmen bedrohliche Gestalt an und zwingen die jungen Protagonisten schließlich, sich ihrer verdrängten Vergangenheit zu stellen.
Erfreulicherweise geschieht dies, ohne dass großartig Blut fließt oder exzessive Gewaltdarstellung benötigt wird. Dantes Film geht hier subtiler, im altbewährten, klassischen Sinne vor. Damit ist das Horror-Kino der 1950er bis in die frühen 1960er gemeint, als das, was heutzutage unter „Splatter“ firmiert, noch in den Kinderschuhen steckte. Diese Filme zeichnen sich überwiegend durch stimmungsvolle Atmosphäre aus, und ihre eher sparsam eingesetzten Schockmomente erscheinen so maßvoll, dass sie manchem heutigen Hardcore-Horror-Fan sicher betulich erscheinen. Das Instrumentarium des klassischen Grusel- und Horrorkinos ist beim Publikum längst eingeübt und damit teilweise auch Klischee geworden. Es funktioniert aber immer noch, lässt auch den heutigen Zuschauer, der das, was kommt, ja kommen muss, bereits erwartet, immer wieder dezent zusammenzucken.
Wie kaum anders zu erwarten, profitiert The Hole klar davon, dass der Film binokular aufgenommen wurde, es sich also um einen echten 3D-Film handelt. Beim Filmfestival in Venedig 2009 wurde Dantes Film übrigens mit dem erstmalig vergebenen Personal-3D-Award für den besten 3D-Film des Jahres ausgezeichnet.
Andrej Tarkowskijs Solaris (1972) hat wohl für The Hole (2009) die zentrale Idee geliefert. Bei Tarkowskij ist es ein riesiger, die gesamte Oberfläche eines Planeten bedeckender Ozean, der Einfluss auf die Besatzung der über ihm schwebenden Forschungsstation nimmt, indem er Schuld und Sühne betreffende Inhalte des Gewissens der Stationsbesatzung materialisiert. In Dantes Film übernimmt den Part das scheinbar bodenlose „Schwarze Loch“, welches die verdrängten Ängste derjenigen, die in es hineinblicken, Gestalt annehmen lässt. Aber auch Tobe Hoopers Poltergeist (1982) lässt grüßen, in Form der Clownspuppe, die dem kleinen Lucas auf die Pelle rückt und diesem, mitunter aber auch dem Zuschauer, so diabolisch zuzwinkert.
Doch das ist erst der noch relativ harmlose Anfang einer sich maßvoll steigernden Reise in die Abgründe der Seelen der jugendlichen Protagonisten. Auch Julie hütet nämlich ein düsteres Geheimnis. Sie ist in den Unfalltod ihrer besten Freundin Angie verwickelt, die ihr als Geistermädchen mit blutigen Augen erscheint. Wenn sich Julie auf dem höchsten Punkt der schrottreifen Achterbahn eines längst stillgelegten und entsprechend heruntergekommenen Vergnügungsparks mit dem Geist von Angie auseinandersetzt, dann erscheint der Abgrund, in den Angie stürzte, dank 3D geradezu schwindelerregend. Und Dane, der vorgibt, sich vor nichts zu fürchten? Er bestreitet das tricktechnisch relativ aufwändig gestaltete Finale. Dane muss sich der Konfrontation mit dem gewalttätigen Vater stellen, der, wie man erst im Laufe des Films erfährt, im Gefängnis sitzt. Beim Versuch, seinen jüngeren Bruder zu retten, stürzt Dane in das „Schwarze Loch“ und gelangt in eine vom deutschen Stummfilmexpressionismus beeinflusste, caligareske Kulisse mit entsprechend typischen verzerrten Perspektiven und schiefen Wänden. Alles erscheint nicht nur eigenartig deformiert, sondern auch überdimensioniert groß, wie aus einer albtraumhaften Kinderperspektive gesehen. Und die weiten Räume der Psyche, die sich im finalen Showdown auftun, sind wiederum gerade in 3D ein Highlight des Films.
Sicher ist das, was es hier zu sehen gibt, weder besonders originell noch irgendwie ungewöhnlich. Vielmehr wird hier bereits Bekanntes recht überzeugend wiederaufbereitet. Alles in allem ist The Hole damit ein kleinerer Film, der sicher nicht das Zeug zum Klassiker besitzt, aber durchaus ein charmantes nostalgisches Déjà-vu-Gefühl erzeugt. Dafür sorgen auch einige augenzwinkernd ironische Anspielungen, wie das auf einem alten Firmenschild zu lesende „Gloves of Orlac“, das auf Robert Wienes 1924er Stummfilm Orlacs Hände verweist. Robert Wiene steht natürlich ebenso für den berühmten Streifen Das Cabinet des Dr. Caligari (1919), dessen so markant groteske Kulissen das Finale von The Hole beeinflusst haben. Außerdem ist da noch „Creepy Carl“ als Name für den früheren Bewohner des Horrorhauses. Er haust interessanterweise in einer Art Fabrikhalle, bestückt mit unzähligen, verschiedenartigen Lampen, was wiederum in 3D besonders ansprechend herüberkommt. Carl warnt die jungen Leute nicht nur vor dem „Schwarzen Loch“, dessen Dunkelheit alle, die hineingesehen haben, heimsuchen und verschlingen werde. Als es ihn erwischt, hinterlässt er eine Fülle von Zeichnungen, die, wie ein Puzzle zusammengesetzt, den jugendlichen Protagonisten den entscheidenden Hinweis geben.
Die wenig bekannten jungen Schauspieler, allen voran Nathan Gamble, wirken sympathisch und glaubwürdig. Ihr Spiel ist mehr als vorzeigbar, und so resultiert, trotz einiger kleinerer Logiklöcher im Plot, eine durchaus ansprechende, recht kurzweilige Unterhaltung. Entsprechend lautet hier unterm Strich die Devise: Es lohnt sich, zum sanft-nostalgischen Gruseln in den Keller zu gehen.
Bemerkenswert ist noch, dass der Spanier Javier Navarrete (Pans Labyrinth, Tintenherz) die Filmmusik komponierte. Auf Tonträger muss man diese zwar nicht unbedingt besitzen, aber zum Film macht sie eine durchaus stimmungsvolle Figur.
The Hole auf 3D-Blu-ray & DVD
Die DVD und erst recht die 3D-Blu-ray-Version des Films liefern ein weitgehend überzeugendes Bild. Auf Wunsch kann man von der 3D-Blu-ray den Film aber auch in 2D wiedergeben. Das Bild ist recht detailfreudig und überwiegend von guter bis sehr guter Schärfe. Nur einzelne Szenen wirken etwas weicher und/oder sind bei Kontrast und Schwarzwert nicht perfekt.
Dank der sorgfältigen Machart macht der Film in 3D visuell noch ein deutliches Stück mehr her als in der bereits zweifellos soliden 2D-Version. Wer allerdings mit Wurfgeschossen von der Leinwand bombardiert werden möchte, ist eher arm dran. Der Raumeffekt wird insbesondere zur Betonung der Tiefe des Bildes gut genutzt, soll dem Zuschauer ein intensives Gefühl vermitteln, unmittelbar am Geschehen zu sein. Dabei tragen die recht trickreich gestalteten Kulissen viel dazu bei, den virtuellen Raum überzeugend zu inszenieren. Es gibt aber auch ein paar in Richtung Zuschauer konzipierte nette 3D-Momente. Die 3D-Präsentation hinterlässt einen feinen Gesamteindruck, da Ghostingeffekte nur geringfügig zu beobachten sind.
Ebenso wenig enttäuscht das Produkt auf der akustischen Schiene. Die Tonkulisse gibt es in Deutsch wie in Englisch im DTS-HD-Master-Audio-5.1-Format. Hinter der klangvollen Bezeichnung verbirgt sich ein im durchaus positiven Sinne routinierter Surround-Mix, der zum visuellen Geschehen ein rundum stimmiges akustisches Pendant bildet.
Und was bis hierher bereits sehr ordentlich ist, das bleibt es in der umfangmäßig betrachtet zwar nicht übermäßig üppigen, aber mit rund 30 Minuten für einen derartigen Titel m. E. völlig ausreichenden Boni-Kollektion. Neben dem kleinen „Eingang zur Hölle — Making of“ finden sich die Hintergründe der Filmhandlung erhellende Programmsegmente: „Ein Blick in die Hölle“, „Familienangelegenheiten“ sowie „Der Hüter der Hölle“. Im Letztgenannten wird die wichtige Rolle des Hollywood-Veteranen Bruce Dern (Wiegenlied für eine Leiche, Familiengrab, The Burbs — Meine teuflischen Nachbarn) als skurril-geheimnisvoller früherer Bewohner des Horror-Hauses, Creepy Carl, erläutert. In „Die dritte Dimension“ agiert der jüngste der drei Hauptdarsteller, der aufgeweckte Nathan Gamble, fast schon wie ein alter Hase unter den Kinderreportern. Gamble übergibt dann an 3D-Experte Max Penner, Mitgründer von Paradise FX. Penner arbeitet als Techniker seit mehr als 30 Jahren in der US-Filmindustrie. Er zählt zu den neuzeitlichen Pionieren für stereoskopische Aufnahmetechnik und hat an der Entwicklung eines eigenen 3D-Kamerasystems mitgearbeitet. Gerade hier hätte es für meinen Geschmack schon etwas mehr ins Detail gehen können, und auch den übrigen Boni-Segmenten hätte etwas mehr in die Tiefe gehende Betrachtung gut getan. Aber immerhin ist das zu Sehende recht unterhaltsam aufbereitet und macht zusammen mit dem am Schluss der Boni-Kollektion platzierten Filmtrailer neugierig auf den Film. Man sollte es sich daher eher vor als nach dem Film anschauen.
Fazit: Wer es hardcoremäßig braucht, bei wem ohne Splatter à la Saw oder Hostel einfach kein Horrorfeeling aufkommen mag, der liegt bei Joe Dantes The Hole — Wovor hast Du Angst? völlig falsch. Wer hingegen eher klassisch angehauchtes, stärker auf Atmosphäre setzendes Horrorkino wie Poltergeist schätzt, wer also für eine Portion eher nostalgisch-sanften Gruselkinos zu haben ist, der dürfte auch hier auf seine Kosten kommen.
Trotzdem handelt es sich nicht etwa um einen Gruselspaß für die ganze Familie oder gar um einen Kinderfilm. In Großbritannien hat man sich zwar zu einer BBFC-12-Freigabe mit dem Vermerk „family-friendly adventure“ durchgerungen. Entsprechend darf dort — aber nicht hierzulande — auch der jüngste Protagonist der Handlung, der kleine Lucas (Nathan Gamble), (werbend) auf dem Cover erscheinen. Ich rate zu etwas Vorsicht. Das deutsche FSK-16-Logo ist zumindest nachvollziehbar und sollte allenfalls behutsam unterboten werden.
The Hole ist ein echter, nativer 3D-Film, also nicht bloß nachträglich konvertiert. Bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig 2009 behauptete sich Dantes Film gegenüber starken Konkurrenten wie Pete Docters Up — Oben und erhielt den begehrten, erstmalig vergebenen Personal-3D-Award.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu Pfingsten 2011.
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